Agravis-Chef Dirk Köckler fordert mehr wirtschaftliche Realität in der Energie- und Agrarpolitik
Der Vorstandsvorsitzende der Agravis, Köckler, hadert mit der Energie- und Agrarpolitik von Ampel und EU. Aus dem CO2-Fußabdruck von Weizen möchte er ein Geschäftsmodell machen.
Der Vorstandsvorsitzende der Agravis Raiffeisen AG, Dr. Dirk Köckler, fordert mehr wirtschaftspolitischen Realismus von der Bundesregierung und den Entscheidern in der EU. Angesprochen auf den Verkauf der Wärmepumpensparte des hessischen Familienunternehmens Viessmann an einen amerikanischen Konzern rät er davor ab, schon heute über Schlüsseltechnologien von morgen entscheiden zu wollen. Dabei kritisiert er insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck für die Ergebnisse einer „subventionierten Planwirtschaft“. „Wir freuen uns über Markt“, stellte Köckler am Mittwoch vor Fachjournalisten in Hannover klar und forderte, statt Verboten im Heizungskeller oder auf dem Acker wieder Marktanreize nach vorne zu stellen.
Ungemach durch Taxonomie und Green Deal?
Sehr genau verfolgt die Agravis-Gruppe auch die Pläne der Europäischen Zentralbank, unter dem Stichwort „Taxonomie“ die Bereitstellung von Kapital neu zu regeln. Die Einordnung der Agrarbranche als grüner und damit von Zinsaufschlägen bzw. Finanzierungsabsagen betroffener Bereich ist noch offen. „Die Taxonomie darf nicht zu Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung führen“, stellte Köckler klar, und warnte davor, dass beispielsweise schlechtere Zinssätze für konventionelle Ställe zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Betriebe führen könnten.
Ein weiteres Beispiel, das Agravis kritisch im Fokus hat, ist die politische Wirkrichtung der angestrebten Klimaneutralität in Brüssel und Berlin. „Sie ist richtig für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel. Mit dem Ausrufen und Postulieren einer 30 %-Öko-Landwirtschaft, einem 80 %-Abbauziel von Pflanzenschutz, einem Ende von Biodiesel und Bioethanol können Landwirtschaft und Agrarhandel allerdings nichts anfangen“, erklärte Köckler und wurde deutlich: „Eine pauschale Verbotspolitik und Reglementierung, eine ideologisch geprägte Klientelpolitik hilft uns überhaupt nicht weiter. Statt Verbotspolitik bieten wir Marktwirtschaft mit innovativ-nachhaltigen Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.“
Klares Bekenntnis zur Tierhaltung und dem ländlichen Raum
Köckler, der selbst in einem Mehrgenerationenhaushalt auf einem landwirtschaftlichen Betrieb lebt, bekannte sich klar zur Tierhaltung in Deutschland, modernen Pflanzenschutz und den ländlichen Raum. „Der ländliche Raum ohne eine nachhaltige Landwirtschaft wird nicht funktionieren. Oder anders: Ich kann und ich möchte mir den ländlichen Raum in Deutschland nicht ohne Landwirtschaft vorstellen“, sagte Köckler. „Landwirtschaft und Agrarhandel sind Stützen des ländlichen Raumes. Und es ist unsere Aufgabe, dies weiterhin anschaulich zu vermitteln – ohne Konfrontationen, ohne Parallelwelten zwischen urban und ländlich, aber mit dem klaren Fokus auf unsere Kinder und Enkel in Landwirtschaft und im vor- und nachgelagerten Bereich.“
Verbrenner weiterhin gefragt
In puncto Energieversorgung von Produktion und Mobilität verwundert den Vorstandsvorsitzenden ein öffentlicher Schiefstand in der Beschreibung der Faktenlage. „Wir blicken bis dato nicht auf einen Boom der E-Mobilität, sondern vielmehr auf Höchstmarken im Verkauf von fossilen Treib- und Brennstoffen. Gern haben wir bei zahlreichen Industriebetrieben die teilweise schon in Vergessenheit geratenen Heizöltanks aufgefüllt. Auch bei den Endverbrauchern sorgen wir für verfügbare und bezahlbaren Energie: Egal, ob Heizöl, Propangas, Holzpellets oder selbst produziertes Bio-Methan aus unserem Werk in Dorsten, das bilanziell ca. zwei Drittel [SM2] des Eigenbedarfs von ca. 130 GWh p.a. abdeckt.“
Köckler geht auch mittelfristig nach wie vor von einer durch Verbrennermotoren dominierten Mobilitätsstruktur aus, wenn es heißt, „zwischen Klein Berssen, Lüchow, Schwedt, Trebsen und Bad Berleburg Schütt- und Stückgut pünktlich und effizient zu liefern.“ Er erklärte: „Wir glauben an eine kluge, hybride Infrastruktur von Antriebstechniken, in die wir die Standortstruktur des genossenschaftlichen Verbundes im ländlichen Raum einbringen können. Vom Biomethan aus Wirtschaftsdünger über Solar und Windenergie bis zu Biodiesel und Ethanol sind wir gern Teil einer marktwirtschaftlichen Lösung. Diese muss aber Entwicklungen in Europa und in der Welt im Blick behalten.“
CO2-Fußabdruck von Weizen als Geschäftsmodell
Als eines von vielen Beispielen für innovative Ansätze, die auf den Klima- und Umweltschutz, aber auch auf die Einkommen der Betriebe einzahlen können, nannte Köckler den Einsatz von Nitrifikations-Inhibitoren. Er rechnete vor, dass sich beim Weizen rund 30 kg Stickstoff pro Hektar und die entsprechenden Treibhausgase einsparen und gleichzeitig der Proteingehalt steigern ließe.
