Arla: "Wir wollen der Tesla in der Milchwirtschaft sein"
Die europäische Genossenschaftsmolkerei Arla will Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sein. Im Gespräch mit Deutschland-Chefin Lillie Li Valeur über Klimamaßnahmen und den Milchmarkt.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Das vergangene Milchjahr brachte Rekordpreise. Doch nun ist die Auszahlung oft schneller gesunken als erwartet. Ist die Talsohle erreicht, Frau Valeur?
Der Milchmarkt scheint sich zu stabilisieren und wir nähern uns der Talsohle. Die Talfahrt war jedoch absehbar: 2022 lagen die Milchpreise extrem hoch, die Landwirte haben mehr Milch produziert und das Angebot war sehr groß. Gleichzeitig hatten die Menschen hohe Energie- und Lebenshaltungskosten. Daraus resultierte eine niedrige Kaufkraft. Das führte zum Ungleichgewicht: Das Angebot war größer als die Nachfrage. Solchen Phasen folgt immer ein Preisschock. Aktuell sind die Preise deutlich niedriger. Das kurbelt den Markt an und sollte die Nachfrage erhöhen.
Wie viel melken die typischen Milchregionen wie Europa, die USA und Ozeanien gerade?
Die USA steigern die Milchproduktion fortlaufend. Auch, weil sie relativ lax mit Umweltstandards oder CO2-Emissionen umgehen. Die EU ist dagegen Vorreiter bei der Regulierung, wenn es um Umwelt und Nachhaltigkeitsstandards in der Landwirtschaft geht. Langfristig dürfte die Milchproduktion in Deutschland und ganz Europa sinken. Neuseeland und Australien werden immer mehr produzieren, als sie selbst konsumieren. Sie bleiben starke Exportnationen.
Wie ist die internationale Nachfrage?
China kehrt an den Markt zurück. Das belebt das Geschäft. Unsere europäischen Milchpreise waren im vergangenen Jahr so hoch, dass sie für China uninteressant waren. Die aktuell niedrigeren Rohstoffpreise kurbeln den Markt an. Mich würde nicht wundern, wenn die Milchpreise schon bald im Laufe der zweiten Jahreshälfte wieder etwas steigen.
Lillie Li Valeur Seit dem 1. Mai 2022 ist Lillie Li Valeur Deutschland-Chefin der europäischen Molkereigenossenschaft Arla Foods. Mit ihren Positionen als Geschäftsführerin und Group Vice President verantwortet sie Arlas gesamtes Geschäft hierzulande. Die 52-Jährige arbeitete bereits mehr als 18 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Arla. Unter anderem hat sie einen Vertrag mit Starbucks (Lizenzmarke, gekühlter Kaffee) mit einer Laufzeit von 21 Jahren ausgehandelt. Außerdem verantwortete sie Arlas China-Geschäfte. Von 2020 bis 2022 war Valeur CEO bei der in Dänemark ansässigen Good Food Group.
Werfen wir einen Blick auf den Schweinemarkt. Mit der Afrikanischen Schweinepest sind die Erzeugerpreise rasant gefallen. China hat kein Fleisch mehr abgenommen. Müssten wir bei Milch Ähnliches befürchten? Ist unser Milchmarkt abhängig von China?
Nein, wir könnten auch ohne China. Im vergangenen Jahr hatten wir China kaum als Absatzmarkt und hatten Rekordpreise. Wir haben Möglichkeiten, andere Märkte zu erschließen. Hinzu kommt, dass China nie selbst genug Milch produzieren wird. Denn auch China kann nicht nur wachsen und muss sich künftig mit Umweltstandards auseinandersetzen.
Zurück nach Europa: Arla will Vorreiter sein in Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Warum?
Weil es extrem wichtig für unsere Zukunft ist. Und das Einhalten von Nachhaltigkeits- sowie Klimaschutzkriterien schon bald die „Lizenz zum Produzieren“ sein wird. Wir haben uns daher dem 1,5°-Ziel verpflichtet. Wir haben eine Klimaagenda mit ambitionierten Zielen: Bis 2050 wollen wir mit netto null Emissionen produzieren, bereits bis 2030 die Emissionen in unseren Molkereien sowie der eigenen Logistikflotte um 63 % senken und auf den Arla-Höfen pro Kilogramm Milch um 30 %. Deshalb haben wir vor drei Jahren auch den Klimacheck eingeführt.
