Barbara Riegler ist Obfrau von Bio Austria. Mit top agrar Österreich spricht sie über die Zukunft der Branche, die Abkehr von Betrieben im Grünland und nötige Anreize.
Schnell gelesen Barbara Riegler ist seit Mai Obfrau von Bio Austria, dem größten Bioverband Österreichs. Die Biobranche kämpft mit hohen Auflagen, niedrigen Erzeugerpreisen und einem Rückgang an Betrieben. Der Verband fordert mehr Anreize von Seiten der Politik für die Biolandwirtschaft und vor allem 30 %-Bioanteil in öffentlichen Küchen.
Sie haben heuer im Frühjahr die Agenden von Gerti Grabmann übernommen. Wie haben Sie sich in Ihrer neuen Funktion eingelebt?
Barbara Riegler: Es war ein absolutes Privileg, einstimmig als Bundesobfrau gewählt zu werden und diese Akzeptanz unter den Biobauern zu haben. Es ist auch ein verantwortungsvoller Posten, denn in der Agrarpolitik spielt Bio nicht die Rolle, die sie innehaben müsste. Obwohl jeder vierte Landwirt biologisch wirtschaftet.
Wie ist die aktuelle Stimmung in der Branche? Nach guten Preisen im Vorjahr sanken die Preise heuer massiv – ist der Boden bei der Preisbildung erreicht?
Riegler: Die Stimmung ist im Moment gedämpft. Wir glauben, dass eine Talsohle beim Preis erreicht ist. Der Verband ist nicht am Markt aktiv, wir versuchen, als Interessensvertretung das Marktumfeld für die Bauern zu bereiten und sie zu unterstützen. Hier würden wir uns mehr Rückhalt von Seiten der Politik wünschen.
„Bei unserer Umstellungs-
beratung halten sich die
Anfragen derzeit in Grenzen,
die weitere Entwicklung ist
schwer abzuschätzen.“
Welche Maßnahmen bräuchte es Ihrer Meinung nach aktuell von der Politik?
Riegler: Den Markt betreffend bräuchte es die Umsetzung des nationalen Beschaffungsplans, der 30 % Bioprodukte in der Verpflegung der Bundeseinrichtungen vorsieht. In der Realität liegt der Anteil wohl bei etwa 5 %. Die Umsetzung wäre ein großer Hebel für die Biolandwirtschaft und die Bauern könnten liefern. Es fehlen aber die Daten zur Kontrolle des Bio-Anteils und oft wird nicht biokonform ausgeschrieben, hier besteht großer Aufholbedarf von Seiten der öffentlichen Hand.
Die Biobranche kannte über Jahre nur Wachstum, jetzt stagnieren die Verkäufe im Handel und die Zahl der Biobauern geht zurück. Was braucht es, um hier gegenzusteuern?
Riegler: Das derzeitige Marktumfeld ist nicht einfach, das ist richtig. Aber wir haben in Österreich genügend Konsumenten, die auch jetzt auf Bioprodukte setzen, um uns wacker zu schlagen. In anderen Ländern gab es regelrechte Einbrüche am Biomarkt. Was es jetzt dennoch als Impuls braucht, ist mehr Unterstützung. Die Biobetriebe im ÖPUL sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 700 zurückgegangen, das ÖPUL liefert hier einfach zu wenig Unterstützung. Es waren vor allem Betriebe im Westen Österreichs mit Grünland und Tierhaltung. Die EU-Bioweideverordnung und der damit verbundene ständige Zugang zur Weide stellten viele Landwirte vor Herausforderungen.
Es gibt also einen Rückgang bei den bestehenden Betrieben. Stellen aktuell noch viele Bauern auf Bio um?
Riegler: Bei unserer Umstellungsberatung halten sich die Anfragen derzeit in Grenzen und die Entwicklung ist schwer abzuschätzen. Wichtig ist, bestehende Biobetriebe zu unterstützen und bestmöglich zu fördern, dann werden wieder neue dazu kommen.
„Die aktuellen Prämien
sind in der Kombination mit
den Auflagen in diesem
schwierigen Marktumfeld ein
Mühlstein um den Hals
der Biobauern.“
Im Bio-Aktionsprogramm sollen bis zum Jahr 2027 30 % der Flächen in Österreich biologisch bewirtschaftet werden und 2030 35 %. Ist dieses Ziel noch realistisch?
Riegler: Wenn noch rechtzeitig, also jetzt, die notwendigen Anreize gesetzt werden, ja. Österreich hat mit mehr als 27 % der bewirtschaften Fläche eine gute Ausgangsposition. Aber je länger man abwartet und zusieht, wie Biobetriebe aufhören, desto schwieriger wird es.
