Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Erst kamen Rechnungen über 147€, dann über 175€. Im vergangenen Jahr waren es über 193€. Das läppert sich. Dabei dreht sich der Stromzähler schon seit sechs Jahren nicht mehr.
Seit 16 Jahren PV-Anlage
Wilhelm und Elke Röthemeyer aus Petershagen im Mühlenkreis betreiben eine Photovoltaik-(PV)-Anlage mit 26 kWp. Vor 16 Jahren installierte das Landwirtsehepaar die Solaranlage auf dem alten Schweinestall. Den Strom speisen sie für 43 Cent je kWh zu 100% ein. Dafür sind Wechselrichter nötig. Anfangs waren es drei Geräte, die selbst Strom verbrauchten. 2018 ging ein Wechselrichter kaputt. Röthemeyers ließen alle drei Geräte auf eigene Kosten gegen ein neues tauschen. „Der neue moderne Wechselrichter ,Sunny Tripower TL-30‘ sollte bauartbedingt keinen Strom verbrauchen“, berichtet Wilhelm Röthemeyer, was der Installateur ihm damals gesagt habe. Er öffnet die Klappe des grauen Kastens mit dem Stromzähler und deutet auf das Rädchen. Es dreht sich nicht. „Seit wir den neuen Wechselrichter haben, steht der Zähler so, wie er steht“, unterstreicht der 72-Jährige.
Jedes Jahr hohe Rechnung
Die Rechnungen der vergangenen drei Jahre weisen einen Energieverbrauch von 0 kWh aus. „In den Jahren zuvor war das genauso“, versichern Röthemeyers. Trotzdem müssen die Rentner jedes Jahr weit über 100€ an ihren Energieversorger E.ON zahlen, zuletzt rund 193€ für einen Energieverbrauch von 0 kWh. Darin enthalten ist allerdings eine Zählermiete in Höhe von rund 9€.
Das ist für Wilhelm und Elke Röthemeyer auch nicht der Punkt. Sie fühlen sich abgezockt, weil sie in einen teuren Grundversorgungsvertrag mit hohen Gebühren rutschen, obwohl der Wechselrichter offensichtlich keinen Strom verbraucht. Sie wandten sich schriftlich an ihren Energieversorger.
E.ON schrieb ihnen zurück: „Sobald Sie für den Betrieb einer Photovoltaikanlage Strom beziehen – möglicherweise auch sehr wenig – kommt automatisch ein Grundversorgungsvertrag nach § 36 EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) zustande. Das ist gesetzlich vorgesehen. Im Grundversorgungsvertrag muss die Grundgebühr auch dann bezahlt werden, wenn zukünftig kein Stromverbrauch mehr stattfindet.“
Strom aus Leitungsnetz?
Röthemeyers sind nicht die einzigen mit diesem Problem. Andere Verbraucher zogen schon vor Gericht. Inzwischen vertreten das Amtsgericht Herford, die Schlichtungsstelle Energie, die Bundesnetzagentur und die Clearingstelle EEG|KWKG eine ziemlich eindeutige Position:
„Ein Grundversorgungsvertrag kommt nur zustande, wenn aus dem Leitungsnetz tatsächlich Elektrizität entnommen wird“, teilt ein Sprecher der Clearingstelle auf Wochenblatt-Anfrage mit und verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2014 (AZ.: VIII ZR 316/13).
„Wenn der Wechselrichter einer Solaranlage auch im nächtlichen Stand-by-Betrieb nachweislich keinen Strom aus dem Netz bezieht, entsteht für den Wechselrichter kein Grundversorgungsverhältnis“, betont der Sprecher.
Den Nachweis dafür, dass Solaranlagen, die den gesamten Strom einspeisen (sogenannte Volleinspeisung), keinen Strom beziehen bzw. beziehen können, muss der Anlagenbetreiber erbringen. Hierfür können Unterlagen des Herstellers des Wechselrichters dienen.
Teufel steckt im Detail
Und hier überrascht Elke und Wilhelm Röthemeyer der Teufel im Detail. Der Hersteller ihres Wechselrichters räumt nämlich einen minimalen Stand-by-Strombezug ein. „Bei Nacht ist bei der genannten Modellreihe Sunny Tripower TL-30 lediglich die Kommunikationsschnittstelle aktiv“, erklärt eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. Das Datenblatt weist dazu eine Leistung von 1 W aus, die aus dem Stromnetz bezogen wird. Fürs Jahr beziffert der Hersteller die Bezugsenergie auf 4 kWh. „Das spricht in jedem Fall dagegen, dass hier gar kein Strom aus dem Netz entnommen wurde (,Nullstrombezug‘)“, ordnet der Sprecher der Clearingstelle die Lage ein – daher die heftige Stromrechnung.
Steht in keinem Verhältnis
Aber der Zähler auf Röthemeyers Diele steht still. Die aktuelle Stromrechnung weist für 2023, 2022, 2021 0 kWh aus. Für theoretische 4 kWh, die praktisch nicht verbraucht werden, und den Zähler 193€ zu zahlen, finden die Rentner doch „happig und unangemessen. „Das steht in keinem Verhältnis“, kommentiert der Landwirt und ergänzt: „Wahrscheinlich werden wir nicht drumherumkommen, auch weiter zu bezahlen oder einen neuen Wechselrichter zu installieren.“
Betroffene können sich bei der Initiative „Solidarfonds Nullverbrauch“ weiter schlau machen.