ALDI stellt sein Frischfleisch-Sortiment bis 2030 konsequent auf die höheren Tierwohl-Haltungsformen 3 und 4 um. „Wir geben heute ein großes Versprechen ab“, sagt Erik Döbele, Managing Director Corporate Buying bei ALDI SÜD zusammen mit seinem Kollegen Tobias Heinbockel, Managing Director Category Management bei ALDI Nord.
„So schwer es auch wird, wir glauben daran, das Richtige zu tun: für Tierwohl, für nachhaltiges Wirtschaften, für unsere Kunden und aus Überzeugung.”
Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) haben sich die Deutschen in 2020 deutlich häufiger für Bio-Fleisch entschieden als im Vorjahr. „Der steigende Umsatz mit nachhaltig erzeugter Ware zeigt, dass unsere Kunden bereit sind für einen Bewusstseinswandel“, sagt Tobias Heinbockel. „ALDI tritt den Beweis an, dass ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und Nachhaltigkeit sich keineswegs ausschließen.“
Der konkrete Plan
ALDI wird als erster großer Lebensmittelhändler Frischfleisch aus Außenklima- und Bio-Haltung (Haltungsformen 3 & 4) für alle seine Kunden zu einer Selbstverständlichkeit machen. Die folgenden Schritte umfassen die größten Nutztiergruppen Rind, Schwein, Hähnchen und Pute, ausgenommen (internationale) Spezialitäten und Tiefkühlartikel:
- Schon in diesem Jahr: 15 % des Frischfleisch-Umsatzes* aus den Haltungsformen 3 und 4.
- Bis 2025: Vollständiger Verzicht auf Haltungsform 1
- Bis 2026: 33 % aus den Haltungsformen 3 und 4*
- Bis 2030 stellt ALDI bei diesen Tierarten vollständig auf Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 um.
*bezogen auf den Umsatz (Durchschnitt ALDI Nord und ALDI SÜD) in Deutschland
Der Markt ist global und komplex
„Wir werden oft gefragt: Warum schafft ihr konventionelles Frischfleisch nicht einfach sofort ab? Ihr seid doch so ein großer Laden. Doch so einfach ist es nicht“, sagt Erik Döbele. Der Fleischmarkt ist ein globales Geschäft mit vielen komplexen Strukturen und Parteien, die sich nicht von heute auf morgen ändern können.
Rund 90 % der deutschen Landwirte produzieren heute auf konventionelle Art und Weise. „Das ALDI Tierwohlversprechen hat eine Tragweite, der wir uns bewusst sind“, sagt Erik Döbele. „Mehr Tierwohl in der Breite bedeutet hohe Investitionen für Landwirte und die Umstellung eines Marktes, der die letzten Jahrzehnte nur eine Richtung kannte: Mehr Quantität. Trotz der Komplexität verstehen wir es als unsere Aufgabe, hoffentlich eine gesellschaftliche Veränderung zu mehr Tierwohl zu initiieren – darum auch unsere zentrale Botschaft #haltungswechsel. Für einen deutlichen Ausbau von Außenklima- und Bio-Haltung braucht es verlässliche Perspektiven und Abnahmemengen für Erzeuger und Verarbeiter.“
ALDI Nord und ALDI SÜD wollen den Landwirten mit dieser Entscheidung ein wichtiges Signal geben: Die Discounter verstehen sich ausdrücklich als Partner in der Wertschöpfungskette. „Wir geben Landwirten und Verarbeitern über Jahre hinaus Planungssicherheit und schaffen einen starken, langfristig verlässlichen Absatzkanal für Tierwohl-Haltungsformen deutscher Landwirte. Gleichzeitig möchten wir an Politik, Handel und Industrie appellieren, gemeinsam mit uns an einem der bedeutsamsten Transformationsprojekte – der Zukunftssicherung der deutschen Landwirtschaft – mitzuarbeiten“ sagt Tobias Heinbockel. „Wir hoffen, dass unsere Mitbewerber hier schnell mit ähnlichen Plänen nachziehen.”
