Bamberger Hörnchen, Ackersegen, Linda: Kartoffeln von der Genbank auf den Acker
Biobauer und Kartoffelzüchter Karsten Ellenberg kombiniert alte mit modernen Sorten. Seine Arbeit bringt farbenfrohe und geschmackvolle Knollen auf den Markt. Was macht seine Zucht aus?
Neben den vertrauten, hellgelben Knollen leuchten in der Hofladentheke von Familie Ellenberg dunkelviolette, rot gefleckte und tiefschwarze Kartoffeln. Wohlklingende Sorten wie Heiderot und Rote Emmalie erinnern mit ihrer grellpinken Fleischfarbe an Szenen aus dem Barbiefilm. Die Farbenpracht ist das Ergebnis jahrzehntelanger, akribischer Züchtungsarbeit von Karsten Ellenberg. Pünktlich zum Tag der Kartoffel, heute am 30. Mai, stellen wir den Kartoffelenthusiasten vor.
Der Biobauer und Kartoffelzüchter aus der Lüneburger Heide hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte und seltene Kartoffelsorten zu erhalten und weiterzuentwickeln. Inzwischen liefert er europaweit Pflanzkartoffeln aus. Seine Knollen finden sich etwa im Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe. Seine Rote Emmalie wurde zur „Kartoffel des Jahres“ gekürt. Doch alte Sorten sind aufgrund niedriger Erträge und Krankheitsanfälligkeit kaum noch auf deutschen Äckern zu finden – oder?
Drei Jahrzehnte Zuchterfahrung
Als junger Erwachsener übernahm Karsten Ellenberg den konventionellen Ackerbau seiner Eltern. Heute bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Frau Petra, seinen Söhnen Hannes und Julius und rund zehn Mitarbeitenden den 220 ha großen, viehlosen Betrieb in Barum (Niedersachsen). Neben dem Hauptstandbein Kartoffeln baut er auf den sandigen Lehmböden mit 60 Bodenpunkten Ackerbohnen, Erbsen und Weizen an. Die Diskussion um neue Gentechnik stimmte ihn in den 90er Jahren skeptisch und er stellte auf ökologische Bewirtschaftung um.
Seit 1996 züchtet Ellenberg Kartoffeln. Er wollte den Ertrag neuer Sorten mit dem Geschmack und der Farbe alter Sorten kombinieren. Ein Besuch in der Genbank Groß-Lüsewitz in Mecklenburg-Vorpommern entfachte seine Begeisterung. Dort suchte er sich aus über 2.700 Sorten die ersten aus. „Die Farben, Formen, Blüten: Das war eine Vielfalt, die ich als Landwirt gar nicht kannte. Und als ich sie probiert hatte, war es um mich geschehen“, beschreibt er seine ersten Eindrücke. Heute hält er rund 50 verschiedene Sorten als kleine Pflänzchen in einer hofeigenen Genbank.
Damit sich der Erhaltungsaufwand lohnt, muss Ellenberg seine Sorten teurer vermarkten. Rund 30 Sorten gehen als Speisekartoffeln in den Großhandel, an Hofladenkunden oder werden über den Onlineshop verkauft. Zudem beliefert Ellenberg rund 200 andere ökologisch oder konventionell wirtschaftende Landwirte mit Pflanzkartoffeln und einige Tausend Hobbygärtner. 2018 gründete er dafür das Vermarktungsunternehmen Ellenberg's Kartoffelvielfalt GmbH & Co. KG, das sein Sohn Julius übernehmen wird.
Ellenberg kreuzt alte, neue und wilde Sorten, um die „perfekte Kartoffel“ zu züchten. Sie soll geschmacklich herausragen, optisch ansprechend, ertragreich und robust gegen Wetterextreme und Krankheiten sein. Ellenberg ist überzeugt: „Die alten Sorten tragen so viel Potential in sich – Wenn wir es nutzen, brauchen wir so etwas wie Gentechnik nicht.“ Alte Kartoffelsorten bieten oft Geschmacksrichtungen wie nussig, buttrig oder sahnig, die in modernen Sorten verloren gehen, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Auch Ellenberg schwärmt vom feinen Geschmack, der sich wie bei Wein oder Kaffee um Nuancen unterscheidet. Fast klingt er wie ein Sommelier.
