Abhaken, weitermachen: Wie Landwirt Steffen Meyer neue Standbeine testet
Melone, Süßkartoffel, Ingwer, Erdnuss: Auf der Suche nach Nischen hat Steffen Meyer schon vieles angebaut. Hier gibt er Tipps, wann er Ideen wieder abhakt und was er aus gescheiterten Versuchen lernt.
„Drei Jahre, dann hatte ich die Nase voll.“ Das sagt Steffen Meyer aus dem niedersächsischen Böhme über seine Erfahrung mit dem Anbau von Wasser- und Honigmelonen. Nicht der Anbau war das Problem. Meyer, dessen Hauptstandbeine eigentlich Spargel und andere Sonderkulturen, 80 ha Forst sowie 200 ha verpachtete Ackerfläche sind, erzielte im norddeutschen Klima gute Erträge und gute Preise mit den Südfrüchten.
Es war ein anderes Ärgernis, das den 34-Jährigen schließlich dazu brachte, das Projekt Melonen wieder sein zu lassen. „Es war der Diebstahl. Die Leute haben sich den Kofferraum vollgepackt und mich hat das Finanzamt später gefragt, wieso die Stückzahlen nicht passten.“ Als er die Melonen in der nächsten Saison in einem Maisfeld versteckte und sie trotzdem noch gestohlen wurden, reichte es dem umtriebigen Landwirt und gelernten Gärtner.
Die Gründe, ein neues Standbein wieder einzustellen, können vielfältig sein. Steffen Meyer erzählt top agrar von den Herausforderungen. Und davon, was er aus Fehlversuchen lernt.
„Die Melonen haben mir Spaß gemacht“, sagt Meyer. Ein lohnendes Geschäft, mit dem Geld zu verdienen sei. „Aber nach drei Jahren dachte ich mir: abhaken und weiter.“
Etwa im gleichen Zeitraum versuchte es der Direktvermarkter mit Ingwer. Er nannte seine regionale Version den „Heide-Ingwer“. Schon nach einem Jahr brach Meyer den Versuch ab. „Ingwer ist eine spannende Kultur. Aber ich musste feststellen, dass es für regionalen Ingwer keinen Markt gibt.“ Sobald die Preise für das Produkt aus der Region drei bis viermal höher liegen als für die Importware, verhallt der Ruf nach Regionalität ganz offenbar.
Der jüngste Versuch: Meerrettich. In diesem Fall war erstmals der Anbau das Problem. Meyer sagt: „Da bin ich mit der Kulturführung nicht klargekommen. Der Meerrettich ist zwar gewachsen, aber die Qualität stimmte nicht.“ Wühlmäuse und Unkraut schmälerten Ertrag und Qualität. Und was Meyer ernten konnte, hatte nicht den Schärfegrad, den er sich erhofft hatte. Auch das Projekt stellte er bereits nach einem Jahr wieder ein.
Zu persönlich sollten Landwirte solche Rückschläge nicht nehmen, findet Meyer. Ihn treibt das Ziel an, das nächste Trendgemüse als Erster anbieten zu können. Und dafür müsse man eben vieles ausprobieren und dranbleiben. „Ich gehe grundsätzlich mit einer Erwartungshaltung da rein“, sagt der Landwirt. „Wenn die nicht erfüllt wird, bin ich zwar betrübt. Aber deswegen den Kopf in den Sand zu stecken, bringt auch nichts.“
Eine Idee kriegt drei Jahre Zeit
Zahlreiche positive Erfahrungen mit Kulturen, die wohl in keinem Berufsschulbuch stehen, haben dem Landwirt gezeigt, dass er diese unbekannten Feldfrüchte (meistens) anbauen und gewisse Erträge erzielen kann. Auch das Grundverständnis, wie er bei Null starten muss, ist jetzt vorhanden. Er weiß, wie er an Saatgut kommt, er kriegt es in die Erde und auch wieder heraus.
Der ideenreiche Landwirt schwört auf etwas Geduld. „Eine neue Kultur kriegt bei mir drei Jahre Zeit, um sich zu beweisen.“
Jahr 1:
Im ersten Jahr geht es ums Ausprobieren. Ein Feldversuch muss die generelle Machbarkeit beweisen. Diese erste Hürde konnten Meerrettich und Ingwer schonmal nicht bestehen. Süßkartoffeln, Erdnüsse oder Melonen schon. Meyer beschäftigt sich in dieser Zeit mit der Kultur, was er daraus machen kann und sucht mögliche Märkte im Raum Hamburg und Hannover.
