Auf dem Bauerntag im Rahmen der 30. Mecklenburgischen Landwirtschaftsausstellung in Mühlengeez diskutierte Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus am Freitag mit Bauernverbandspräsident Detlef Kurreck, Thomas Dosch vom Fleischkonzern Tönnies und Schweinebauer Michael Kühling aus Zemmin (LK Vorpommern-Greifswald) über die Zukunft der Nutztierhaltung.
Dazu legte der Minister ein 10 Punkte-Programm vor, in dem er sich ganz klar für den Erhalt der Nutztierhaltung in Deutschland und MV als fundamentalen Zweig der Landwirtschaft ausspricht und Lösungsansätze für ein nachhaltiges Wirtschaften im Stall und auf dem Feld formuliert.
„Der Rückgang der Tierbestände bei Schwein und Rind im Vergleich zu Vorwende-Zeiten ist dramatisch. Von ehemals 2,7 Mio. Schweinen und 1,3 Mio. Rindern sind heute noch rund 762.000 Schweine und 485.000 Rinder übrig. (...) Für das Agrarland MV mit über 23.500 Arbeitskräften allein in der Landwirtschaft, ist diese Entwicklung fatal. Wir haben inzwischen die geringste Viehdichte in Deutschland; einen weiteren Abbau der Viehbestände möchte ich verhindern. Andernfalls, – das muss man deutlich so sagen – geht die Branche den Bach runter“, sagte Backhaus.
Flächenbezogene Tierhaltung bis 2 GV/ha
Die Herausforderung ist laut dem SPD-Politiker die Stabilisierung eines Wirtschaftszweiges, der keine auskömmlichen Umsätze erwirtschaftet, insbesondere, weil die Anforderungen und damit die Kosten in der Tierhaltung extrem steigen.
"Die Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung empfiehlt eine Umverteilung der Tierhaltung weg von den viehdichten in die viehärmeren Regionen. Dem kann ich viel abgewinnen, aber mir fehlt der Glaube, dass dies allein über Anreize funktioniert. Ich plädiere für eine flächenbezogene Tierhaltung. Grundsätzlich sollte ein Tierbesatz von 2 GV je ha landwirtschaftliche Nutzfläche im Landkreis nicht überschritten werden und das deutschlandweit“, erklärte Backhaus.
Gleichwohl müssen die gesellschaftlichen Forderungen nach mehr Tierwohl konsequent umgesetzt werden, sagte der Minister weiter. „Das Konzept der Borchert-Kommission weist einen richtigen Weg, bis jetzt wurde er aber nur beschrieben nicht begangen“, kommentierte er. Das Konzept sieht drei Tierwohlstufen vor, wobei Stufe 3 die Premiumstufe darstellt. Bis 2040 soll die gesamte Nutztierhaltung mindestens Stufe 2 erreicht haben. Die Kosten für die Stallumbauten werden auf ca. 11,2 Mrd. € beziffert. „Auch unterstreicht die Kommission meine Forderung nach einem staatlichen Tierwohllabel, wobei ich nach wie vor der Auffassung bin, dass es nicht freiwillig, sondern verbindlich sein muss.“
Backhaus´10 Punkte-Programm
- Die Nutztierhaltung in Deutschland muss erhalten werden. Die Tierhalter müssen von ihrer Arbeit leben können. Für die Nutztierhaltung müssen höhere tierschutzrechtliche Anforderungen geschaffen werden, die über das derzeitige Mindestmaß der rechtlichen Regelungen hinausgehen. Dazu ist ein zügiger Umbau der Nutztierhaltung entsprechen den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft notwendig. Dabei hat sich die Tierhaltung auch flächendeckend an den Prinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten.
- Das einheitliche staatliche Tierwohllabel muss verpflichtend in Deutschland und in Europa eingeführt und damit das gewünschte Maß an Tierwohl klar definiert werden.
- Die Landwirte müssen beim Umbau der Tierhaltung finanziell unterstützt werden. Der Investitionszuschuss sollte bis auf 80 % steigen; zudem müssen die höheren Produktionskosten langfristig staatlich gestützt werden. Zur Finanzierung muss es umgehend eine Entscheidung auf Bundesebene geben.
- Regionale Kreisläufe müssen verstärkt werden. Die Wertschöpfung in der Region muss weiter erhöht werden, z.B. durch den Aufbau regionaler Schlachtstätten und der weiteren Entwicklung von Wegen der Direktvermarktung.
- Die Weidetierhaltung ist gezielt zu unterstützen. Dazu haben wir in den Entscheidungen zur GAP ab 2023 entscheidende Weichen gestellt. So wird eine Prämie für Mutterschafe und –ziegen, sowie für Mutterkühe eingeführt. Zudem unterstützen wir die Tierhalter über verschiedene Grünlandprogramme.
- Wir unterstützen die Tierhalter beim Schutz vor Wolfsübergriffen. Neben der Entschädigung bei Wolfsrissen und der Förderung von Präventionsmaßnahmen, werden künftig auch die laufenden höheren Aufwendungen der Tierhalter finanziell unterstützt. Wir setzen uns dafür ein, dass die von M-V entwickelten Leitlinien zum Wolfsmanagement konsequent angewandt werden.
- Der Umbau der Tierhaltung gelingt nur durch die zügige Umsetzung von Genehmigungsverfahren auf der Grundlage von klaren, abgestimmten Rechtsvorgaben.
- Die TA- Luft, das Baugesetzbuch und die notwendige investive Förderung müssen zur Umsetzung höherer tierschutzrechtlicher Anforderungen und unter Berücksichtigung der Kriterien des staatlichen Tierwohllabels aufeinander abgestimmt werden. Dazu gehört insbesondere, dass alle baulichen Änderungen im Sinne des Tierschutzes bei bestehenden gewerblichen Tierhaltungsanlagen ohne Bestandsaufstockungen genehmigt und durchgeführt werden können. Durch eine Zertifizierung moderner, dem Tierwohl entsprechender Tierhaltungsanlagen kann das Genehmigungsverfahren weiter beschleunigt werden. Ich werde mich deshalb weiterhin für die Einrichtung eines Tierschutz TÜV einsetzen.
- Die Diskussion zur Zukunft der Tierhaltung muss weiter versachlicht werden. Wir brauchen deshalb eine starke Agrarforschung im Land, die objektive Fakten zur Tiergesundheit, zum Tierverhalten, zu den Bedürfnissen der Tiere und zu zukunftsfähigen Haltungskonzepten für unsere Nutztiere liefert. Ich werde mich deshalb weiter dafür einsetzen, dass die Agrarforschung in MV gestärkt, die Kooperationen ausgebaut und die Chancen mit der Gründung des Mustergutes Tellow und der Ansiedlung eines Fraunhofer Zentrums für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming genutzt werden.
- Der Umbau der Tierhaltung muss mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne für nachhaltige Landwirtschaft, für gesunde Ernährung und die Wertschätzung von Lebensmitteln flankiert werden. Dabei muss die Bedeutung der Tierhaltung für Kulturlandschaft, Klimaschutz, Biodiversität und sauberes Wasser herausgestellt werden. Die Finanzierung muss durch den Bund, die Landwirtschaft und aus Tierwohlabgabe sichergestellt werden.