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topplus Bilanz der Bauernproteste

Beringmeier: "Der Druck ist schon hoch und wir sorgen dafür, dass das so bleibt"

Veredlungspräsident Hubertus Beringmeier erinnert im top agrar-Interview an die Erfolge der Bauerndemonstrationen und warnt davor, diese zu zerreden. Den Druck auf die Politik hält er aufrecht.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Bauernproteste im Dezember und Januar haben das Land aufgewühlt und die Landwirtschaft wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Agrarpolitisch ist seitdem ebenfalls einiges in Bewegung geraten, wenn auch nicht so viel, wie manch ein Landwirt gehofft hatte. Das zeigt eine aktuelle Umfrage, die top agrar Anfang der Woche ausgewertet hatte. WLV-Präsident Hubertus Beringmeier sieht aber mehr Licht als Schatten und erklärt im Interview mit top agrar auch warum.

top agrar: Herr Beringmeier, die jüngsten Vorschläge von Finanzminister Lindner zum Jahressteuergesetz haben viele Landwirtinnen und Landwirte enttäuscht. Damit entsteht eine neue Diskussion über die politischen Entlastungsangebote im Zuge des Agrardiesel-Aus und den Erfolg der Demonstrationen. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie als Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und Veredlungspräsident des Deutschen Bauernverbandes von den größten Bauernprotesten der vergangenen Jahrzehnte?

Beringmeier: Auch ich sehe manches mit gemischten Gefühlen. Dennoch haben wir eine ganze Menge erreicht: Wir haben eine deutlich größere Aufmerksamkeit für die Anliegen der Landwirtschaft in Politik und Gesellschaft erzielt. Wir haben die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge erhalten. Die Tarifglättung wird wieder eingeführt. Das hilft uns, weil wir nun einmal enorm schwankende Gewinne haben. Die Flächenstilllegung von 4 % wird ausgesetzt. Wir wünschen uns natürlich, dass das für die gesamte Förderperiode bis 2027 der Fall sein wird.

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Auf EU-Ebene wurde die SUR zurückgenommen. Denn durch unsere Proteste sind auch viele Proteste in anderen EU-Ländern angestoßen worden. Auch die Entscheidung über das EU-Naturwiederherstellungsgesetz ist vertagt worden. Wir haben außerdem die vielen Vorschläge zum Bürokratieabbau und die Zusage, dass Steuererleichterungen für alternative Kraftstoffe geprüft werden. GLÖZ 6, GLÖZ 7 werden diskutiert. Das alles ist ein Riesenerfolg.

Das sind beachtliche Ergebnisse. Und dennoch: In drei Jahren fahren die deutschen Bauern den teuersten Diesel in der ganzen EU. Ist es wirklich ein Erfolg, wenn die Kernforderung, also der Erhalt des Agrardiesels, nicht erreicht wurde?

Beringmeier: Der Agrardiesel bleibt ein Thema. Wir haben die Forderung nicht aufgegeben.

Der Agrardiesel bleibt ein Thema. Wir haben die Forderung nicht aufgegeben.

Wir sehen allerdings, dass wir bei der jetzigen Koalition in der Frage nichts mehr erreichen werden. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Dennoch gilt: Wir bleiben dran. Wir dürfen nicht im EU-Vergleich schlechter stehen als der Durchschnitt. Und der liegt bei 19,6 Cent/l Steuerrückerstattung. Deshalb verständigen wir uns auch jetzt schon mit den großen Parteien und machen den Agrardiesel zum Wahlkampfthema. .

 

War es rückblickend ein Fehler, sich in dieser Frage derart festzulegen, wie Bauernpräsident Joachim Rukwied es getan hat?

Beringmeier: Nein, denn das war unsere Kernforderung und diese Forderung hat uns alle geeint. Politische Forderungen müssen immer hoch sein. Am Ende gehört es zum politischen Tagesgeschäft dazu, dass daraus Kompromisse werden.

