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topplus Neues Geschäftsfeld?

Bambusbauern gesucht

Bambus ist als nachwachsender Rohstoff gefragt, wird aber fast ausschließlich importiert. Ein Unternehmen plant nun den Anbau in Europa und sucht auch in Deutschland Landwirte für den Vertragsanbau.

Lesezeit: 9 Minuten

Wer durch den fast zehn Meter hoch gewachsenen Bambus streift, hört es über sich rascheln. Die grün bis gelblich gefärbten Stämme sind mit einer Hand nicht mehr zu umfassen, so dick sind sie. Die Spitze der Pflanze ist selbst mit in den Nacken gelegtem Kopf nicht eindeutig auszumachen – und dieses Exemplar soll erst zwei Jahre alt sein?

Schnell gelesen

  • Landwirte könnten Bambus im Vertragsanbau für ein niederländisches Unternehmen produzieren.

  • Die Verträge laufen 20 Jahre. Die Rückkaufgarantie gilt ab dem 7. Jahr. Die Preise richten sich nach dem Marktpreis, sind aber an einen Mindestpreis gebunden.

  • CO²-Zertifikate sollen Investitionskosten von ca. 11.000 €/ha querfinanzieren.

  • Eine Nachfrage nach europäischem Rohmaterialaus aus der Industrie besteht offenbar.

Kjell Tahon zufolge schon. Im Namen des niederländischen Unternehmens Bamboologic präsentiert er den Bambuswald in Merksplas im Norden Belgiens. Hier befindet sich eine Gärtnerei mit Bambusvermehrung und eine Art Schaugarten des Unternehmens, das das eigentlich in Asien beheimatete Gewächs auch in Deutschland anbauen (lassen) will. Der Grund: Die Nachfrage nach biobasierten, nachwachsenden Materialien aus europäischer Fertigung sei in vielen Industrien so groß, dass es höchste Zeit sei, Bambus auch hierzulande anzubauen. Ob Bau- und Dämmstoffe, Zahnbürsten, Lattenroste, Skistöcker, Fahrräder, Toilettenpapier oder Textilien – es gibt unzählige Produkte, die es mittlerweile auch aus Bambus gibt.

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Um auf dem Markt ein ernst zu nehmender Vertragspartner für einkaufende Unternehmen werden zu können, braucht Bamboologic Bambus in Massen. „Das können wir nicht allein anbauen“, sagt Kjell Tahon. „Deshalb suchen wir Landwirte, die im Vertragsanbau für uns produzieren wollen.“ Könnte Bambusanbau ein Geschäftsmodell für heimische Bauern werden?

Wächst Bambus hier überhaupt?

Bambus ist hierzulande nicht heimisch. Die besten Erträge erzielt er in gemäßigten bis tropischen Klimazonen in Asien mit einer höheren Jahresdurchschnittstemperatur und mehr Niederschlag als in Deutschland. Neben Wärme braucht Bambus vor allem zur Austriebzeit im späten Frühjahr relativ hohe Niederschlagsmengen, verträgt aber keine Staunässe. Der optimale pH-Wert des Bodens liegt zwischen 5,4 und 6,4. In eher lehmig-tonigen Böden kann bis knapp über 7 gepflanzt werden.

Der Bärenanteil des importierten Bambus stammt aus China. Die Sorte Phyllostachys edulis, auch als Moso-Bambus bekannt, ist die in China wichtigste Sorte und eine von dreien, die auch Bamboologic anbauen lassen will. Sie lässt sich vielseitig verarbeiten, ist aber in Bezug auf die erforderliche Winterhärte eher empfindlich. Die anderen von Bamboologic ausgewählten Sorten heißen Phyllostachys aureosulcata und Phyllostachys atrovaginata. Beide sind winterhart. Letztere soll auch mit nasseren Böden besser umgehen können.

„Wir können die Pflanzenauswahl an die örtlichen Temperatur- und Bodenverhältnisse anpassen“, sagt Kjell Tahon, der versichert, dass die Begleitung der Vertragslandwirte für Bamboologic selbstverständlich ist. 

top agrar hat sich bei Pflanzenwissenschaftler Dr. Steffen Greiner eine zweite Meinung eingeholt und gefragt, ob Bambus hierzulande wachsen kann. Der 2. Vorsitzende der deutschen Sektion der Europäischen Bambusgesellschaft sieht den Anbau als Nutzpflanze kritisch. Er sagt: „Winterharte Sorten wachsen in Deutschland zwar, aber sie sind hier relativ weit weg vom Klimaoptimum. Für einen optimalen Ertrag reicht die Wärme nicht aus.“

Erträge im Vergleich mit Faserpflanzen sehen

Damit konfrontiert, widerspricht Kjell Tahon nicht. Optimale Erträge wie in China seien hier tatsächlich nicht zu erreichen. „Aber das brauchen wir auch nicht. Wir vergleichen uns nicht mit China, sondern mit den Erträgen anderer Faserpflanzen wie Hanf, Miscanthus oder Lein“, so Tahon. Europäische Konzerne müssten nachweisen, dass ihre Lieferketten möglichst kurz und transparent sind. „Wir verschaffen ihnen einen Rohstoff, der unter europäischen Bedingungen, mit europäischen Zertifizierungen und ohne lange Transporte erzeugt wird“, sagt Tahon.