Fünf Sorten stammen inzwischen aus der Zucht des 60-Jährigen: Sie heißen Blaue Anneliese, Violetta, Heiderot, Heidemarie und Rote Emmalie. Letztere ist die erste deutschstämmige Kartoffel mit rotem Fleisch und seine wichtigste Sorte. Benannt hat er sie nach Tanten, Großeltern und Freunden.
Der Züchtungsprozess neuer Varianten ist aufwendig und erfordert viel Geduld. „Manchmal, wenn die Knolle gut schmeckt, fehlt ihr eine Resistenz. Das tauscht sich genetisch aus“, sagt Ellenberg. Er selektiert und testet die Kartoffeln in einem langwierigen Prozess, wobei er besonders auf die Krautfäuleverträglichkeit, eine schnelle Krautentwicklung, einen niedrigen Nährstoffbedarf, Geschmack und Optik achtet.
Die Pflanzen zieht er aus den Samen der Kartoffelbeere und lässt sie steril in einer Nährlösung zu Stecklingen heranwachsen. Jeder Samen bildet einen Zuchtstamm und damit eine mögliche neue Sorte. Im Jahr erhält er rund 5.000 neue Pflänzchen, aus denen er selektieren kann. Die Auserwählten pflanzt er in kleine Töpfe in seinem Gewächshaus, wo sich die ersten Knollengenerationen, die sogenannten Minituber, bilden.
Die baut er unter Ökobedingungen schließlich im Feld an und nur solche, die sich im Anbau und im Geschmackstest bewähren, haben im nächsten Jahr wieder eine Chance. Weil nicht in jedem Jahr die gleichen Bedingungen herrschen, macht er das über viele Jahre hinweg, um die beste Kartoffel zu finden.
Nicht jede Kartoffel darf kommerziell gehandelt werden. In Deutschland entscheidet das Bundessortenamt nach vorheriger Prüfung, ob man als Landwirt bzw. Züchter eine Sorte auf den Markt bringen darf. Das soll der Qualitätssicherung dienen. Kriterien sind z. B. Homogenität, Beständigkeit und die Unterscheidbarkeit von anderen Sorten. Von rund 4.000 existierenden Kartoffelsorten sind etwa 150 in den Regalen deutscher Supermärkte zu finden/zugelassen.
Wenn er von seiner Variante begeistert ist, bringt Ellenberg einige der Knollen ins Bundessortenamt, wo sie über zwei Jahre auf Herz und Nieren geprüft werden. Um Zeit zu sparen, beantragt er parallel bereits die Pflanzgutanerkennung im Feld und vermehrt sie zuhause weiter. Von der ersten Idee vergehen bis hierhin mindestens zehn Jahre. Fällt die Bewertung des Bundessortenamtes positiv aus, kann er den Sortenschutz beantragen und seine neue Kreation verkaufen. Der Sortenschutz sichert den Züchtern für 30 Jahre die Rechte an der Vermarktung. So auch bei Ellenbergs Heiderot, Violetta und Co.
Was der Landwirt erntet, ist sein Eigentum.
Karsten Ellenberg
Unter Kartoffelbauern ist Ellenberg kein Unbekannter: Seit Jahren setzt er sich für eine Landwirtschaft ein, die unabhängig von Zuchtunternehmen sein soll. So berichteten große Medienhäuser wie die Süddeutsche Zeitung, die Bild und der Spiegel über ihn und seinen Einsatz für die Zucht aus Bauernhand. „Was der Landwirt erntet, ist sein Eigentum“, sagt Ellenberg. Er kritisiert damit die Nachbaugebühren, die bei geschützten Sorten anfallen. Denn wenn Landwirte die Knollen aus der eigenen Ernte erneut einpflanzen wollen, müssen sie pro kg ein paar Cent an den Züchter zahlen.
Genau diese Abhängigkeit stört Ellenberg. Darum erhebt er keine Nachbaugebühren für seine Sorten. „Wir Züchter müssen lernen, von den ersten Lizenzen zu leben“, sagt er. Andere Landwirte sollen seine Pflanzkartoffeln ohne zusätzliche Kosten weiterverwenden dürfen. Er fügt hinzu: „Ich habe die Kartoffel ja nicht erfunden.“ Auch deshalb habe er mit den alten Sorten begonnen. Denn für sie musste er ebenfalls keine Nachbaugebühr aufbringen.