Für die Anbauversuche braucht es von Anfang an eine aussagekräftige Flächengröße. Meyer sagt: „Wenn ich einen Test starte, dann grundsätzlich so, dass ich repräsentative, belastbare Aussagen für einen späteren Anbau im größeren Stil herausziehen kann.“ Die Melonen testete er beispielsweise auf 1 ha. Bei den etwas unberechenbareren Erdnüssen waren es immerhin 200 m² Nettoanbaufläche. „Es kommt auf die Kultur an und ob ich genug Saatgut kriege. Aber nur im Blumentopf testen, bringt nichts“, so Meyer.
Gelingt der Anbau und stimmt das Bauchgefühl, wird im zweiten Jahr optimiert. „Ziel ist natürlich die Steigerung der Erntemenge bei gleichzeitiger Reduzierung meiner Kosten“, sagt Meyer. Vom Anbau über Verarbeitungs- und Vermarktungsideen – alles, was im ersten Jahr stockte, probiert Meyer im zweiten Jahr nochmal. Nur besser.
Für mehr Ertrag muss dabei nicht zwangsläufig die Anbaufläche gesteigert werden. Je nach den Lektionen des ersten Jahres steigert der Landwirt im zweiten Jahr die Pflanzendichte, ändert die Reihenführung oder wählt eine andere Fläche z. B. mit einer besseren Bewässerungstechnik aus. „Ich taste mich über die Zeit an die Kulturführung ran“, sagt Meyer. „Ich würde ja gern konkreter werden, aber da ist viel Bauchgefühl dabei.“
Ihre Meinung ist gefragt!
Haben Sie selbst schonmal einen neuen Betriebszweig, ein neues Standbein aufgebaut? Welche war dabei die größte Hürde? Wie haben Sie die Herausforderungen gemeistert? Was haben Sie daraus gelernt?
Wir behalten uns vor, die spannendsten Zuschriften ggf. gekürzt zu veröffentlichen.
Jahr 3:
Das dritte Jahr entscheidet. Jetzt sollte es kaum mehr offenen Fragen zum Anbau geben. Die Anbaufläche kann gesteigert werden. „Spätestens im dritten Jahr kenne ich meine reellen Kosten und kann mit den echten Preisen in die Vermarktung gehen“, sagt Meyer. Vorher kann der Landwirt sich nur nach den Verkaufspreisen aus dem Handel richten und damit erste Interessenten ansprechen. Aber das passe oft „vorne und hinten nicht“. Kennt Meyer die echten Preise, muss er entweder einen Abnehmer finden, der das zahlt, oder das Produkt weiterveredeln. Das braucht aber häufig noch mehr Zeit. „An den Erdnüssen hänge ich zum Beispiel. Da will ich, dass es gelingt“, sagt Meyer. „Die Kultur würde vermutlich auch noch ein viertes oder fünftes Jahr bekommen, in dem ich draufzahle, ohne dass ich das wieder einstampfe."
Denn eigentlich setzt sich Meyer eine jährliche Budgetobergrenze für neue Versuche von 5.000 €. „Die tun nicht ganz so weh, wenn doch mal etwas schiefgeht“, sagt er. „Überhaupt nicht hilfreich ist im Falle eines Rückschlags die Rechnung, was einem Mais oder ein weiterer Hektar Spargel auf der Versuchsfläche hätte einbringen können.“
Die schwierige Vermarktung
Selbst wenn der Anbau gelingt, können Projekte noch immer an der Vermarktung scheitern. Die braucht Meyers Erfahrung nach Zeit, Geduld und am besten Partner, die ebenfalls Lust haben, Neues auszuprobieren.