Wäre eine Branchenlösung nicht sinnvoller als etliche molkereiindividuelle Konzepte?
Man braucht einen Pionier. Hätten wir Tesla nicht, hätten wir keine elektrischen Autos. Arla will sozusagen der Tesla der Milchbranche sein. Man braucht immer jemanden, der vorangeht.
Zahlen und Fakten zu Arla
Arla Foods ist eine europäische Molkereigenossenschaft mit Hauptsitz in Dänemark.
Sie gehört rund 8400 Landwirten aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, Schweden und den Niederlanden.
Das Unternehmen zählt etwa 20 000 Mitarbeiter.
Arla ist in Europa der größte Hersteller von Bioprodukten.
Die Molkerei gehört mit den zwei großen Milchwerken in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern sowie 1400 deutschen Genossenschaftsmitgliedern zu den Top 5 in der Molkereibranche.
Arla ist im deutschen Handel mit Marken wie Buko, Skyr oder Kaergarden sowie Handelsmarken zu finden.
2022 lag der Gesamtumsatz der Arla-Gruppe bei 13,8 Mrd. €. Der Gewinnanteil des Umsatzes betrug 2,8 %.
Die Genossenschaft verfügt über eine Milchmenge von 13,5 Mrd. kg.
Arla unterteilt seine Geschäfte in vier Bereiche: Arla Europa, International, Arla Foods Ingredients (AFI) und Globale Industrieverkäufe (B-B-Rohstoffverkäufe).
Wollen Ihre Mitglieder bei den Nachhaltigkeits- und Klimaschutzauflagen denn auch vorangehen?
Die meisten ja. Europaweit haben 94 % der Milchviehbetriebe am Klimacheck teilgenommen. Dies entspricht 98 % unserer Milchmenge. Deshalb haben wir eine riesige Datenmenge und können den CO2-Fußabdruck unserer Milch bestimmen. Alles, was auf den Höfen passiert, spielt für Nachhaltigkeit sowie Klimaschutz eine Rolle. Wir wissen, welche Stellschrauben wir auf den Betrieben drehen können, um unsere Milch noch nachhaltiger zu machen.
Welche zum Beispiel?
Die Bandbreite ist groß, von der Futtereffizienz über den optimalen Eiweißgehalt in der Futterration bis zum Düngemanagement und dem Einsatz von Grünstrom. Um Maßnahmen in diesen Bereichen zu belohnen, führen wir im Sommer einen neuen Nachhaltigkeitszuschlag ein. Bei dem punktebasierten System stehen in 19 Bereichen 80 Punkte zur Verfügung. Pro Punkt gibt es 0,03 Cent/kg. In der ersten Runde rechnen wir im Durchschnitt mit 40 bis 45 Punkten, derzeit läuft die Datenerfassung noch. Dies entspricht 2,20 bis 2,35 Cent/kg Milch einschließlich des einen Cents für die Teilnahme am Klimacheck. Die Idee dahinter: Wer mehr fürs Klima und die Umwelt leistet, bekommt mehr Milchgeld.
Klingt nicht ganz einfach. Verstehen das alle Mitglieder auf Anhieb?
Wer sich damit befasst, ja. Zugegebenermaßen haben das aber noch nicht alle intensiv getan, zumal die Einreichungsfrist für zusätzliche Dokumente bis Ende Juni läuft. Dementsprechend verstehen noch nicht alle Landwirte die Zusatzzahlungen in allen Details. Daher ist es uns wichtig, unser Milchpreissystem gut und genau zu erklären. Dies tun wir zum Beispiel auf Mitgliederversammlungen und in Webinaren.
Also ist nur die Kommunikation das Problem?
Auf jeden Fall muss unsere Kommunikation an der Stelle noch besser werden. Es ist aber auch noch nicht alles perfekt, gerade bei den Dokumentationen für einzelne Maßnahmen müssen wir noch Erfahrungen gemeinsam mit unseren Landwirten sammeln, bevor die ersten Auszahlungen im Sommer erfolgen. Dafür brauchen wir Erfolgsgeschichten. Allerdings sind wir überzeugt, dass Milchwirtschaft, wenn sie eine Zukunft haben soll, nachhaltiger sein muss. Auch, wenn der Weg dorthin nicht ganz einfach ist.