Balance zwischen Vielfalt und Wirtschaftlichkeit
Die Sortenvielfalt ist heute nicht mehr so reich wie früher. Denn es gilt als wirtschaftlicher, mit weniger Sorten zu arbeiten. Auch Ellenberg hat sein Repertoire inzwischen von 150 auf 50 Sorten reduziert. „Die Witterungsbedingungen sind immer heftiger, bei Dauerregen tritt die Krautfäule häufig auf, bei Hitze werden viele Sorten glasig“, sagt Ellenberg. „Und Sorten, die im Verkauf unter 5 t liegen, lohnen sich im Anbau schlichtweg nicht.“
Alte Sorten gelten als ertragsschwächer und weniger robust, als die Sorten großer Züchter. Ellenberg führt als Gegenbeispiel das Bamberger Hörnchen auf. „Man kann nicht pauschal sagen, dass die weniger Ertrag haben – solange sie virusfrei sind.“ Auch die Lagerfähigkeit sei unterschiedlich. Die neuere Sorte Annabelle keime früher, das Bamberger Hörnchen hingegen könne man ewig lagern. Dafür ist es aufgrund seiner Croissantform anspruchsvoller bei der Ernte. Die Spitzen brechen leichter.
So habe jede Sorte ihre Vor- und Nachteile, ob alt oder neu. „Die neuen Sorten sind im Vergleich leichter und in größeren Mengen verfügbar. Aber sie sind eintönig. Kunden müssen wieder lernen, was eine vielfältige Landwirtschaft bedeutet“, findet Ellenberg. Ellenberg bemerkte in den letzten Jahren einen wachsenden Markt für alte Sorten.
Der Kartoffelenthusiast blickt positiv in die Zukunft – es scheint, als habe er noch ein Ass im Ärmel. Aktuell sind Zuchtstämme in der Erde, die robust, ertragreich, lagerfähig und resistent sein sollen. Dieses Jahr kommt der letzte Härtetest, bevor er den Neuling ans Bundessortenamt gibt.
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Neben den vertrauten, hellgelben Knollen leuchten in der Hofladentheke von Familie Ellenberg dunkelviolette, rot gefleckte und tiefschwarze Kartoffeln. Wohlklingende Sorten wie Heiderot und Rote Emmalie erinnern mit ihrer grellpinken Fleischfarbe an Szenen aus dem Barbiefilm. Die Farbenpracht ist das Ergebnis jahrzehntelanger, akribischer Züchtungsarbeit von Karsten Ellenberg. Pünktlich zum Tag der Kartoffel, heute am 30. Mai, stellen wir den Kartoffelenthusiasten vor.
Der Biobauer und Kartoffelzüchter aus der Lüneburger Heide hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte und seltene Kartoffelsorten zu erhalten und weiterzuentwickeln. Inzwischen liefert er europaweit Pflanzkartoffeln aus. Seine Knollen finden sich etwa im Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe. Seine Rote Emmalie wurde zur „Kartoffel des Jahres“ gekürt. Doch alte Sorten sind aufgrund niedriger Erträge und Krankheitsanfälligkeit kaum noch auf deutschen Äckern zu finden – oder?
Drei Jahrzehnte Zuchterfahrung
Als junger Erwachsener übernahm Karsten Ellenberg den konventionellen Ackerbau seiner Eltern. Heute bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Frau Petra, seinen Söhnen Hannes und Julius und rund zehn Mitarbeitenden den 220 ha großen, viehlosen Betrieb in Barum (Niedersachsen). Neben dem Hauptstandbein Kartoffeln baut er auf den sandigen Lehmböden mit 60 Bodenpunkten Ackerbohnen, Erbsen und Weizen an. Die Diskussion um neue Gentechnik stimmte ihn in den 90er Jahren skeptisch und er stellte auf ökologische Bewirtschaftung um.