Wie sehr bremsen zusätzliche Auflagen und keine Steigerungen bei den Fördersätzen die Biolandwirtschaft?
Riegler: Die aktuellen Prämien sind in der Kombination mit den Auflagen des ÖPUL in diesem schwierigen Marktumfeld ein Mühlstein um den Hals der Biobauern. Die ÖPUL-Rahmenbedingungen setzen derzeit nicht die Reize, die nötig sind, um die Biolandwirtschaft voran zu bringen. Die fehlende Flexibilität der Auflagen macht den Bauern Probleme. Die Bürokratie müsste generell abgebaut werden, da müssen die nationalen Spielräume maximal genützt werden.
Wird es bei den geplanten Nachbesserungen des ÖPUL-Programms auch im Biobereich Änderungen geben?
Riegler: Es muss Nachbesserungen geben, dazu gibt es keine Alternative. Ich erwarte mir ein Gesamtpaket, das zusätzliche Anreize und Vereinfachungen für Biobetriebe bringt. Die Inflationsanpassung der Maßnahmen ab 2024 ist ein erster Schritt, mit den inhaltlichen Programmänderungen ab 2025 müssen weitere folgen.
Auch die anderen EU-Länder stecken sich im Biobereich hohe Ziele. Welche Auswirkungen wird das auf den heimischen Markt haben?
Riegler: Manche mehr, manche weniger. Klar ist: Wenn andere Märkte sich weiterentwickeln und die Bioproduktion erhöhen, wird es schwieriger im Export. Deshalb muss der heimische Markt besser erschlossen werden, da braucht es laufende Impulse und Anstrengungen.
Vor allem in Salzburg exportieren viele Landwirte ihre Biomilch nach Deutschland, sie mussten zum Naturland-Verband wechseln. Gehen diese Betriebe Bio Austria verloren?
Riegler: Hier geht es rein um den Marktzugang. Die Salzburg Milch exportiert nach Deutschland und fordert dafür von den Lieferanten die Mitgliedschaft bei Naturland. Wir sind im Austausch mit Naturland und arbeiten an einer Kooperation. Wir wollen für unsere Mitgliedsbetriebe eine Kombi-Mitgliedschaft ohne Mehrbelastung. Uns ist wichtig, unsere Betriebe maximal zu unterstützen und sie zu halten.
Beim Fleisch gibt es immer mehr Tierwohllabel. Werden die zur Konkurrenz für Bioprodukte?
Riegler: Das denke ich nicht. Der qualitätsbewusste Konsument kauft Biofleisch. Bei Bio gibt es ein bewährtes, kontrolliertes, höchstqualitatives System und die Leute vertrauen auf uns. Bio Austria hat den höchsten Standard. Da kennt sich der Konsument aus, alles andere sind Versuche.
Wie können Biobetriebe in diesem Marktumfeld bestehen?
Riegler: Es gab und gibt immer wieder Herausforderungen am Markt. Wir haben eine große Vielfalt an und in den Biobetrieben sowie Innovationskraft, Mut und Weitsicht. Natürlich müssen aber die Betriebe von der Agrarpolitik auch so unterstützt werden, dass sie – auch mit ihren vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft – ein anständiges Einkommen erwirtschaften können. Ich bin mir sicher, der Biolandbau ist der richtige Weg, um die heimische Landwirtschaft zukunftsfit zu machen.
Brauchen die Biobauern in Zukunft die „Neue Gentechnik“?
Riegler: Die Frage ist doch eine andere: Soll es in Zukunft Neue Gentechnik in Lebensmitteln und Saatgut geben, ohne dass es draufstehen muss? Ohne dass es verpflichtende Risikoprüfung und Rückverfolgbarkeit gibt? Nein, das wollen weder die Bauern noch die Konsumenten. Der Feinkostladen Österreich und die Qualitätsstrategie in der Landwirtschaft wären damit dahin. Die Gentechnikfreiheit ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und wird als solches noch wertvoller werden.
Die EU will mehr Biolandbau, setzt sie dazu die richtigen Maßnahmen?
Riegler: Das Bekenntnis zu mehr Bio ist gut, in der Umsetzung hinkt es allerdings. Denn es muss bei jeder politischen Entscheidung mitgedacht werden, was viel zu selten passiert. Will man mehr Bio und damit eine nachhaltige Ökologisierung der Landwirtschaft, muss jede politische Initiative der EU Bio unterstützen, von der Gemeinsamen Agrarpolitik bis zur Frage der Neuen Gentechnik.
