Agri-PV im Solarpaket: Totale Überförderung oder nötige Anschubfinanzierung?
Die Vergütung von bis zu 9,5 ct/kWh ist eine Überförderung, kritisiert Solarberater Ralf Schnitzler. Agri-PV-Experte Axel Pustet sieht darin dagegen eine wichtige Anschubfinanzierung.
Seit April 2024 ist das Solarpaket I in Kraft. Damit verbunden ist eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Es sieht u.a. für bestimmte Agri-Photovoltaikanlagen (kurz: Agri-PV-Anlagen) eine neue Förderung in Höhe von ca. 9,3 ct/kWh vor. Diese Vergütung gilt für Anlagen unter 1 MW installierter Leistung. Sie müssen zudem der Kategorie 1 der Vornorm DinSpec 91434 angehören oder senkrecht ausgerichtete Solaranlagen mit einer lichten Höhe von 0,80 m sein.
Die Regelung ist nicht unumstritten. Hier zwei Meinungen dazu:
„Bei fast 9,5 ct/kWh Einspeisevergütung sind Agri-PV-Anlagen – trotz höherer Bau- und Betriebskosten pro Kilowatt als normale Photovoltaik-Freiflächenanlagen – extrem rentabel zu betreiben. Erst recht, wenn sie im sonnenreichen Bayern oder in Baden-Württemberg stehen. Einfacher wird es zusätzlich dadurch, dass Agri-PV-Anlagen als privilegierte Bauvorhaben gelten, wenn sie hofnah oder im 200 m-Streifen entlang von Autobahnen und mehrgleisigen Eisenbahnen errichtet werden. Bei der Planung des “Solarpakets 1” im Frühjahr 2023 hatte man höhere Kosten für solche Anlagen angesetzt. Nun sind aber die Preise für Solarmodule von Februar 2023 bis zum Mai 2024 um mehr als 65 % gesunken.
Das wusste der Gesetzgeber in diesem Frühjahr schon und hätte es ändern können. Wenn also Anlagenentwickler, Projektierer, Investoren und Landwirte jetzt scharf nachdenken würden und neben eigenen betriebswirtschaftlichen Interessen auch das Gemeinwohl in den Blick nähmen, dann könnten sie sich fragen, ob es moralisch einwandfrei ist, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Denn höhere Strompreise belasten eher ärmere Haushalte, denen höhere Energiekosten mehr weh tun. Energieintensive Industrien werden bei höheren Energiepreisen tendenziell noch schneller aus Deutschland abwandern und damit gehen gute Arbeitsplätze verloren. Das kann ich nicht wollen, weil es darüber hinaus die Akzeptanz der Energiewende torpediert. Zudem ist die Agri-PV selbst aus Gründen der Lebensmittelsicherheit nicht notwendig. Wie sollen Agri-Photovoltaik-Anlagen in einer ausgeräumten Agrarlandschaft eine gute Basis für mehr Biodiversität bieten, wenn sie intensiv bewirtschaftet werden müssen, um die notwendigen Referenzerträge zu erwirtschaften? Und warum werden überhaupt noch Photovoltaik-Anlagen gefördert, die viel teurer sind als “normale” Solarparks? Damit meine ich nicht nur Agri-Photovoltaik, sondern auch Dach-Photovoltaik, Moor-Photovoltaik, Parkplatz-Photovoltaik.
„Anschubfinanzierung für zwei Jahre“
Axel Pustet, Agri-PV-Experte und Geschäftsführer der Firma axess solar, die Landwirte zu Agri-PV berät:
„Die EEG-Vergütung für Agri-PV-Anlagen bis 1 MW ist eine sinnvolle Anschubfinanzierung, weil sie eine richtige und effizienzsteigernde PV-Technologie befördert: nämlich Tracker. 200 bis 300 Anlagen, die mit dem 1 MW-Programm für Agri-PV nächstes Jahr errichtet werden könnten, sind gesamtwirtschaftlich durchaus zu verkraften. Wir sprechen bei 15 – 25 Mio. Euro über verhältnismäßig kleine Beträge, im Vergleich zu aktuell 8,8 Mrd. Euro EEG-Kosten insgesamt. Abzusehen ist bereits, dass die Vergütung ab 2026 deutlich sinken wird, und somit auch die Kosten für das EEG-Konto. Die beschriebene, moderate Anschubfinanzierung wird große positive Auswirkungen haben, weil Sie Trackersysteme in Deutschland in die Breite bringt.
