Die Betriebe der Agrarbranche sind transformationswillig, aber ohne langfristigen politischen Rückhalt bröckeln die Zukunftsaussichten. Das ergab eine Umfrage des Genoverbandes unter 111 Agrargenossenschaften.
Nicht nur der Bundeshaushalt 2024 führt zu Kritik und Unmut in der Landwirtschaft. So sind 93 % der befragten Agrargenossenschaften auch mit der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union auf Bundesebene "vollkommen" oder "eher" unzufrieden. Auf Landesebene ist die Unzufriedenheit mit 89% nur unwesentlich geringer.
Bürokratie raubt Zeit für eigentliche Arbeit
„Das ist eine deutliche Ohrfeige für die Bundes- und Landespolitik! Die Bürokratie hat überhandgenommen, sodass die Betriebe immer weniger Zeit für ihre eigentliche Arbeit und die Zukunftsentwicklung haben“, sagt Genoverband-Vorstand Marco Schulz. „Auch die Verwaltung ist überfordert. Das Land Sachsen schafft es beispielsweise nicht mehr, die GAP-Zahlungen an die Betriebe rechtzeitig zu leisten“, ergänzt Schulz.
Die Landwirtschaft stünde vor einem großen Wandel und müsste sich den Anforderungen von Politik, Verbrauchern, Gesellschaft, Handelspartnern und verarbeitender Industrie zeitnah anpassen. Dies wie auch der zunehmende bürokratische Aufwand stelle die Betriebe vor enorme Herausforderungen. Für die Transformation der Landwirtschaft, so Schulz, seien Rahmenbedingen und wirtschaftliche Erfolgsaussichten nötig und damit Zeit und Geld.
Immer mehr Anforderungen belasten Wirtschaftlichkeit
Nach der Verbandsumfrage ist es für rund 90 % der befragten Agrargenossenschaften schwierig, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz in der Tierhaltung und der Pflanzenproduktion miteinander zu vereinbaren (Tierhaltung: 61 % sehr herausfordernd, 28 % eher herausfordernd; Pflanzenproduktion: 46 %, 44 % eher herausfordernd).
Bei der (Weiter-)Entwicklung des Betriebs, zum Beispiel bei Maßnahmen zur CO2-Reduzierung oder zur Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten, fühlen sich sogar 98 % der befragten Agrargenossenschaften „ganz und gar nicht“ oder „eher weniger“ von der Landwirtschaftspolitik unterstützt. Der überwiegende Teil der Teilnehmenden sieht überdies den gesamten Berufsstand in Gefahr (50% „trifft voll und ganz zu“, 30% „trifft eher zu“).
Unzufriedenheit nicht unterschätzen
„Das ist ein eindeutiges Alarmsignal! Die Politiker, die über Zukunftsaussichten und Unterstützung der heimischen Landwirtschaft sprechen, sollten sich fragen, warum bei den Betrieben keine Angebote ankommen“, so Genoverband-Vorstand Schulz.
Die mangelnde Unterstützung und Unzufriedenheit, die die große Mehrheit der teilnehmenden Agrargenossenschaften auch bei den Bauernprotesten kritisierten, spiegelt sich deutlich in der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung der Agrargenossenschaften wider: So gehen 34 Prozent der Betriebe von einem Rückgang aus, weitere 59 Prozent sehen maximal eine Stagnation bei der Entwicklung im Jahr 2024, nur 6 Prozent rechnen mit einem Wachstum.
Von der Politik alleingelassen
„Die Agrargenossenschaften zählen mit einem aktuellen Umsatz in Höhe von rund 2,9 Mrd. € und mehr als 20.000 Mitarbeitenden zu den bedeutendsten Arbeitgebern in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands“, betont Schulz. „Doch von der Politik allein gelassen, schwindet der Branche zunehmend die Perspektive.“
Weitere Umfrageergebnisse zeigen, dass die Agrargenossenschaften sich zurzeit darauf konzentrieren, wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Sie setzen 2024 auf Instandhaltung und Ersatzinvestitionen. Neuinvestitionen planen die Branchenvertreter vor allem in Bodenkäufe (49 %). Dem stehen die Pläne der Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg entgegen, den Bodenmarkt durch Agrarstrukturgesetze weiter zu reglementieren. Hierdurch sehen sich die Agrargenossenschaften durch die Missachtung der besonderen Mitgliederstruktur deutlich benachteiligt.
Übrigens: 95% der Befragten sind mit dem Kompromiss zum Agrardiesel unzufrieden!
Quelle: Der Genoverband e.V. hat in einem Zeitraum vom 25.01.2024 bis zum 12.02.2024 eine Befragung unter den Mitgliedern der Fachvereinigung Agrargenossenschaften durchgeführt. An der Umfrage haben sich insgesamt 111 Agrargenossenschaften von knapp 500 Agrargenossenschaften beteiligt.