Seit 1996 züchtet Ellenberg Kartoffeln. Er wollte den Ertrag neuer Sorten mit dem Geschmack und der Farbe alter Sorten kombinieren. Ein Besuch in der Genbank Groß-Lüsewitz in Mecklenburg-Vorpommern entfachte seine Begeisterung. Dort suchte er sich aus über 2.700 Sorten die ersten aus. „Die Farben, Formen, Blüten: Das war eine Vielfalt, die ich als Landwirt gar nicht kannte. Und als ich sie probiert hatte, war es um mich geschehen“, beschreibt er seine ersten Eindrücke. Heute hält er rund 50 verschiedene Sorten als kleine Pflänzchen in einer hofeigenen Genbank.
Damit sich der Erhaltungsaufwand lohnt, muss Ellenberg seine Sorten teurer vermarkten. Rund 30 Sorten gehen als Speisekartoffeln in den Großhandel, an Hofladenkunden oder werden über den Onlineshop verkauft. Zudem beliefert Ellenberg rund 200 andere ökologisch oder konventionell wirtschaftende Landwirte mit Pflanzkartoffeln und einige Tausend Hobbygärtner. 2018 gründete er dafür das Vermarktungsunternehmen Ellenberg's Kartoffelvielfalt GmbH & Co. KG, das sein Sohn Julius übernehmen wird.
Ellenberg kreuzt alte, neue und wilde Sorten, um die „perfekte Kartoffel“ zu züchten. Sie soll geschmacklich herausragen, optisch ansprechend, ertragreich und robust gegen Wetterextreme und Krankheiten sein. Ellenberg ist überzeugt: „Die alten Sorten tragen so viel Potential in sich – Wenn wir es nutzen, brauchen wir so etwas wie Gentechnik nicht.“ Alte Kartoffelsorten bieten oft Geschmacksrichtungen wie nussig, buttrig oder sahnig, die in modernen Sorten verloren gehen, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Auch Ellenberg schwärmt vom feinen Geschmack, der sich wie bei Wein oder Kaffee um Nuancen unterscheidet. Fast klingt er wie ein Sommelier.
Fünf Sorten stammen inzwischen aus der Zucht des 60-Jährigen: Sie heißen Blaue Anneliese, Violetta, Heiderot, Heidemarie und Rote Emmalie. Letztere ist die erste deutschstämmige Kartoffel mit rotem Fleisch und seine wichtigste Sorte. Benannt hat er sie nach Tanten, Großeltern und Freunden.
Der Züchtungsprozess neuer Varianten ist aufwendig und erfordert viel Geduld. „Manchmal, wenn die Knolle gut schmeckt, fehlt ihr eine Resistenz. Das tauscht sich genetisch aus“, sagt Ellenberg. Er selektiert und testet die Kartoffeln in einem langwierigen Prozess, wobei er besonders auf die Krautfäuleverträglichkeit, eine schnelle Krautentwicklung, einen niedrigen Nährstoffbedarf, Geschmack und Optik achtet.
Die Pflanzen zieht er aus den Samen der Kartoffelbeere und lässt sie steril in einer Nährlösung zu Stecklingen heranwachsen. Jeder Samen bildet einen Zuchtstamm und damit eine mögliche neue Sorte. Im Jahr erhält er rund 5.000 neue Pflänzchen, aus denen er selektieren kann. Die Auserwählten pflanzt er in kleine Töpfe in seinem Gewächshaus, wo sich die ersten Knollengenerationen, die sogenannten Minituber, bilden.
Die baut er unter Ökobedingungen schließlich im Feld an und nur solche, die sich im Anbau und im Geschmackstest bewähren, haben im nächsten Jahr wieder eine Chance. Weil nicht in jedem Jahr die gleichen Bedingungen herrschen, macht er das über viele Jahre hinweg, um die beste Kartoffel zu finden.
Nicht jede Kartoffel darf kommerziell gehandelt werden. In Deutschland entscheidet das Bundessortenamt nach vorheriger Prüfung, ob man als Landwirt bzw. Züchter eine Sorte auf den Markt bringen darf. Das soll der Qualitätssicherung dienen. Kriterien sind z. B. Homogenität, Beständigkeit und die Unterscheidbarkeit von anderen Sorten. Von rund 4.000 existierenden Kartoffelsorten sind etwa 150 in den Regalen deutscher Supermärkte zu finden/zugelassen.