Trackersysteme, die tagsüber dem Sonnenstand folgen, vermeiden die Mittagsspitze bei der Einspeisung und erzeugen morgens und abends deutlich mehr Strom als eine südaufgeständerte PV-Anlage. So passen sie viel besser zur Stromnachfrage, vermeiden Speicherkosten und verringern die Zeiten mit negativen Strompreisen bei gleichzeitig deutlich höheren Jahreserträgen.
Die Einspeisevergütung für Agri-PV-Strom aus diesen kleinen Anlagen landet nicht bei Konzernen, sondern in der Landwirtschaft oder bei Bürgergesellschaften, was lokale und dezentrale Wertschöpfung steigert.
Wenn der Einspeisepunkt der limitierende Faktor für den Bau der Solaranlage ist, sind Tracker immer sinnvoll und in Punkto Wirtschaftlichkeit fest aufgeständerten Systemen überlegen. Wenn die Modulpreise wieder ansteigen, dann spielt der höhere Preis für Tracker wiederum eine kleinere Rolle und wird durch die deutlich höheren Erträge mehr als ausgeglichen.
Natürlich gibt es auch noch andere Agri-PV Systeme. Diese werden Wege finden müssen, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. Zaun-Systeme werden wegen der außergewöhnlichen Ertragskurve vielleicht attraktiv bleiben, Überdachungen von Sonderkulturen, z.B. im Obstbau, werden sich durch deutlichen Zusatznutzen in der Landwirtschaft (Hagelschutz, Sonnenschutz, etc.) refinanzieren müssen.
Auch wenn die Einspeisevergütung mit mehr als 9 Cent pro kWh hoch aussieht, zeigt unsere tägliche Praxis, dass sie momentan durchaus notwendig ist, vor allem in Regionen, die nicht so sonnenreich sind wie Süddeutschland, ich denke da z.B. an das nördliche NRW, wo unser Partnerunternehmen visioneere tätig ist.
Somit sind für uns die aktuell 9,36 Cent/kWh für Kleinanlagen im Sinne der dezentralen Energiewende sinnvoll, aber auch ein klarer Weg zu geringeren Vergütungen im Bereich der Großanlagen. Südaufgeständerte Anlagen machen langfristig wenig Sinn, die Doppelnutzung für Landwirtschaft und Energieerzeugung auf einer Fläche hingegen sehr wohl.
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Seit April 2024 ist das Solarpaket I in Kraft. Damit verbunden ist eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Es sieht u.a. für bestimmte Agri-Photovoltaikanlagen (kurz: Agri-PV-Anlagen) eine neue Förderung in Höhe von ca. 9,3 ct/kWh vor. Diese Vergütung gilt für Anlagen unter 1 MW installierter Leistung. Sie müssen zudem der Kategorie 1 der Vornorm DinSpec 91434 angehören oder senkrecht ausgerichtete Solaranlagen mit einer lichten Höhe von 0,80 m sein.
Die Regelung ist nicht unumstritten. Hier zwei Meinungen dazu:
„Bei fast 9,5 ct/kWh Einspeisevergütung sind Agri-PV-Anlagen – trotz höherer Bau- und Betriebskosten pro Kilowatt als normale Photovoltaik-Freiflächenanlagen – extrem rentabel zu betreiben. Erst recht, wenn sie im sonnenreichen Bayern oder in Baden-Württemberg stehen. Einfacher wird es zusätzlich dadurch, dass Agri-PV-Anlagen als privilegierte Bauvorhaben gelten, wenn sie hofnah oder im 200 m-Streifen entlang von Autobahnen und mehrgleisigen Eisenbahnen errichtet werden. Bei der Planung des “Solarpakets 1” im Frühjahr 2023 hatte man höhere Kosten für solche Anlagen angesetzt. Nun sind aber die Preise für Solarmodule von Februar 2023 bis zum Mai 2024 um mehr als 65 % gesunken.