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REWE will bis 2030 voll auf Stufen 3 und 4 umschwenken
Durch den Vorstoß von Aldi genötigt sah sich am Freitag Hans-Jürgen Moog, Bereichsvorstand Einkauf der REWE Group. Er betonte, dass sein Unternehmen den Weg zu mehr Tierwohl schon vor zehn Jahren eingeschlagen habe und seit 2019 sämtliches Eigenmarken-Geflügelfrischfleisch auf Haltungsformstufe 2 und höher umgestellt habe. Schweinefleisch soll jetzt ab Juli folgen.
Bis Ende 2030 strebten REWE und PENNY an, im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment (Schwein, Rind und Geflügel) ausschließlich Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten, informierte Moog.
Schon heute biete REWE vor allem im Bereich seiner Frischetheken zahlreiche regionale Fleischprogramme an, hebt er hervor. Beispiele hierfür seien unter anderem die Strohschwein-Programme, die die Kriterien der Haltungsform Stufe 3 (in Bayern) und 4 (in Nordrhein-Westfalen) erfüllen. Im Bereich Bio-Fleisch habe REWE zudem seit 10 Jahren mit Naturland einen starken Partner für die Erzeugung und Verarbeitung biologischer Lebensmittel an seiner Seite. Im Frischfleischbereich würden alle REWE Bio Produkte das Naturland Zeichen tragen. Das Eigenmarkensortiment werde ergänzt durch Markenfleischprogramme, wie Geflügelprodukte der Marke "Nature & Respect" (Haltungsform Stufe 3).
REWE und PENNY werden ab Juli zudem auch verarbeitete Eigenmarkenprodukte (Wurstwaren, Convenience, Konserven und ausgewähltes TK) sukzessive auf ITW Standard und somit die Haltungsform 2 umstellen - bis Ende 2025 sollen 50 % des verarbeiteten Sortiments mindestens der Haltungsform 2 entsprechen."
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Rukwied bleibt skeptisch
„Den Worten müssen nun auch Taten folgen", kommentiert DBV-Präsident Joachim Rukwied. Die Haltungsstufen 3 und 4 sind seiner Meinung nach aktuell eine absolute Marktnische. "Wenn das Angebot in diesem Segment weiterentwickelt werden soll, sind in der Tierhaltung massive Investitionen und vor allem langfristige und verlässliche Liefervereinbarungen erforderlich. Aber offensichtlich ist der Lebensmitteleinzelhandel nun bereit, auch im Einkauf erhebliche Summen aufzuwenden, um mehr Tierwohl angemessen zu honorieren."
Daran habe es laut Rukwied bisher häufig gefehlt, wie der Preisdruck der zurückliegenden Wochen ein weiteres Mal bewiesen hat. Glaubwürdig werde diese Ankündigung nur, wenn auch Verarbeitungsware und Fleischerzeugnisse mit einbezogen werden.
"Wir sind gespannt, wie Aldi sich das vorstellt. Ohne Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung und ohne Überwindung der politischen Blockade beim Tierwohlvorrang im Baurecht dürfte aus dieser Idee ohnehin nichts werden, weil die erforderlichen Angebotsmengen nicht bereitgestellt werden können.“
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ISN: Betriebe wollen umbauen, dürfen aber nicht
ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack wertet die Ziele als äußerst ambitioniert. Nicht, weil die deutschen Schweinehalter nicht wollen, sondern weil ganz einfach die genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Umstellung derzeit noch nicht passen, betont er. Gerade die Umstellung zu den höheren Haltungsstufen erfordere nämlich meist erhebliche Umbauten der Ställe mit entsprechend notwendigen Genehmigungen, die die Landwirte derzeit in der Regel dafür nicht bekommen. "Die Schweinehalter werden also schlichtweg ausgebremst", so Staack.