Der monatliche Milchpreis bei Arla ist im Vergleich zu anderen Molkereien niedriger, die Nachzahlungdafür hoch. Damit sind nicht alle Landwirte einverstanden. Warum machen Sie das so?
Was den monatlichen Milchpreis betrifft: Da ist es nach unserer Auffassung falsch, lediglich auf den Grundpreis zu schauen. Viel aussagekräftiger sind Preise inklusive der Zuschläge zum Beispiel für Qualitätsparameter sowie die langfristigen Perspektiven. Für mich sind die Molkereien gut, die hohe Zuschläge leisten. Denn sie treiben den Wandel an hin zu mehr Nachhaltigkeit und honorieren ihre Erzeuger für diese Zusatzleistungen.
Bei der Nachzahlung garantieren wir unseren Mitgliedern mindestens 1,5 Cent/kg Milch. Die Nachzahlung ist zudem ein wichtiges Element unserer soliden Finanzpolitik, aufgrund derer wir ein Investment Grade Unternehmen sind. Dies ist wichtig für Banken und Anleiheinvestoren. Zudem zeigen die Milchpreisvergleiche der vergangenen Jahre, dass wir im Durchschnitt zu den besten Auszahlern gehören.
Haben denn schon unzufriedene Mitglieder gekündigt?
Jedes Jahr verlassen uns vereinzelt Milcherzeuger aus verschiedenen Gründen und wir gewinnen neue. Das ist normal. Allerdings wollen wir nicht, dass Landwirte gehen, weil sie mit unserer Leistung nicht zufrieden sind oder unser Preissystem nicht verstehen. Daher ist es gerade in herausfordernden Zeiten wichtig, dass wir unsere Genossenschaftsmitglieder mitnehmen und im engen Austausch mit ihnen stehen. Darauf wollen wir einen noch stärkeren Fokus legen.
Unterscheidet sich da die Mentalität von deutschen und skandinavischen Milchviehhaltern?
Nein, Landwirt ist Landwirt. Sie machen jeden Tag ihren harten Job. Aber vor allem tut es eine Generation für die nächste – das ist das Besondere. Ich denke, deutsche Milchviehhalter sind froh, Teil der Arla-Familie zu sein. Sie profitieren von den guten Preisen auf EU-Ebene. Wir haben einen einheitlichen Milchpreis für Landwirte in allen sieben Ländern. Damit gehören wir zu den am besten auszahlenden Molkereien in der EU.
Der Rohstoff Milch wird knapper in der EU. Gibt es künftig eine stärkere Konkurrenz um Milch?
In Deutschland gibt es noch extrem viele Molkereien. Doch sie werden weniger. Und es werden nur die überleben, die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzkonzepte für die Zukunft haben. Für diese Unternehmen reicht die Milch. Wir sind überzeugt, dass die Konsumenten auf Dauer auch nach den Produzenten schauen und darauf achten, wie nachhaltig Unternehmen produzieren. Dann punkten wir.
Werfen wir einen Blick auf den deutschen Markt: Derzeit sinkt der Absatz von Markenprodukten im Einzelhandel, dafür boomen die Eigenmarken des Handels. Ist das ein Problem?
Aktuell geht die gesamte Kategorie der Molkereiprodukte zurück, das ist nie gut. Aber das ist nur eine Periode und hängt mit dem Preisdruck zusammen. Der Absatz der Molkereiprodukte kommt wieder. Und die Marken kommen wieder. Es gibt einen Markt für sie.
Arla produziert eigene Marken und Marken für den Handel. Womit verdienen Sie Geld in Deutschland?
Mit beiden, das muss auch so sein.
Die Genossenschaft FrieslandCampina hat Landliebe gerade an Müllerverkauft, weil ihnen die Marke in Deutschland keinen Spaß gemacht hat.
Um es klar zu sagen: Wir gehen nicht aus dem deutschen Markt. Arla ist in Deutschland, um hier zu bleiben. Und ja, der Aufbau von Marken kostet Geld, aber mit unseren starken Marken verdienen wir Geld. Und die Verbraucher lieben sie, zum Beispiel den Frischkäse Arla Buko, der nun schon seit über 70 Jahren auf dem Markt ist.