Der Spargelbauer genießt als Direktvermarkter den Vorteil guter Kontakte in die regionale Gastronomie. „Ich liefere den Spargel oft persönlich aus. Wenn ich was Neues dabei habe, sagen die Kunden schon: ‚Ah, der Meyer macht wieder was.‘ Die Krux sei nur, nicht direkt Umsätze zu erwarten. „Am Anfang gebe ich Probierpakete raus. Danach rennen die Kunden mir aber nicht die Tür ein.“ Der Landwirt gibt die Ware mehrmals kostenlos ab, damit die Vertriebspartner selbst herumprobieren können. „Da setzt man in den ersten Jahren genau 0 € um“, gibt er zu bedenken. „Aber wer am Markt vorbeiproduziert oder ihn gar flutet, macht vieles kaputt.“
Steffen Meyer verdeutlicht das am Beispiel Süßkartoffeln und erklärt: „Meine Jahreserntemenge beträgt rund 30 t. Aber wenn ich 3 t im Raum Hamburg an zwei bis drei Gemüsehändler verkaufe, dann ist der Markt selbst in einem so großen Ballungsgebiet über Monate gesättigt.“ Im Jahr 2022 startete Meyer mit den Süßkartoffeln und versuchte den Markt langsam aufzubauen. Gleichzeitig sprang damals ein anderer Landwirt auf die Nische auf – produzierte allerdings auf einen Schlag 250 t! „Das war viel zu viel“, sagt Meyer kopfschüttelnd. „Damit hat er die Preise kaputt gemacht.“ Der Großteil der Ernte landete wohl in der Biogasanlage.
2023 konnte dieser Wettbewerber plötzlich keine Ware liefern. Meyer wiederum hatte aufgrund der schlechten Erfahrung auf dem Vorjahr ebenfalls keine Süßkartoffeln angebaut. Die Händler gingen also leer aus. Und das Ende vom Lied? Jetzt, im Jahr 2024, hat sich ein Abnehmer abgesichert und bei Steffen Meyer 20 t Süßkartoffeln zu einem fixen Preis vorbestellt. Aus dem zwischenzeitlich schon gescheiterten Nischenexperiment wurde doch noch ein Vertragsanbau. „Man darf einfach nicht zu früh aufgeben“, so Meyer.
Wertvolle Lektionen
So oder so lernt Meyer jedes Mal dazu. „Die Transferleistung zwischen den Kulturen ist immens“, sagt er. Beispielsweise wusste der Spargelbauer den Anbau im Damm sowohl auf Ingwer als auch auf Süßkartoffeln und später auf Erdnüsse zu übertragen. Die sowieso vorhandene Spargeldammfräse eignet sich für alle Kulturen.
Außerdem ließen sich die Kulturen, die eigentlich wärmere Temperaturen benötigen, von einer ausrangierten Spargelfolie so täuschen, dass sie allesamt gute Erträge brachten. „Deshalb lese ich mich zur Vorbereitung nicht allzu tief in eine neue Kultur ein“, verrät Meyer. „Das demotiviert mich sonst.“ Hätte er auf die Angaben zu den Optimalbedingungen von Ingwer, Melone oder Süßkartoffel gehört, hätte er den Anbau wahrscheinlich gleich gelassen.
„Man muss über den Hof laufen und schauen, was man schon da hat – und wie man das auf andere Ideen übertragen kann“, rät der Landwirt. So richtet sich die Wahl des nächsten Anbauexperimentes immer auch danach, welche Infrastruktur und welche Ausstattung er nutzen kann, ohne neu investieren zu müssen. Für die Ernte der Süßkartoffeln modifizierte der Landwirt beispielsweise einen Tulpenvollernter aus Holland. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der dieses Jahr auch bei den Erdnüssen funktioniert“, sagt Meyer.
„Außerdem suche ich eine Kultur, von der ich alles verarbeiten kann und möglichst viel Wertschöpfung am Hof halte.“ So sollen die Erdnüsse dieses Jahr nicht mehr als gesalzener Snack vermarktet werden, sondern als Öl. „Der Presskuchen geht an einen Eishersteller“, sagt Meyer.