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Schnell gelesen Barbara Riegler ist seit Mai Obfrau von Bio Austria, dem größten Bioverband Österreichs. Die Biobranche kämpft mit hohen Auflagen, niedrigen Erzeugerpreisen und einem Rückgang an Betrieben. Der Verband fordert mehr Anreize von Seiten der Politik für die Biolandwirtschaft und vor allem 30 %-Bioanteil in öffentlichen Küchen.
Sie haben heuer im Frühjahr die Agenden von Gerti Grabmann übernommen. Wie haben Sie sich in Ihrer neuen Funktion eingelebt?
Barbara Riegler: Es war ein absolutes Privileg, einstimmig als Bundesobfrau gewählt zu werden und diese Akzeptanz unter den Biobauern zu haben. Es ist auch ein verantwortungsvoller Posten, denn in der Agrarpolitik spielt Bio nicht die Rolle, die sie innehaben müsste. Obwohl jeder vierte Landwirt biologisch wirtschaftet.
Wie ist die aktuelle Stimmung in der Branche? Nach guten Preisen im Vorjahr sanken die Preise heuer massiv – ist der Boden bei der Preisbildung erreicht?
Riegler: Die Stimmung ist im Moment gedämpft. Wir glauben, dass eine Talsohle beim Preis erreicht ist. Der Verband ist nicht am Markt aktiv, wir versuchen, als Interessensvertretung das Marktumfeld für die Bauern zu bereiten und sie zu unterstützen. Hier würden wir uns mehr Rückhalt von Seiten der Politik wünschen.
„Bei unserer Umstellungs-
beratung halten sich die
Anfragen derzeit in Grenzen,
die weitere Entwicklung ist
schwer abzuschätzen.“
Welche Maßnahmen bräuchte es Ihrer Meinung nach aktuell von der Politik?
Riegler: Den Markt betreffend bräuchte es die Umsetzung des nationalen Beschaffungsplans, der 30 % Bioprodukte in der Verpflegung der Bundeseinrichtungen vorsieht. In der Realität liegt der Anteil wohl bei etwa 5 %. Die Umsetzung wäre ein großer Hebel für die Biolandwirtschaft und die Bauern könnten liefern. Es fehlen aber die Daten zur Kontrolle des Bio-Anteils und oft wird nicht biokonform ausgeschrieben, hier besteht großer Aufholbedarf von Seiten der öffentlichen Hand.
Die Biobranche kannte über Jahre nur Wachstum, jetzt stagnieren die Verkäufe im Handel und die Zahl der Biobauern geht zurück. Was braucht es, um hier gegenzusteuern?
Riegler: Das derzeitige Marktumfeld ist nicht einfach, das ist richtig. Aber wir haben in Österreich genügend Konsumenten, die auch jetzt auf Bioprodukte setzen, um uns wacker zu schlagen. In anderen Ländern gab es regelrechte Einbrüche am Biomarkt. Was es jetzt dennoch als Impuls braucht, ist mehr Unterstützung. Die Biobetriebe im ÖPUL sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 700 zurückgegangen, das ÖPUL liefert hier einfach zu wenig Unterstützung. Es waren vor allem Betriebe im Westen Österreichs mit Grünland und Tierhaltung. Die EU-Bioweideverordnung und der damit verbundene ständige Zugang zur Weide stellten viele Landwirte vor Herausforderungen.
Es gibt also einen Rückgang bei den bestehenden Betrieben. Stellen aktuell noch viele Bauern auf Bio um?
Riegler: Bei unserer Umstellungsberatung halten sich die Anfragen derzeit in Grenzen und die Entwicklung ist schwer abzuschätzen. Wichtig ist, bestehende Biobetriebe zu unterstützen und bestmöglich zu fördern, dann werden wieder neue dazu kommen.
„Die aktuellen Prämien
sind in der Kombination mit
den Auflagen in diesem
schwierigen Marktumfeld ein
Mühlstein um den Hals
der Biobauern.“
Im Bio-Aktionsprogramm sollen bis zum Jahr 2027 30 % der Flächen in Österreich biologisch bewirtschaftet werden und 2030 35 %. Ist dieses Ziel noch realistisch?
Riegler: Wenn noch rechtzeitig, also jetzt, die notwendigen Anreize gesetzt werden, ja. Österreich hat mit mehr als 27 % der bewirtschaften Fläche eine gute Ausgangsposition. Aber je länger man abwartet und zusieht, wie Biobetriebe aufhören, desto schwieriger wird es.