Arla ist europaweit der größte Produzent von Biomilch. Wie sieht der Markt für Biomilch aktuell aus?
Der deutsche Markt ist im Biosegment anders als andere. Vor allem im vergangenen Jahr hat Bio gelitten. Verbraucher haben sehr preisbewusst eingekauft. Aber Fakt ist auch, dass der Bioanteil an der gesamten Milchproduktion in Deutschland bei 4 % liegt. Dem steht ein Konsumanteil von 10 % gegenüber. Da ist also noch Luft.
Wir haben in Deutschland etwa 150 Molkereien und fünf große Lebensmitteleinzelhändler. Wie schwer sind Verhandlungen?
Sagen wir so: Sie machen das Leben interessant. Das ist aber in anderen Ländern ähnlich. In Dänemark bestimmen drei Einzelhändler den Markt. Besonders ist in Deutschland aber, dass wir die Preise für beispielsweise Trinkmilch alle sechs Monate verhandeln müssen. Das ist in anderen Ländern nicht so häufig.
Die Molkereien treiben ihre Konzepte voran, der Handel setzt auf seine vier Haltungsstufen und die Politik will ein staatliches Tierhaltungskennzeichen. Geht das alles durcheinander oder in die gleiche Richtung?
Auf Dauer muss es in eine Richtung gehen. Allerdings sorgen die Diskussionen über die staatlichen Haltungskennzeichnung und die Haltungsformen des Handels aktuell schon noch für Irritationen. Auch wenn die Richtung ähnlich ist, passt es noch nicht richtig zusammen.
Wir fokussieren uns auf die Haltungsform 3, das entspricht QM++. Und wir gehen davon aus, dass der CO2-Fußabdruck künftig noch stärker im Handel und bei Verbrauchern im Fokus steht. Die rund 8000 Klimachecks unserer Landwirte zeigen, dass der CO2-Fußabdruck der Milch im Durchschnitt 1,12 CO2äq/kg Milch beträgt. Damit haben wir im Vergleich zum europäischen Durchschnitt einen guten Wert – und eine gute Ausgangslage.
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Dieser Beitrag erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Das vergangene Milchjahr brachte Rekordpreise. Doch nun ist die Auszahlung oft schneller gesunken als erwartet. Ist die Talsohle erreicht, Frau Valeur?
Der Milchmarkt scheint sich zu stabilisieren und wir nähern uns der Talsohle. Die Talfahrt war jedoch absehbar: 2022 lagen die Milchpreise extrem hoch, die Landwirte haben mehr Milch produziert und das Angebot war sehr groß. Gleichzeitig hatten die Menschen hohe Energie- und Lebenshaltungskosten. Daraus resultierte eine niedrige Kaufkraft. Das führte zum Ungleichgewicht: Das Angebot war größer als die Nachfrage. Solchen Phasen folgt immer ein Preisschock. Aktuell sind die Preise deutlich niedriger. Das kurbelt den Markt an und sollte die Nachfrage erhöhen.
Wie viel melken die typischen Milchregionen wie Europa, die USA und Ozeanien gerade?
Die USA steigern die Milchproduktion fortlaufend. Auch, weil sie relativ lax mit Umweltstandards oder CO2-Emissionen umgehen. Die EU ist dagegen Vorreiter bei der Regulierung, wenn es um Umwelt und Nachhaltigkeitsstandards in der Landwirtschaft geht. Langfristig dürfte die Milchproduktion in Deutschland und ganz Europa sinken. Neuseeland und Australien werden immer mehr produzieren, als sie selbst konsumieren. Sie bleiben starke Exportnationen.
Wie ist die internationale Nachfrage?
China kehrt an den Markt zurück. Das belebt das Geschäft. Unsere europäischen Milchpreise waren im vergangenen Jahr so hoch, dass sie für China uninteressant waren. Die aktuell niedrigeren Rohstoffpreise kurbeln den Markt an. Mich würde nicht wundern, wenn die Milchpreise schon bald im Laufe der zweiten Jahreshälfte wieder etwas steigen.