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Der Vorstandsvorsitzende der Agravis Raiffeisen AG, Dr. Dirk Köckler, fordert mehr wirtschaftspolitischen Realismus von der Bundesregierung und den Entscheidern in der EU. Angesprochen auf den Verkauf der Wärmepumpensparte des hessischen Familienunternehmens Viessmann an einen amerikanischen Konzern rät er davor ab, schon heute über Schlüsseltechnologien von morgen entscheiden zu wollen. Dabei kritisiert er insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck für die Ergebnisse einer „subventionierten Planwirtschaft“. „Wir freuen uns über Markt“, stellte Köckler am Mittwoch vor Fachjournalisten in Hannover klar und forderte, statt Verboten im Heizungskeller oder auf dem Acker wieder Marktanreize nach vorne zu stellen.
Ungemach durch Taxonomie und Green Deal?
Sehr genau verfolgt die Agravis-Gruppe auch die Pläne der Europäischen Zentralbank, unter dem Stichwort „Taxonomie“ die Bereitstellung von Kapital neu zu regeln. Die Einordnung der Agrarbranche als grüner und damit von Zinsaufschlägen bzw. Finanzierungsabsagen betroffener Bereich ist noch offen. „Die Taxonomie darf nicht zu Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung führen“, stellte Köckler klar, und warnte davor, dass beispielsweise schlechtere Zinssätze für konventionelle Ställe zu wirtschaftlichen Nachteilen für die Betriebe führen könnten.
Ein weiteres Beispiel, das Agravis kritisch im Fokus hat, ist die politische Wirkrichtung der angestrebten Klimaneutralität in Brüssel und Berlin. „Sie ist richtig für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel. Mit dem Ausrufen und Postulieren einer 30 %-Öko-Landwirtschaft, einem 80 %-Abbauziel von Pflanzenschutz, einem Ende von Biodiesel und Bioethanol können Landwirtschaft und Agrarhandel allerdings nichts anfangen“, erklärte Köckler und wurde deutlich: „Eine pauschale Verbotspolitik und Reglementierung, eine ideologisch geprägte Klientelpolitik hilft uns überhaupt nicht weiter. Statt Verbotspolitik bieten wir Marktwirtschaft mit innovativ-nachhaltigen Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.“
Klares Bekenntnis zur Tierhaltung und dem ländlichen Raum
Köckler, der selbst in einem Mehrgenerationenhaushalt auf einem landwirtschaftlichen Betrieb lebt, bekannte sich klar zur Tierhaltung in Deutschland, modernen Pflanzenschutz und den ländlichen Raum. „Der ländliche Raum ohne eine nachhaltige Landwirtschaft wird nicht funktionieren. Oder anders: Ich kann und ich möchte mir den ländlichen Raum in Deutschland nicht ohne Landwirtschaft vorstellen“, sagte Köckler. „Landwirtschaft und Agrarhandel sind Stützen des ländlichen Raumes. Und es ist unsere Aufgabe, dies weiterhin anschaulich zu vermitteln – ohne Konfrontationen, ohne Parallelwelten zwischen urban und ländlich, aber mit dem klaren Fokus auf unsere Kinder und Enkel in Landwirtschaft und im vor- und nachgelagerten Bereich.“
Verbrenner weiterhin gefragt
In puncto Energieversorgung von Produktion und Mobilität verwundert den Vorstandsvorsitzenden ein öffentlicher Schiefstand in der Beschreibung der Faktenlage. „Wir blicken bis dato nicht auf einen Boom der E-Mobilität, sondern vielmehr auf Höchstmarken im Verkauf von fossilen Treib- und Brennstoffen. Gern haben wir bei zahlreichen Industriebetrieben die teilweise schon in Vergessenheit geratenen Heizöltanks aufgefüllt. Auch bei den Endverbrauchern sorgen wir für verfügbare und bezahlbaren Energie: Egal, ob Heizöl, Propangas, Holzpellets oder selbst produziertes Bio-Methan aus unserem Werk in Dorsten, das bilanziell ca. zwei Drittel [SM2] des Eigenbedarfs von ca. 130 GWh p.a. abdeckt.“
Köckler geht auch mittelfristig nach wie vor von einer durch Verbrennermotoren dominierten Mobilitätsstruktur aus, wenn es heißt, „zwischen Klein Berssen, Lüchow, Schwedt, Trebsen und Bad Berleburg Schütt- und Stückgut pünktlich und effizient zu liefern.“ Er erklärte: „Wir glauben an eine kluge, hybride Infrastruktur von Antriebstechniken, in die wir die Standortstruktur des genossenschaftlichen Verbundes im ländlichen Raum einbringen können. Vom Biomethan aus Wirtschaftsdünger über Solar und Windenergie bis zu Biodiesel und Ethanol sind wir gern Teil einer marktwirtschaftlichen Lösung. Diese muss aber Entwicklungen in Europa und in der Welt im Blick behalten.“
CO2-Fußabdruck von Weizen als Geschäftsmodell
Als eines von vielen Beispielen für innovative Ansätze, die auf den Klima- und Umweltschutz, aber auch auf die Einkommen der Betriebe einzahlen können, nannte Köckler den Einsatz von Nitrifikations-Inhibitoren. Er rechnete vor, dass sich beim Weizen rund 30 kg Stickstoff pro Hektar und die entsprechenden Treibhausgase einsparen und gleichzeitig der Proteingehalt steigern ließe.