In diesem Jahr wagt er sich an Sesam heran. Diesen kann er entweder unverarbeitet, geröstet oder zu Öl gepresst vermarkten, so die Idee. Ideen hat Steffen Meyer noch einige im Köcher –Angst vor Nachahmern hingegen trotz der Süßkartoffelerfahrung nicht wirklich. Im Gegenteil. Wenn die Landwirte mehr kooperieren würden, glaubt Meyer, könnten sich spannende, regionale Produkte zu vernünftigen Kosten herstellen lassen. „Wenn mich Berufskollegen fragen, halte ich mit meinen Ideen nicht hinterm Berg“, sagt Steffen Meyer. „Um etwas wirklich aus der Nische herauszuheben, dafür brauche ich Mitstreiter.“
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„Drei Jahre, dann hatte ich die Nase voll.“ Das sagt Steffen Meyer aus dem niedersächsischen Böhme über seine Erfahrung mit dem Anbau von Wasser- und Honigmelonen. Nicht der Anbau war das Problem. Meyer, dessen Hauptstandbeine eigentlich Spargel und andere Sonderkulturen, 80 ha Forst sowie 200 ha verpachtete Ackerfläche sind, erzielte im norddeutschen Klima gute Erträge und gute Preise mit den Südfrüchten.
Es war ein anderes Ärgernis, das den 34-Jährigen schließlich dazu brachte, das Projekt Melonen wieder sein zu lassen. „Es war der Diebstahl. Die Leute haben sich den Kofferraum vollgepackt und mich hat das Finanzamt später gefragt, wieso die Stückzahlen nicht passten.“ Als er die Melonen in der nächsten Saison in einem Maisfeld versteckte und sie trotzdem noch gestohlen wurden, reichte es dem umtriebigen Landwirt und gelernten Gärtner.
Die Gründe, ein neues Standbein wieder einzustellen, können vielfältig sein. Steffen Meyer erzählt top agrar von den Herausforderungen. Und davon, was er aus Fehlversuchen lernt.
„Die Melonen haben mir Spaß gemacht“, sagt Meyer. Ein lohnendes Geschäft, mit dem Geld zu verdienen sei. „Aber nach drei Jahren dachte ich mir: abhaken und weiter.“
Etwa im gleichen Zeitraum versuchte es der Direktvermarkter mit Ingwer. Er nannte seine regionale Version den „Heide-Ingwer“. Schon nach einem Jahr brach Meyer den Versuch ab. „Ingwer ist eine spannende Kultur. Aber ich musste feststellen, dass es für regionalen Ingwer keinen Markt gibt.“ Sobald die Preise für das Produkt aus der Region drei bis viermal höher liegen als für die Importware, verhallt der Ruf nach Regionalität ganz offenbar.
Der jüngste Versuch: Meerrettich. In diesem Fall war erstmals der Anbau das Problem. Meyer sagt: „Da bin ich mit der Kulturführung nicht klargekommen. Der Meerrettich ist zwar gewachsen, aber die Qualität stimmte nicht.“ Wühlmäuse und Unkraut schmälerten Ertrag und Qualität. Und was Meyer ernten konnte, hatte nicht den Schärfegrad, den er sich erhofft hatte. Auch das Projekt stellte er bereits nach einem Jahr wieder ein.
Zu persönlich sollten Landwirte solche Rückschläge nicht nehmen, findet Meyer. Ihn treibt das Ziel an, das nächste Trendgemüse als Erster anbieten zu können. Und dafür müsse man eben vieles ausprobieren und dranbleiben. „Ich gehe grundsätzlich mit einer Erwartungshaltung da rein“, sagt der Landwirt. „Wenn die nicht erfüllt wird, bin ich zwar betrübt. Aber deswegen den Kopf in den Sand zu stecken, bringt auch nichts.“
Eine Idee kriegt drei Jahre Zeit
Zahlreiche positive Erfahrungen mit Kulturen, die wohl in keinem Berufsschulbuch stehen, haben dem Landwirt gezeigt, dass er diese unbekannten Feldfrüchte (meistens) anbauen und gewisse Erträge erzielen kann. Auch das Grundverständnis, wie er bei Null starten muss, ist jetzt vorhanden. Er weiß, wie er an Saatgut kommt, er kriegt es in die Erde und auch wieder heraus.
Der ideenreiche Landwirt schwört auf etwas Geduld. „Eine neue Kultur kriegt bei mir drei Jahre Zeit, um sich zu beweisen.“
Jahr 1:
Im ersten Jahr geht es ums Ausprobieren. Ein Feldversuch muss die generelle Machbarkeit beweisen. Diese erste Hürde konnten Meerrettich und Ingwer schonmal nicht bestehen. Süßkartoffeln, Erdnüsse oder Melonen schon. Meyer beschäftigt sich in dieser Zeit mit der Kultur, was er daraus machen kann und sucht mögliche Märkte im Raum Hamburg und Hannover.