Lillie Li Valeur Seit dem 1. Mai 2022 ist Lillie Li Valeur Deutschland-Chefin der europäischen Molkereigenossenschaft Arla Foods. Mit ihren Positionen als Geschäftsführerin und Group Vice President verantwortet sie Arlas gesamtes Geschäft hierzulande. Die 52-Jährige arbeitete bereits mehr als 18 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei Arla. Unter anderem hat sie einen Vertrag mit Starbucks (Lizenzmarke, gekühlter Kaffee) mit einer Laufzeit von 21 Jahren ausgehandelt. Außerdem verantwortete sie Arlas China-Geschäfte. Von 2020 bis 2022 war Valeur CEO bei der in Dänemark ansässigen Good Food Group.
Werfen wir einen Blick auf den Schweinemarkt. Mit der Afrikanischen Schweinepest sind die Erzeugerpreise rasant gefallen. China hat kein Fleisch mehr abgenommen. Müssten wir bei Milch Ähnliches befürchten? Ist unser Milchmarkt abhängig von China?
Nein, wir könnten auch ohne China. Im vergangenen Jahr hatten wir China kaum als Absatzmarkt und hatten Rekordpreise. Wir haben Möglichkeiten, andere Märkte zu erschließen. Hinzu kommt, dass China nie selbst genug Milch produzieren wird. Denn auch China kann nicht nur wachsen und muss sich künftig mit Umweltstandards auseinandersetzen.
Zurück nach Europa: Arla will Vorreiter sein in Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Warum?
Weil es extrem wichtig für unsere Zukunft ist. Und das Einhalten von Nachhaltigkeits- sowie Klimaschutzkriterien schon bald die „Lizenz zum Produzieren“ sein wird. Wir haben uns daher dem 1,5°-Ziel verpflichtet. Wir haben eine Klimaagenda mit ambitionierten Zielen: Bis 2050 wollen wir mit netto null Emissionen produzieren, bereits bis 2030 die Emissionen in unseren Molkereien sowie der eigenen Logistikflotte um 63 % senken und auf den Arla-Höfen pro Kilogramm Milch um 30 %. Deshalb haben wir vor drei Jahren auch den Klimacheck eingeführt.
Wäre eine Branchenlösung nicht sinnvoller als etliche molkereiindividuelle Konzepte?
Man braucht einen Pionier. Hätten wir Tesla nicht, hätten wir keine elektrischen Autos. Arla will sozusagen der Tesla der Milchbranche sein. Man braucht immer jemanden, der vorangeht.
Zahlen und Fakten zu Arla
Arla Foods ist eine europäische Molkereigenossenschaft mit Hauptsitz in Dänemark.
Sie gehört rund 8400 Landwirten aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, Schweden und den Niederlanden.
Das Unternehmen zählt etwa 20 000 Mitarbeiter.
Arla ist in Europa der größte Hersteller von Bioprodukten.
Die Molkerei gehört mit den zwei großen Milchwerken in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern sowie 1400 deutschen Genossenschaftsmitgliedern zu den Top 5 in der Molkereibranche.
Arla ist im deutschen Handel mit Marken wie Buko, Skyr oder Kaergarden sowie Handelsmarken zu finden.
2022 lag der Gesamtumsatz der Arla-Gruppe bei 13,8 Mrd. €. Der Gewinnanteil des Umsatzes betrug 2,8 %.
Die Genossenschaft verfügt über eine Milchmenge von 13,5 Mrd. kg.
Arla unterteilt seine Geschäfte in vier Bereiche: Arla Europa, International, Arla Foods Ingredients (AFI) und Globale Industrieverkäufe (B-B-Rohstoffverkäufe).
Wollen Ihre Mitglieder bei den Nachhaltigkeits- und Klimaschutzauflagen denn auch vorangehen?
Die meisten ja. Europaweit haben 94 % der Milchviehbetriebe am Klimacheck teilgenommen. Dies entspricht 98 % unserer Milchmenge. Deshalb haben wir eine riesige Datenmenge und können den CO2-Fußabdruck unserer Milch bestimmen. Alles, was auf den Höfen passiert, spielt für Nachhaltigkeit sowie Klimaschutz eine Rolle. Wir wissen, welche Stellschrauben wir auf den Betrieben drehen können, um unsere Milch noch nachhaltiger zu machen.