All diese Gründe machen den europäischen Bambusanbau nach Überzeugung des Unternehmers auch dann wirtschaftlich rentabel, wenn geringere Erträge als in China erwirtschaftet werden. Er sagt: „Es gibt eine riesige Nachfrage nach europäischem Bambus. Nur gibt es eben noch keinen.“

Dauerkultur, die 100 Jahre alt werden soll

Bambus ist eine Dauerkultur. Pro Hektar werden 625 bis 700 Jungpflanzen im Abstand von 4 m gesetzt. Zwischen den Reihen sind ebenfalls 4 m Platz. Die Jungpflanzen kommen entweder zwischen Februar und Mai oder zwischen September und November mit einem Alter von 1,5 bis 2 Jahren in den Boden. Sie sind dann etwa hüfthoch und auf dem Acker sieht es noch recht leer aus. In den Anfangsjahren wächst Bambus erst unterirdisch und braucht  Pflege. Vor allem auf die Wasserversorgung kommt es an. Nach dem Anpflanzen muss er weitere zwei bis drei Jahre – in Dürreperioden auch vier bis fünf Jahre gegossen werden. „Wir rechnen als durchschnittliche Wassermenge pro Pflanze in trockenen und heißen Perioden etwa zwei bis drei Liter Wasser pro Tag“, sagt Kjell Tahon. „Da wir für einen sehr langen Zeitraum pflanzen, berücksichtigen wir, dass Temperatur und Niederschlag in Europa aufgrund des Klimawandels zunehmen werden.“

Kjell rät den Vertragslandwirten nicht zwangsläufig zur Investition in ein Bewässerungssystem. „Dieses ist ja nur in den ersten Jahren nötig. Danach wäre die Investition in die Kultur unnötig, die ja bis zu 100 Jahre alt werden soll.“ In der Vermehrung gießen die Belgier die Jungpflanzen größtenteils mit einem Wasserfass.

Beim Auspflanzen kommt Dünger direkt mit ins Pflanzloch. In den ersten Jahren ist es erforderlich, die Jungpflanze von Unkraut freizuhalten. Bei der Sorte edulis muss im Winter ein Vlies um jede Pflanze gelegt werden.

Ackerschlag muss von Graben umgeben sein

Eine Besonderheit liegt im Schutz vor der ungewollten Ausbreitung des Bambus. Denn alle drei Sorten bilden unterirdische Ausläufer, sogenannte Rhizome. Diese gehen zwar nicht weiter als 40 bis 50 cm in die Tiefe, wachsen aber expansiv in die Breite. „Sobald sie auf Luft oder Wasser treffen, hören sie auf zu wachsen“, sagt Kjell Tahon. „Daher umgibt man die Plantage mit einem Schutzgraben, der einmal im Jahr neu umgebrochen wird.“

Aufgrund der intensiven Ausbreitung hat Bambus den Ruf, eine invasive Art zu sein. „Das ist er jedoch nicht“, erklärt Kjell Tahon. „Weil er keine Blüten bildet und keinen Pollenflug hat.“ Im Gegenteil sei die Vermehrung sehr kompliziert – was seiner Ansicht nach übrigens der Grund dafür ist, dass nicht schon mehr Unternehmen in den Bambusanbau eingestiegen sind.

Bambus: Ernte von Sprossen, Stangen und Biomasse

Bamboologic verspricht einen hohen Ernte-Output. Tahon sagt: „Beim Bambus nutzt man alle Bestandteile der Pflanze: Faser oder Holz, Blattmasse und die essbaren Sprossen.“ Die Ernte der Sprossen findet im Frühling ähnlich wie die Spargelernte per Hand statt.

Für die Ernte der Biomasse im Spätsommer erprobt das Unternehmen derzeit mechanische Lösungen. Ein angepasster Maishäcksler kann die komplette Pflanze inklusive Blättern ernten. Daraus verarbeitete Hackschnitzel werden bspw. zu Dämmmaterial oder Verbundwerkstoffen verarbeitet.

Will man die Stangen ernten, die für ihr sehr leichtes und gleichzeitig sehr hartes Holz bekannt sind, und sie als Baustoff z. B. in die Parkett- oder Möbelindustrie vermarkten, soll Technik infrage kommen, die sonst Kurzumtriebsholz erntet.

