Mit zusätzlichen Schweinefleisch-Aktionsartikeln aus deutscher Herkunft wollen Aldi Nord und Süd in den kommenden Wochen den Absatz des Überangebots von Schweinefleisch in Deutschland unterstützen. Das kündigen die beiden Handelsunternehmen am Mittwoch unmittelbar nach dem Schweinegipfel im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) an. Die beiden Discounter bewerten das selbst als ein Bekenntnis zur deutschen Landwirtschaft. Zuvor hatten sie vorübergehend auf Neuausschreibungen bei bestehenden Schweinefleischartikeln verzichtet.
Aldi will Absatz über den Preis in Gang bringen
„Den Absatz von Schweinefleisch zu unterstützen, wird derzeit von vielen Landwirten an uns herangetragen“, sagte der Einkaufsmanager Erik Döbele von Aldi Süd. „Das funktioniert in Deutschland jedoch in erheblichem Umfang nur über den Preis. Wir haben in den letzten Monaten aus unterschiedlichen Gründen die Bewerbung deutlich eingeschränkt. Nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Politik, keine Aktionspreise für Fleisch anzubieten. Viele Experten aus dem Agrarsektor bestätigten jedoch: Die Menge an Schwein muss abverkauft werden, sonst droht ein Kollaps der deutschen Schweinehaltung“, so Döbele weiter.
Wir müssen an einem strukturellen Umdenken arbeiten. - Aldi
Aldi Nord betont in einer Mitteilung, dass die Angebotsaktionen zu einem günstigen Preis und das Stabilhalten des Abnahmepreis für Schwein bei 20 % über Marktniveau nur eine kurzfristige Reaktion bleiben werden. „Die aktuelle Situation zeigt, dass wir mit der gesamten Wertschöpfungskette gemeinsam an einem strukturellen Umdenken arbeiten müssen“, sagte Tobias Heinbockel, Manager bei Aldi Nord. Mit der angekündigten Sortimentsumstellung von Frischfleisch auf die höheren Haltungsformen 3 und 4 habe Aldi kürzlich eine langfristige Perspektive zur Abnahme von höher vergüteter Tierwohl-Ware aufgezeigt, heißt es weiter. Allein könne der Handel den Wandel jedoch nicht gestalten, da nur 30 % des Fleisches über den Lebensmittelhandel vermarktet werde.
Handelsverband setzt auf Koordinationszentrale
Der Handelsverband Deutschland (HDE) setzt derweil komplett auf die mit dem Bauern- und Raiffeisenverband vergangene Woche neu gegründete Koordinationszentrale Handel-Landwirtschaft. Hier könne mit Beteiligten aus allen Bereichen der Lieferkette nach Lösungsansätzen für die Probleme der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe gesucht werden, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.
ISN fordert auch von anderen Händlern Angebotsaktionen
Trotz gedämpfter Erwartungen geht aus Sicht der ISN vom Branchentreffen ein positives Signal aus. Hinsichtlich der kurzfristigen zu ergreifenden Maßnahmen gab es weitgehende Einigkeit unter den Teilnehmern des Branchentreffens, so die ISN in einer ersten Bilanz. Als "erfreulich" bezeichnete ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack auch, dass alle Beteiligten des Gipfels die Bedeutung von kurzfristigen Absatzimpulsen im Lebensmittelhandel sahen. "Natürlich müssen dabei insbesondere Regionale Aspekte und die Herkunft Deutschland eine entscheidende Rolle spielen", so Staack.
Regionale Aspekte und die Herkunft Deutschland müssen eine entscheidende Rolle spielen. - ISN
„Wir fordern nun die Marktbeteiligten im Lebensmittelhandel auf, den Absatz von Schweinefleisch nun kurzfristig entsprechend z.B. über zusätzliche Werbeaktionen für deutsches Schweinefleisch anzukurbeln. Das gilt natürlich nicht nur für das Frischfleisch, sondern genauso für die verarbeiteten Schweinefleischprodukte“, sagte Staack. Die Ankündigung von Aldi für zusätzliche Schweinefleisch-Aktionsartikel begrüßte Staack. „Gut so, weitere Lebensmitteleinzelhändler und insbesondere auch der Großhandel müssen hier schnell nachziehen“, so Staack.
Grüne drängen auf Umsetzung des Borchert-Plans
Die Grünen drängen derweil auf die Umsetzung der Borchert-Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung. „Solange die Afrikanische Schweinepest in Deutschland grassiert, wird der Absatz gestört sein. Auf den Exportmarkt können wir uns nicht allein verlassen. Wenn wir den Umbau der Tierhaltung nach Vorschlägen der Borchert-Kommission jetzt nicht beginnen, wird es bald zu spät sein.“, sagte Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen im Bundestag.
FDP verspricht ein Zukunftspaket
Der FDP-Agrarsprecher Gero Hocker verspricht den Schweinehaltern ein Zukunftspaket. „Die Bundesregierung hat die Schweinehalter auch in der Krise durch zahlreiche Gängelungen und Belastungen immer weiter in die aktuelle Notlage getrieben. Es ist höchste Zeit für ein umfassendes Zukunftspaket für die Tierhalter in Deutschland“, sagte er. Neben Maßnahmen wie Steuererleichterungen und Hilfen in der aktuellen Krise sei es höchste Zeit für eine Garantie für verlässliche Rahmenbedingungen, so Hocker weiter.
Linke spricht vom politischen Offenbarungseid
Die Agrarsprecherin der Linken, Kirsten Tackmann, sieht in den Ergebnissen des Schweinefleischgipfels einen „Mangel an strategischen Überlegungen“, der ernüchternd sei. „Die gigantischen Lagerbestände von 260.000 t Schweinefleisch durch Absatzförderung abbauen zu wollen wird nur begrenzt helfen, wenn der Nachschub nicht deutlich reduziert wird. Und die Bitte an den Lebensmitteleinzelhandel, diese Situation nicht durch Lockangebote auszunutzen, ist ein politischer Offenbarungseid, denn Konzerne sind keine gemeinnützigen Vereine“, sagte Tackmann. Sie hält einen „sozial abgefederten Umbau der Schweinehaltung mit dem Ziel einer landwirtschaftlichen, flächengebundenen und nachfrageorientierten Schweinehaltung“ für dringend nötig.
Greenpeace: Tierzahlen und Konsum reduzieren
Die Umweltorganisation Greenpeace drängte nach dem Gipfel auf eine Reduktion der Tierzahlen. Nur so ließen sich Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht bringen und die Preise stabilisieren, sagte der Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Martin Hofstetter. Um die gesetzlich vorgegebenen Klimaziele für 2045 zu erreichen, dürfe die Zahl der Tiere in der Landwirtschaft nur noch halb so hoch sein wie heute. „Und auch der Konsum wird sich entsprechend verändern müssen. Diese unbequemen Wahrheiten hat die noch amtierende Landwirtschaftsministerin viel zu lange verschwiegen“, so Hofstetter weiter.