Welche zum Beispiel?
Die Bandbreite ist groß, von der Futtereffizienz über den optimalen Eiweißgehalt in der Futterration bis zum Düngemanagement und dem Einsatz von Grünstrom. Um Maßnahmen in diesen Bereichen zu belohnen, führen wir im Sommer einen neuen Nachhaltigkeitszuschlag ein. Bei dem punktebasierten System stehen in 19 Bereichen 80 Punkte zur Verfügung. Pro Punkt gibt es 0,03 Cent/kg. In der ersten Runde rechnen wir im Durchschnitt mit 40 bis 45 Punkten, derzeit läuft die Datenerfassung noch. Dies entspricht 2,20 bis 2,35 Cent/kg Milch einschließlich des einen Cents für die Teilnahme am Klimacheck. Die Idee dahinter: Wer mehr fürs Klima und die Umwelt leistet, bekommt mehr Milchgeld.
Klingt nicht ganz einfach. Verstehen das alle Mitglieder auf Anhieb?
Wer sich damit befasst, ja. Zugegebenermaßen haben das aber noch nicht alle intensiv getan, zumal die Einreichungsfrist für zusätzliche Dokumente bis Ende Juni läuft. Dementsprechend verstehen noch nicht alle Landwirte die Zusatzzahlungen in allen Details. Daher ist es uns wichtig, unser Milchpreissystem gut und genau zu erklären. Dies tun wir zum Beispiel auf Mitgliederversammlungen und in Webinaren.
Also ist nur die Kommunikation das Problem?
Auf jeden Fall muss unsere Kommunikation an der Stelle noch besser werden. Es ist aber auch noch nicht alles perfekt, gerade bei den Dokumentationen für einzelne Maßnahmen müssen wir noch Erfahrungen gemeinsam mit unseren Landwirten sammeln, bevor die ersten Auszahlungen im Sommer erfolgen. Dafür brauchen wir Erfolgsgeschichten. Allerdings sind wir überzeugt, dass Milchwirtschaft, wenn sie eine Zukunft haben soll, nachhaltiger sein muss. Auch, wenn der Weg dorthin nicht ganz einfach ist.
Der monatliche Milchpreis bei Arla ist im Vergleich zu anderen Molkereien niedriger, die Nachzahlungdafür hoch. Damit sind nicht alle Landwirte einverstanden. Warum machen Sie das so?
Was den monatlichen Milchpreis betrifft: Da ist es nach unserer Auffassung falsch, lediglich auf den Grundpreis zu schauen. Viel aussagekräftiger sind Preise inklusive der Zuschläge zum Beispiel für Qualitätsparameter sowie die langfristigen Perspektiven. Für mich sind die Molkereien gut, die hohe Zuschläge leisten. Denn sie treiben den Wandel an hin zu mehr Nachhaltigkeit und honorieren ihre Erzeuger für diese Zusatzleistungen.
Bei der Nachzahlung garantieren wir unseren Mitgliedern mindestens 1,5 Cent/kg Milch. Die Nachzahlung ist zudem ein wichtiges Element unserer soliden Finanzpolitik, aufgrund derer wir ein Investment Grade Unternehmen sind. Dies ist wichtig für Banken und Anleiheinvestoren. Zudem zeigen die Milchpreisvergleiche der vergangenen Jahre, dass wir im Durchschnitt zu den besten Auszahlern gehören.
Haben denn schon unzufriedene Mitglieder gekündigt?
Jedes Jahr verlassen uns vereinzelt Milcherzeuger aus verschiedenen Gründen und wir gewinnen neue. Das ist normal. Allerdings wollen wir nicht, dass Landwirte gehen, weil sie mit unserer Leistung nicht zufrieden sind oder unser Preissystem nicht verstehen. Daher ist es gerade in herausfordernden Zeiten wichtig, dass wir unsere Genossenschaftsmitglieder mitnehmen und im engen Austausch mit ihnen stehen. Darauf wollen wir einen noch stärkeren Fokus legen.
Unterscheidet sich da die Mentalität von deutschen und skandinavischen Milchviehhaltern?