Wenn er von seiner Variante begeistert ist, bringt Ellenberg einige der Knollen ins Bundessortenamt, wo sie über zwei Jahre auf Herz und Nieren geprüft werden. Um Zeit zu sparen, beantragt er parallel bereits die Pflanzgutanerkennung im Feld und vermehrt sie zuhause weiter. Von der ersten Idee vergehen bis hierhin mindestens zehn Jahre. Fällt die Bewertung des Bundessortenamtes positiv aus, kann er den Sortenschutz beantragen und seine neue Kreation verkaufen. Der Sortenschutz sichert den Züchtern für 30 Jahre die Rechte an der Vermarktung. So auch bei Ellenbergs Heiderot, Violetta und Co.
Was der Landwirt erntet, ist sein Eigentum.
Karsten Ellenberg
Unter Kartoffelbauern ist Ellenberg kein Unbekannter: Seit Jahren setzt er sich für eine Landwirtschaft ein, die unabhängig von Zuchtunternehmen sein soll. So berichteten große Medienhäuser wie die Süddeutsche Zeitung, die Bild und der Spiegel über ihn und seinen Einsatz für die Zucht aus Bauernhand. „Was der Landwirt erntet, ist sein Eigentum“, sagt Ellenberg. Er kritisiert damit die Nachbaugebühren, die bei geschützten Sorten anfallen. Denn wenn Landwirte die Knollen aus der eigenen Ernte erneut einpflanzen wollen, müssen sie pro kg ein paar Cent an den Züchter zahlen.
Genau diese Abhängigkeit stört Ellenberg. Darum erhebt er keine Nachbaugebühren für seine Sorten. „Wir Züchter müssen lernen, von den ersten Lizenzen zu leben“, sagt er. Andere Landwirte sollen seine Pflanzkartoffeln ohne zusätzliche Kosten weiterverwenden dürfen. Er fügt hinzu: „Ich habe die Kartoffel ja nicht erfunden.“ Auch deshalb habe er mit den alten Sorten begonnen. Denn für sie musste er ebenfalls keine Nachbaugebühr aufbringen.
Balance zwischen Vielfalt und Wirtschaftlichkeit
Die Sortenvielfalt ist heute nicht mehr so reich wie früher. Denn es gilt als wirtschaftlicher, mit weniger Sorten zu arbeiten. Auch Ellenberg hat sein Repertoire inzwischen von 150 auf 50 Sorten reduziert. „Die Witterungsbedingungen sind immer heftiger, bei Dauerregen tritt die Krautfäule häufig auf, bei Hitze werden viele Sorten glasig“, sagt Ellenberg. „Und Sorten, die im Verkauf unter 5 t liegen, lohnen sich im Anbau schlichtweg nicht.“
Alte Sorten gelten als ertragsschwächer und weniger robust, als die Sorten großer Züchter. Ellenberg führt als Gegenbeispiel das Bamberger Hörnchen auf. „Man kann nicht pauschal sagen, dass die weniger Ertrag haben – solange sie virusfrei sind.“ Auch die Lagerfähigkeit sei unterschiedlich. Die neuere Sorte Annabelle keime früher, das Bamberger Hörnchen hingegen könne man ewig lagern. Dafür ist es aufgrund seiner Croissantform anspruchsvoller bei der Ernte. Die Spitzen brechen leichter.
So habe jede Sorte ihre Vor- und Nachteile, ob alt oder neu. „Die neuen Sorten sind im Vergleich leichter und in größeren Mengen verfügbar. Aber sie sind eintönig. Kunden müssen wieder lernen, was eine vielfältige Landwirtschaft bedeutet“, findet Ellenberg. Ellenberg bemerkte in den letzten Jahren einen wachsenden Markt für alte Sorten.
Der Kartoffelenthusiast blickt positiv in die Zukunft – es scheint, als habe er noch ein Ass im Ärmel. Aktuell sind Zuchtstämme in der Erde, die robust, ertragreich, lagerfähig und resistent sein sollen. Dieses Jahr kommt der letzte Härtetest, bevor er den Neuling ans Bundessortenamt gibt.