Das wusste der Gesetzgeber in diesem Frühjahr schon und hätte es ändern können. Wenn also Anlagenentwickler, Projektierer, Investoren und Landwirte jetzt scharf nachdenken würden und neben eigenen betriebswirtschaftlichen Interessen auch das Gemeinwohl in den Blick nähmen, dann könnten sie sich fragen, ob es moralisch einwandfrei ist, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Denn höhere Strompreise belasten eher ärmere Haushalte, denen höhere Energiekosten mehr weh tun. Energieintensive Industrien werden bei höheren Energiepreisen tendenziell noch schneller aus Deutschland abwandern und damit gehen gute Arbeitsplätze verloren. Das kann ich nicht wollen, weil es darüber hinaus die Akzeptanz der Energiewende torpediert. Zudem ist die Agri-PV selbst aus Gründen der Lebensmittelsicherheit nicht notwendig. Wie sollen Agri-Photovoltaik-Anlagen in einer ausgeräumten Agrarlandschaft eine gute Basis für mehr Biodiversität bieten, wenn sie intensiv bewirtschaftet werden müssen, um die notwendigen Referenzerträge zu erwirtschaften? Und warum werden überhaupt noch Photovoltaik-Anlagen gefördert, die viel teurer sind als “normale” Solarparks? Damit meine ich nicht nur Agri-Photovoltaik, sondern auch Dach-Photovoltaik, Moor-Photovoltaik, Parkplatz-Photovoltaik.
„Anschubfinanzierung für zwei Jahre“
Axel Pustet, Agri-PV-Experte und Geschäftsführer der Firma axess solar, die Landwirte zu Agri-PV berät:
„Die EEG-Vergütung für Agri-PV-Anlagen bis 1 MW ist eine sinnvolle Anschubfinanzierung, weil sie eine richtige und effizienzsteigernde PV-Technologie befördert: nämlich Tracker. 200 bis 300 Anlagen, die mit dem 1 MW-Programm für Agri-PV nächstes Jahr errichtet werden könnten, sind gesamtwirtschaftlich durchaus zu verkraften. Wir sprechen bei 15 – 25 Mio. Euro über verhältnismäßig kleine Beträge, im Vergleich zu aktuell 8,8 Mrd. Euro EEG-Kosten insgesamt. Abzusehen ist bereits, dass die Vergütung ab 2026 deutlich sinken wird, und somit auch die Kosten für das EEG-Konto. Die beschriebene, moderate Anschubfinanzierung wird große positive Auswirkungen haben, weil Sie Trackersysteme in Deutschland in die Breite bringt.
Trackersysteme, die tagsüber dem Sonnenstand folgen, vermeiden die Mittagsspitze bei der Einspeisung und erzeugen morgens und abends deutlich mehr Strom als eine südaufgeständerte PV-Anlage. So passen sie viel besser zur Stromnachfrage, vermeiden Speicherkosten und verringern die Zeiten mit negativen Strompreisen bei gleichzeitig deutlich höheren Jahreserträgen.
Die Einspeisevergütung für Agri-PV-Strom aus diesen kleinen Anlagen landet nicht bei Konzernen, sondern in der Landwirtschaft oder bei Bürgergesellschaften, was lokale und dezentrale Wertschöpfung steigert.
Wenn der Einspeisepunkt der limitierende Faktor für den Bau der Solaranlage ist, sind Tracker immer sinnvoll und in Punkto Wirtschaftlichkeit fest aufgeständerten Systemen überlegen. Wenn die Modulpreise wieder ansteigen, dann spielt der höhere Preis für Tracker wiederum eine kleinere Rolle und wird durch die deutlich höheren Erträge mehr als ausgeglichen.
Natürlich gibt es auch noch andere Agri-PV Systeme. Diese werden Wege finden müssen, um wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben. Zaun-Systeme werden wegen der außergewöhnlichen Ertragskurve vielleicht attraktiv bleiben, Überdachungen von Sonderkulturen, z.B. im Obstbau, werden sich durch deutlichen Zusatznutzen in der Landwirtschaft (Hagelschutz, Sonnenschutz, etc.) refinanzieren müssen.
Auch wenn die Einspeisevergütung mit mehr als 9 Cent pro kWh hoch aussieht, zeigt unsere tägliche Praxis, dass sie momentan durchaus notwendig ist, vor allem in Regionen, die nicht so sonnenreich sind wie Süddeutschland, ich denke da z.B. an das nördliche NRW, wo unser Partnerunternehmen visioneere tätig ist.
Somit sind für uns die aktuell 9,36 Cent/kWh für Kleinanlagen im Sinne der dezentralen Energiewende sinnvoll, aber auch ein klarer Weg zu geringeren Vergütungen im Bereich der Großanlagen. Südaufgeständerte Anlagen machen langfristig wenig Sinn, die Doppelnutzung für Landwirtschaft und Energieerzeugung auf einer Fläche hingegen sehr wohl.