Wie sehr bremsen zusätzliche Auflagen und keine Steigerungen bei den Fördersätzen die Biolandwirtschaft?
Riegler: Die aktuellen Prämien sind in der Kombination mit den Auflagen des ÖPUL in diesem schwierigen Marktumfeld ein Mühlstein um den Hals der Biobauern. Die ÖPUL-Rahmenbedingungen setzen derzeit nicht die Reize, die nötig sind, um die Biolandwirtschaft voran zu bringen. Die fehlende Flexibilität der Auflagen macht den Bauern Probleme. Die Bürokratie müsste generell abgebaut werden, da müssen die nationalen Spielräume maximal genützt werden.
Wird es bei den geplanten Nachbesserungen des ÖPUL-Programms auch im Biobereich Änderungen geben?
Riegler: Es muss Nachbesserungen geben, dazu gibt es keine Alternative. Ich erwarte mir ein Gesamtpaket, das zusätzliche Anreize und Vereinfachungen für Biobetriebe bringt. Die Inflationsanpassung der Maßnahmen ab 2024 ist ein erster Schritt, mit den inhaltlichen Programmänderungen ab 2025 müssen weitere folgen.
Auch die anderen EU-Länder stecken sich im Biobereich hohe Ziele. Welche Auswirkungen wird das auf den heimischen Markt haben?
Riegler: Manche mehr, manche weniger. Klar ist: Wenn andere Märkte sich weiterentwickeln und die Bioproduktion erhöhen, wird es schwieriger im Export. Deshalb muss der heimische Markt besser erschlossen werden, da braucht es laufende Impulse und Anstrengungen.
Vor allem in Salzburg exportieren viele Landwirte ihre Biomilch nach Deutschland, sie mussten zum Naturland-Verband wechseln. Gehen diese Betriebe Bio Austria verloren?
Riegler: Hier geht es rein um den Marktzugang. Die Salzburg Milch exportiert nach Deutschland und fordert dafür von den Lieferanten die Mitgliedschaft bei Naturland. Wir sind im Austausch mit Naturland und arbeiten an einer Kooperation. Wir wollen für unsere Mitgliedsbetriebe eine Kombi-Mitgliedschaft ohne Mehrbelastung. Uns ist wichtig, unsere Betriebe maximal zu unterstützen und sie zu halten.
Beim Fleisch gibt es immer mehr Tierwohllabel. Werden die zur Konkurrenz für Bioprodukte?
Riegler: Das denke ich nicht. Der qualitätsbewusste Konsument kauft Biofleisch. Bei Bio gibt es ein bewährtes, kontrolliertes, höchstqualitatives System und die Leute vertrauen auf uns. Bio Austria hat den höchsten Standard. Da kennt sich der Konsument aus, alles andere sind Versuche.
Wie können Biobetriebe in diesem Marktumfeld bestehen?
Riegler: Es gab und gibt immer wieder Herausforderungen am Markt. Wir haben eine große Vielfalt an und in den Biobetrieben sowie Innovationskraft, Mut und Weitsicht. Natürlich müssen aber die Betriebe von der Agrarpolitik auch so unterstützt werden, dass sie – auch mit ihren vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft – ein anständiges Einkommen erwirtschaften können. Ich bin mir sicher, der Biolandbau ist der richtige Weg, um die heimische Landwirtschaft zukunftsfit zu machen.
Brauchen die Biobauern in Zukunft die „Neue Gentechnik“?
Riegler: Die Frage ist doch eine andere: Soll es in Zukunft Neue Gentechnik in Lebensmitteln und Saatgut geben, ohne dass es draufstehen muss? Ohne dass es verpflichtende Risikoprüfung und Rückverfolgbarkeit gibt? Nein, das wollen weder die Bauern noch die Konsumenten. Der Feinkostladen Österreich und die Qualitätsstrategie in der Landwirtschaft wären damit dahin. Die Gentechnikfreiheit ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und wird als solches noch wertvoller werden.
Die EU will mehr Biolandbau, setzt sie dazu die richtigen Maßnahmen?
Riegler: Das Bekenntnis zu mehr Bio ist gut, in der Umsetzung hinkt es allerdings. Denn es muss bei jeder politischen Entscheidung mitgedacht werden, was viel zu selten passiert. Will man mehr Bio und damit eine nachhaltige Ökologisierung der Landwirtschaft, muss jede politische Initiative der EU Bio unterstützen, von der Gemeinsamen Agrarpolitik bis zur Frage der Neuen Gentechnik.