Nein, Landwirt ist Landwirt. Sie machen jeden Tag ihren harten Job. Aber vor allem tut es eine Generation für die nächste – das ist das Besondere. Ich denke, deutsche Milchviehhalter sind froh, Teil der Arla-Familie zu sein. Sie profitieren von den guten Preisen auf EU-Ebene. Wir haben einen einheitlichen Milchpreis für Landwirte in allen sieben Ländern. Damit gehören wir zu den am besten auszahlenden Molkereien in der EU.
Der Rohstoff Milch wird knapper in der EU. Gibt es künftig eine stärkere Konkurrenz um Milch?
In Deutschland gibt es noch extrem viele Molkereien. Doch sie werden weniger. Und es werden nur die überleben, die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzkonzepte für die Zukunft haben. Für diese Unternehmen reicht die Milch. Wir sind überzeugt, dass die Konsumenten auf Dauer auch nach den Produzenten schauen und darauf achten, wie nachhaltig Unternehmen produzieren. Dann punkten wir.
Werfen wir einen Blick auf den deutschen Markt: Derzeit sinkt der Absatz von Markenprodukten im Einzelhandel, dafür boomen die Eigenmarken des Handels. Ist das ein Problem?
Aktuell geht die gesamte Kategorie der Molkereiprodukte zurück, das ist nie gut. Aber das ist nur eine Periode und hängt mit dem Preisdruck zusammen. Der Absatz der Molkereiprodukte kommt wieder. Und die Marken kommen wieder. Es gibt einen Markt für sie.
Arla produziert eigene Marken und Marken für den Handel. Womit verdienen Sie Geld in Deutschland?
Mit beiden, das muss auch so sein.
Die Genossenschaft FrieslandCampina hat Landliebe gerade an Müllerverkauft, weil ihnen die Marke in Deutschland keinen Spaß gemacht hat.
Um es klar zu sagen: Wir gehen nicht aus dem deutschen Markt. Arla ist in Deutschland, um hier zu bleiben. Und ja, der Aufbau von Marken kostet Geld, aber mit unseren starken Marken verdienen wir Geld. Und die Verbraucher lieben sie, zum Beispiel den Frischkäse Arla Buko, der nun schon seit über 70 Jahren auf dem Markt ist.
Arla ist europaweit der größte Produzent von Biomilch. Wie sieht der Markt für Biomilch aktuell aus?
Der deutsche Markt ist im Biosegment anders als andere. Vor allem im vergangenen Jahr hat Bio gelitten. Verbraucher haben sehr preisbewusst eingekauft. Aber Fakt ist auch, dass der Bioanteil an der gesamten Milchproduktion in Deutschland bei 4 % liegt. Dem steht ein Konsumanteil von 10 % gegenüber. Da ist also noch Luft.
Wir haben in Deutschland etwa 150 Molkereien und fünf große Lebensmitteleinzelhändler. Wie schwer sind Verhandlungen?
Sagen wir so: Sie machen das Leben interessant. Das ist aber in anderen Ländern ähnlich. In Dänemark bestimmen drei Einzelhändler den Markt. Besonders ist in Deutschland aber, dass wir die Preise für beispielsweise Trinkmilch alle sechs Monate verhandeln müssen. Das ist in anderen Ländern nicht so häufig.
Die Molkereien treiben ihre Konzepte voran, der Handel setzt auf seine vier Haltungsstufen und die Politik will ein staatliches Tierhaltungskennzeichen. Geht das alles durcheinander oder in die gleiche Richtung?
Auf Dauer muss es in eine Richtung gehen. Allerdings sorgen die Diskussionen über die staatlichen Haltungskennzeichnung und die Haltungsformen des Handels aktuell schon noch für Irritationen. Auch wenn die Richtung ähnlich ist, passt es noch nicht richtig zusammen.
Wir fokussieren uns auf die Haltungsform 3, das entspricht QM++. Und wir gehen davon aus, dass der CO2-Fußabdruck künftig noch stärker im Handel und bei Verbrauchern im Fokus steht. Die rund 8000 Klimachecks unserer Landwirte zeigen, dass der CO2-Fußabdruck der Milch im Durchschnitt 1,12 CO2äq/kg Milch beträgt. Damit haben wir im Vergleich zum europäischen Durchschnitt einen guten Wert – und eine gute Ausgangslage.