Für die Anbauversuche braucht es von Anfang an eine aussagekräftige Flächengröße. Meyer sagt: „Wenn ich einen Test starte, dann grundsätzlich so, dass ich repräsentative, belastbare Aussagen für einen späteren Anbau im größeren Stil herausziehen kann.“ Die Melonen testete er beispielsweise auf 1 ha. Bei den etwas unberechenbareren Erdnüssen waren es immerhin 200 m² Nettoanbaufläche. „Es kommt auf die Kultur an und ob ich genug Saatgut kriege. Aber nur im Blumentopf testen, bringt nichts“, so Meyer.
Gelingt der Anbau und stimmt das Bauchgefühl, wird im zweiten Jahr optimiert. „Ziel ist natürlich die Steigerung der Erntemenge bei gleichzeitiger Reduzierung meiner Kosten“, sagt Meyer. Vom Anbau über Verarbeitungs- und Vermarktungsideen – alles, was im ersten Jahr stockte, probiert Meyer im zweiten Jahr nochmal. Nur besser.
Für mehr Ertrag muss dabei nicht zwangsläufig die Anbaufläche gesteigert werden. Je nach den Lektionen des ersten Jahres steigert der Landwirt im zweiten Jahr die Pflanzendichte, ändert die Reihenführung oder wählt eine andere Fläche z. B. mit einer besseren Bewässerungstechnik aus. „Ich taste mich über die Zeit an die Kulturführung ran“, sagt Meyer. „Ich würde ja gern konkreter werden, aber da ist viel Bauchgefühl dabei.“
Ihre Meinung ist gefragt!
Haben Sie selbst schonmal einen neuen Betriebszweig, ein neues Standbein aufgebaut? Welche war dabei die größte Hürde? Wie haben Sie die Herausforderungen gemeistert? Was haben Sie daraus gelernt?
Wir behalten uns vor, die spannendsten Zuschriften ggf. gekürzt zu veröffentlichen.
Jahr 3:
Das dritte Jahr entscheidet. Jetzt sollte es kaum mehr offenen Fragen zum Anbau geben. Die Anbaufläche kann gesteigert werden. „Spätestens im dritten Jahr kenne ich meine reellen Kosten und kann mit den echten Preisen in die Vermarktung gehen“, sagt Meyer. Vorher kann der Landwirt sich nur nach den Verkaufspreisen aus dem Handel richten und damit erste Interessenten ansprechen. Aber das passe oft „vorne und hinten nicht“. Kennt Meyer die echten Preise, muss er entweder einen Abnehmer finden, der das zahlt, oder das Produkt weiterveredeln. Das braucht aber häufig noch mehr Zeit. „An den Erdnüssen hänge ich zum Beispiel. Da will ich, dass es gelingt“, sagt Meyer. „Die Kultur würde vermutlich auch noch ein viertes oder fünftes Jahr bekommen, in dem ich draufzahle, ohne dass ich das wieder einstampfe."
Denn eigentlich setzt sich Meyer eine jährliche Budgetobergrenze für neue Versuche von 5.000 €. „Die tun nicht ganz so weh, wenn doch mal etwas schiefgeht“, sagt er. „Überhaupt nicht hilfreich ist im Falle eines Rückschlags die Rechnung, was einem Mais oder ein weiterer Hektar Spargel auf der Versuchsfläche hätte einbringen können.“
Die schwierige Vermarktung
Selbst wenn der Anbau gelingt, können Projekte noch immer an der Vermarktung scheitern. Die braucht Meyers Erfahrung nach Zeit, Geduld und am besten Partner, die ebenfalls Lust haben, Neues auszuprobieren.