Vertragslandwirte müssten ihre Anbaumethoden auf die gewünschte Nutzung des Bambus abstimmen – sei es für Stangen, Biomasse oder Sprossen. Wer zum Beispiel hohe und dicke Bambusstangen erzeugen will, muss die ­Anzahl neuer Triebe im Frühling reduzieren, damit die stehen gelassenen Stangen die entsprechende Dicke entwickeln. Wer Biomasse ernten will, muss diese Pflege nicht vornehmen.

Da Bambus – als weitere Besonderheit – alte Stangen zur Bildung neuer Triebe benötigt, wird jedes Jahr nur ein Drittel der Fläche geerntet. Die Ernte in 4 m breiten Streifen soll gewährleisten, dass die unterirdisch bereits ausgebreiteten Rhizome auf den abgeernteten Streifen wieder neue Triebe bilden und verlässlich nachwachsen.

Rückkaufgarantie, Mindestpreise und CO2-Zertifikate

Auf die erste ertragreiche Ernte muss man mehrere Jahre warten. Die Rückkaufgarantie für Sprossen, Biomasse und Stangen gilt ab dem siebten Jahr. Sie basiert auf dem Marktpreis, ist aber an einen Mindestpreis gebunden. Wird dieser nicht erreicht, ist der Erzeuger nicht verpflichtet, die Ware zu verkaufen. 5 % der Ernte dürfen die Vertragslandwirte in Eigenregie vermarkten. 

Bamboologic verspricht zusätzliche Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten. Diese sollen die beachtlichen Investitionskosten von ca.  11.000 €/ha nach Angaben von Kjell Tahon querfinanzieren. „Bei einem zu 100 % erfolgreichen Verkauf der Zertifikate sind im Durchschnitt 70 bis 100 % des Pflanzmaterials bezahlt – abhängig von der ursprünglichen Menge organischer Substanz im Boden.“

Das Unternehmen geht ab dem siebten Jahr von Ernteerträgen von 20 t Biomasse/ ha aus, wobei diese wie gesagt nur von einem Drittel der Fläche stammen. Pro Tonne zahlt Bamboologic einen Durchschnittswert pro geerntetem Produkt (Stangen, Biomasse, Triebe) zwischen 150 und 200 €. Die Zusammensetzung einer Ernte in bestimmten Verhältnissen ergibt eine Gesamtbilanz (z. B. 4.483 € in Übersicht unten). Als optimale Plantagengröße gelten 3 bis 5 ha. Verträge werden für 20 Jahre geschlossen.

Die offenen Fragen

Bislang baut Bamboologic auf 200 ha Bambus in Europa an. „Unser Ziel ist es, jedes Jahr 200 bis 300 ha mehr Anbaufläche hinzuzugewinnen“, sagt Kjell Tahon. Die bisherigen Plantagen liegen in Portugal, Spanien, Griechenland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden – und seit kurzem auch in der Soester Börde in Nordrhein-Westfalen (NRW).

Dort hat die Landwirtschaftskammer NRW am Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse Ende März eine Testfläche mit 31 Bambuspflanzen angelegt.  „Wir stehen in Kontakt mit Bamboologic und wollen herausfinden, ob Bambusanbau ein mögliches Geschäftsfeld für Landwirte sein könnte“, sagt Dorothee Schulze Schwering, Innovationsmanagerin der LWK NRW. Ihr Kollege Michael Dickeduisberg vom Zentrum für nachwachsende Rohstoffe NRW fügt hinzu:  „Wir wissen, dass es aus dem Bereich Nachwachsende Rohstoffe tatsächlich Nachfrage gibt. Aber um das Potenzial von Bambus beurteilen zu können, müssen wir erst einmal eigene Erfahrungen mit der Kultur machen.“

Außerdem gilt es, die noch offenen Fragen zu klären: Wäre eine Bambusplantage ein Acker oder ein Wald? Wäre der Anbau auf Grünland möglich? Fließen EU-Fördermittel? Wie steht es um die Genehmigung der nicht heimischen Art Bambus? Erst recht, wenn sie als meterhoch wachsende Kultur eine landschaftsprägende Rolle spielt?

Alle Beteiligten erhoffen sich vom Testfeld in NRW weitere Erkenntnisse. Landwirte, die auf eigene Faust testen möchten, sind herzlich eingeladen, sich beim Unternehmen zu melden.

Ihre Meinung ist gefragt!

Was halten Sie von der Idee, Bambus in Deutschland anzubauen? Welche Fragen sind für Sie noch offen geblieben? Welche Punkte sehen Sie kritisch? Schreiben Sie mir Ihre Meinung: eva.piepenbrock@topagrar.com

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