Lange hatte sich der Deutsche Bauernverband (DBV) beim Agrardiesel knallhart gegeben: Sinngemäß hieß es noch im Dezember und Januar, entweder der Agrardiesel bleibe erhalten oder es werde Bauernproteste geben, wie sie die Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Seitdem sind rund drei Monate vergangen und die Tonart des Bauernverbandes hat sich geändert. Auch aus der Union kommen Kompromiss-Signale.
Krüsken: Reale Entlastungen nötig
Gegenüber der „Welt am Sonntag“ erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken an diesem Wochenende, man werde nicht in vollem Umfang auf Steuervergünstigungen bestehen, „wenn es im Gegenzug zu Mehrbelastungen beim Kraftstoff an anderer Stelle zu realen Entlastungen kommt“.
Diskutiert werden in dem Zusammenhang neben dem obligatorischen „Bürokratieabbau“ auch handfeste Verbesserungen wie die Tarifglättung, die Einführung einer steuerbegünstigten Risikoausgleichsrücklage oder eine Steuerbefreiung für landwirtschaftliche genutzte Biokraftstoffe.
Was der Bauernverband mit "realen Entlastungen" meint, hat er in einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz zusammengefasst:
Eine für die Landwirtschaft tragfähige Lösung beim Agrardiesel
Steuerliche Entlastungen und Maßnahmen zur Stärkung des einzelbetrieblichen Risikomanagements
Steuerbefreiung für den Einsatz von nicht fossilen Kraftstoffen in der Landwirtschaft
Ein Auflagenmoratorium für die Landwirtschaft in Verbindung mit einem Programm zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt
Eine ernst gemeinte und wirksame Initiative zur Entbürokratisierung auf nationaler und europäischer Ebene
Wir sind dann kompromissbereit beim #Agrardiesel, wenn es im Gegenzug zu Mehrbelastungen zu mindestens gleichwertigen Entlastungen kommt.
— Deutscher Bauernverband e.V. (@Bauern_Verband) March 9, 2024
Welche das sind? Wir haben diese in einem offenen Brief an @Bundeskanzler Olaf Scholz formuliert.⬇️https://t.co/9nbBm2eSkY pic.twitter.com/z2P1Nym4lR
Dippe: Berufskollegen wie vor den Kopf geschlagen
Fest vereinbart ist davon bisher wenig bis nichts, deshalb sorgt das plötzliche Entgegenkommen des DBV bei anderen Branchenvertretern für Irritationen. „Wir sind doch nicht monatelang gegen diese völlig überzogene und ungerechte Steuererhöhung auf die Straße gegangen, um jetzt kleinlaut zurückzurudern“, empört sich Martin Dippe vom Bauernbund Sachsen-Anhalt. Viele Berufskollegen, die noch Mitglied im Bauernverband seien, hätten mitdemonstriert und seien durch die Ankündigung wie vor den Kopf geschlagen.
Frank Böcker von LSV-Sachsen-Anhalt erinnert daran, dass die Unionsfraktion im Bundestag auch wegen der flächendeckenden friedlichen Protesten ihre Zustimmung zum Wachstumschancengesetz an den Erhalt des Agrardiesels gekoppelt hat. Mit seiner nebulösen Kompromissbereitschaft falle der Bauernverband denjenigen Unionspolitikern in den Rücken, die noch zur Landwirtschaft stehen. „Man kann doch keine berechtigte Forderung zurücknehmen, wenn man die Gegenleistung nicht kennt“, kritisierte auch Frerk Arfsten von den Freien Bauern Sachsen-Anhalt. Wer einen Kompromiss anbiete, müsse klare Vorstellungen haben, wie Geld auf die Höfe kommt.
Bauernbund, LsV und Co. pochen auf Agrardiesel-Erhalt
Bauernbund, LSV und Freie Bauern bleiben deshalb bei ihrer Forderung, die Streichung der Agrardieselrückvergütung komplett zurückzunehmen. Kurz vor der Agrarministerkonferenz dürfe die Glaubwürdigkeit der gesamten Proteste nicht in Frage gestellt werden. Nun stellt sich die Frage, ob von diesen Verbänden nicht neue Protestaktionen angeschoben werden.
Die Demonstrationen und die vereinzelt damit verbundenen Vorfälle an der Grenze des Zumutbaren hatten den Bauernverband in den vergangenen Wochen umgetrieben. Krüsken hatte sich deshalb auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Radikalisierung von Protestaktionen einiger Landwirte geäußert. „Wir wollen unseren Mitgliedern nicht vorspielen, dass, wer am lautesten schreit, am besten Gehör findet“, gab er gegenüber der „Welt am Sonntag“ zu bedenken.
Schwenkt auch die Union um?
Die Unionsparteien CDU und CSU versuchen unterdessen, über den Bundesrat der Ampel weitere Zugeständnisse zum Agrardiesel abzuringen. Sie hatten angedroht, das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung in der Länderkammer zu blockieren, sollte der Agrardiesel nicht in seiner bisherigen Form erhalten bleiben.
Seit kurzem klingt die Union aber deutlich versöhnlicher. Wie TableMedia zuerst berichtete, können sich die unionsregierten Länder offenbar eine Zustimmung zum Wachstumschancengesetz unter der Voraussetzung vorstellen, dass die Bundesregierung den Landwirten Entlastungen bei Bürokratie und Abgaben anbietet. Der Erhalt der ursprünglichen Steuerrückerstattung beim Agrardiesel soll stattdessen nicht mehr die Voraussetzung für die Zustimmung der unionsgeführten Länder zum Wachstumschancengesetz am 22. März im Bundesrat sein.