Die Wirtschaft geht voran und die Politik kommt mit den notwendigen Rahmenbedingungen längst nicht mehr hinterher, um den Weg zu mehr Tierwohl freizumachen, bedauert der Geschäftsführer. "Und weil die deutschen Schweinehalter derart ausgebremst werden, ist auch das gleichzeitige Bekenntnis des Lebensmitteleinzelhandels zur heimischen Erzeugung so wichtig. Es wäre alles andere als nachhaltig, wenn das Fleisch aus den höheren Haltungsstufen – oder die dafür benötigten Ferkel - zukünftig aus anderen Ländern kommt."
Staack weist auch darauf hin, dass die Umstellung der Ställe nicht zum Nulltarif geht, sondern erheblich höhere Erlöse für die Bauern erforderten. "Die Preise sind ruinös und die Betriebe schreiben tiefrote Zahlen. Der Verlust je Schwein beträgt derzeit mindestens 30 €!"
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Tierschutzbund: Bringt Bauern Planungssicherheit
Lob dafür kommt von Thomas Schröder, dem Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes. Aus seiner Sicht ist die derzeit geltende gesetzliche Grundlage zur Haltung von Tieren in der Landwirtschaft nicht ausreichend, um den Tierschutz in den Ställen sicherzustellen. Daher sei es nur konsequent, auf Fleisch aus konventioneller Haltung mit der Haltungsstufe 1 zu verzichten.
"Und dann ist es ebenso konsequent, direkt die nächste Stufe zu überspringen und das Sortiment an Frischfleisch auf die Stufen 3 und 4 umzustellen. Diese Ankündigung bringt auch für Landwirte Planungssicherheit, die jetzt vor Investitionen in den Stallbau stehen und mehr Tierwohl schaffen möchten. Hier ist Aldi dann auch in der Pflicht, höhere Standards mit entsprechenden Verträgen und Preisen zu flankieren", so Schröder.
Seiner Meinung nach zeigt Aldi der Politik, wohin die Reise gehen sollte. Das Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes, dessen Einstiegsstufe mit der Stufe 3 des Handels und in der Premiumstufe mit Stufe 4 gekennzeichnet wird, habe diesen Weg bereits mit Markteintritt vor fast zehn Jahren geebnet.
Entscheidend werde jetzt sein, dass andere Handelsunternehmen diesem Schritt von Aldi folgen und die Politik alles tut, um die Transformation der Tierhaltung aktiv zu begleiten.
Greenpeace: „Das ist ein Meilenstein!“
Auch Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace, zeigt sich erfreut: “Volltreffer - der Discounter-Riese Aldi übernimmt beim Thema Tierwohl die Führung! Aldis Ankündigung ist ein Meilenstein, der der ganzen Branche zeigt, wo es hingehen muss. Da Aldi klar kommuniziert, wann mit der Auslistung der schlechten Haltungsstufen welche Schritte hin zu mehr Tierwohl erfolgen, bekommen Landwirte endlich die nötige Planungssicherheit.“
Sie kritisiert in dem Zusammenhang Edeka. Deutschlands größte Supermarktkette habe bisher noch nicht mal einen Plan für den Ausstieg aus der schlechtesten Haltungsform 1 vorgelegt.
Auch sie wertet es so, dass Aldis ambitionierter Plan die Versäumnisse der Politik entlarvt: Die große Koalition habe es bisher nicht einmal geschafft, die Vorschläge der Borchert-Kommission umzusetzen.
Ostendorff: Ställe jetzt direkt darauf ausrichten
"Wer jetzt einen Stall baut, sollte direkt auf tierwohlgerechte Ställe setzen. Der Markt für Tierwohlfleisch wächst immer dynamischer", kommentiert Friedrich Ostendorff, Agrarsprecher der Grünen.
Niedrige Haltungsstandards haben seiner Überzeugung nach keine Zukunft und werden mittelfristig ausgelistet werden. Auch er wirft Julia Klöckner vor, den Umbau der Tierhaltung in den vergangenen Jahren versäumt zu haben.