Der Spargelbauer genießt als Direktvermarkter den Vorteil guter Kontakte in die regionale Gastronomie. „Ich liefere den Spargel oft persönlich aus. Wenn ich was Neues dabei habe, sagen die Kunden schon: ‚Ah, der Meyer macht wieder was.‘ Die Krux sei nur, nicht direkt Umsätze zu erwarten. „Am Anfang gebe ich Probierpakete raus. Danach rennen die Kunden mir aber nicht die Tür ein.“ Der Landwirt gibt die Ware mehrmals kostenlos ab, damit die Vertriebspartner selbst herumprobieren können. „Da setzt man in den ersten Jahren genau 0 € um“, gibt er zu bedenken. „Aber wer am Markt vorbeiproduziert oder ihn gar flutet, macht vieles kaputt.“
Steffen Meyer verdeutlicht das am Beispiel Süßkartoffeln und erklärt: „Meine Jahreserntemenge beträgt rund 30 t. Aber wenn ich 3 t im Raum Hamburg an zwei bis drei Gemüsehändler verkaufe, dann ist der Markt selbst in einem so großen Ballungsgebiet über Monate gesättigt.“ Im Jahr 2022 startete Meyer mit den Süßkartoffeln und versuchte den Markt langsam aufzubauen. Gleichzeitig sprang damals ein anderer Landwirt auf die Nische auf – produzierte allerdings auf einen Schlag 250 t! „Das war viel zu viel“, sagt Meyer kopfschüttelnd. „Damit hat er die Preise kaputt gemacht.“ Der Großteil der Ernte landete wohl in der Biogasanlage.
2023 konnte dieser Wettbewerber plötzlich keine Ware liefern. Meyer wiederum hatte aufgrund der schlechten Erfahrung auf dem Vorjahr ebenfalls keine Süßkartoffeln angebaut. Die Händler gingen also leer aus. Und das Ende vom Lied? Jetzt, im Jahr 2024, hat sich ein Abnehmer abgesichert und bei Steffen Meyer 20 t Süßkartoffeln zu einem fixen Preis vorbestellt. Aus dem zwischenzeitlich schon gescheiterten Nischenexperiment wurde doch noch ein Vertragsanbau. „Man darf einfach nicht zu früh aufgeben“, so Meyer.
Wertvolle Lektionen
So oder so lernt Meyer jedes Mal dazu. „Die Transferleistung zwischen den Kulturen ist immens“, sagt er. Beispielsweise wusste der Spargelbauer den Anbau im Damm sowohl auf Ingwer als auch auf Süßkartoffeln und später auf Erdnüsse zu übertragen. Die sowieso vorhandene Spargeldammfräse eignet sich für alle Kulturen.
Außerdem ließen sich die Kulturen, die eigentlich wärmere Temperaturen benötigen, von einer ausrangierten Spargelfolie so täuschen, dass sie allesamt gute Erträge brachten. „Deshalb lese ich mich zur Vorbereitung nicht allzu tief in eine neue Kultur ein“, verrät Meyer. „Das demotiviert mich sonst.“ Hätte er auf die Angaben zu den Optimalbedingungen von Ingwer, Melone oder Süßkartoffel gehört, hätte er den Anbau wahrscheinlich gleich gelassen.
„Man muss über den Hof laufen und schauen, was man schon da hat – und wie man das auf andere Ideen übertragen kann“, rät der Landwirt. So richtet sich die Wahl des nächsten Anbauexperimentes immer auch danach, welche Infrastruktur und welche Ausstattung er nutzen kann, ohne neu investieren zu müssen. Für die Ernte der Süßkartoffeln modifizierte der Landwirt beispielsweise einen Tulpenvollernter aus Holland. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass der dieses Jahr auch bei den Erdnüssen funktioniert“, sagt Meyer.
„Außerdem suche ich eine Kultur, von der ich alles verarbeiten kann und möglichst viel Wertschöpfung am Hof halte.“ So sollen die Erdnüsse dieses Jahr nicht mehr als gesalzener Snack vermarktet werden, sondern als Öl. „Der Presskuchen geht an einen Eishersteller“, sagt Meyer.
In diesem Jahr wagt er sich an Sesam heran. Diesen kann er entweder unverarbeitet, geröstet oder zu Öl gepresst vermarkten, so die Idee. Ideen hat Steffen Meyer noch einige im Köcher –Angst vor Nachahmern hingegen trotz der Süßkartoffelerfahrung nicht wirklich. Im Gegenteil. Wenn die Landwirte mehr kooperieren würden, glaubt Meyer, könnten sich spannende, regionale Produkte zu vernünftigen Kosten herstellen lassen. „Wenn mich Berufskollegen fragen, halte ich mit meinen Ideen nicht hinterm Berg“, sagt Steffen Meyer. „Um etwas wirklich aus der Nische herauszuheben, dafür brauche ich Mitstreiter.“