 

Wie belastbar und wie konkret sind die Angebote der Politik? Im Entwurf für das Jahressteuergesetz heißt es jetzt: Die Tarifglättung kommt, aber nur befristet. Von einer Risikoausgleichsrücklage will plötzlich niemand mehr etwas wissen. Und der Pauschalierungssatz für die Mehrwertsteuer wird trotz aller Bedenken und Widerstände auf 8,4 % abgesenkt. Können die Bauern damit zufrieden sein?

Beringmeier: Wir haben immer eine Risikoausgleichsrücklage gefordert und fordern sie auch weiter. Diese Forderung fließt jetzt auch in die Gespräche der ZKL mit ein. Die Befristung der Tarifglättung auf sechs Jahre ist für mich kein K.O.-Kriterium. Die 8,4 % Pauschalierungssatz passen überhaupt nicht. Da werden wir weiter Druck machen.

Sie verweisen auf die vielen Erfolge der Bauern. Gleichzeitig melden sich in diesen Tagen auch viele enttäuschte Stimmen aus dem Kreis der Landwirte, die mit den politischen Ergebnissen hadern. Wie nehmen Sie die Stimmung unter den Landwirtinnen und Landwirten bei dem Thema wahr?

Beringmeier: Wir nehmen die Stimmen unserer Mitglieder sehr ernst. Ich ducke mich da nicht weg. Tatsächlich geht die Wahrnehmung teilweise auseinander. Viele sehen, dass wir alle gemeinsam eine Menge erreicht haben. Wir haben die Erfolge eingangs aufgezählt. Und wir waren prominent und positiv in den Medien präsent.

Gleichzeitig gibt es manche, die enttäuscht sind. Wir stellen uns diesen Diskussionen. Insbesondere mit den Mitgliedern, die mehr erwartet hatten. Wir sollten nur nicht vergessen: Da ist viel geleistet worden. Wir alle haben anstrengende Monate hinter uns. Ich persönlich finde, dass wir viel erreicht haben. Das sollten wir jetzt nicht zerreden. Vor allem sollten wir das Zeitfenster für positive Veränderungen, das durch die Proteste entstanden ist, weiter nutzen.

In einer aktuellen Umfrage auf topagrar.com - sie ist nicht repräsentativ, aber sie hat immerhin mehr als 1.300 Teilnehmer - zeigten sich nur 2 % der Landwirtinnen und Landwirte voll bzw.  24 % im Großen und Ganzen zufrieden mit den Ergebnissen der Demonstrationen. Können Sie den Frust verstehen?

Beringmeier: Ich verstehe das, sage diesen Landwirtinnen und Landwirten aber auch, dass von den diskutierten Entlastungsmaßnahmen noch eine ganze Menge aussteht. Daran werden wir weiter mit Hochdruck arbeiten, auch gegen den Widerstand von Umweltverbänden, der schon begonnen hat. Das geht aber nicht von heute auf morgen und betrifft von Ackerbau bis Veredlung einen ganzen Strauß möglicher Punkte. Dafür brauchen wir etwas mehr Zeit.

Das Thema Agrardiesel steht weiter auf der Tagesordnung. Denn wir wissen auch, dass der nicht nur der Auslöser der Bauernproteste war. Der Agrardiesel ist das Kernelement, dass uns quer durch alle landwirtschaftlichen Sektoren verbindet.

Der Agrardiesel ist das Kernelement, dass uns quer durch alle landwirtschaftlichen Sektoren verbindet.

Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Agieren der landwirtschaftlichen Verbände?

Beringmeier: Wir sind uns innerhalb des Berufsstands einig. Das war nicht immer so, aber wir haben alle dazugelernt. Auf Landesebene kann ich bestätigen, dass wir als WLV gut mit “Land schafft Verbindung – LsV" zusammenarbeiten. Auch auf Bundesebene haben wir als Bauernverband den LsV bei den Großdemos stets mit einbezogen und uns dabei gut ergänzt. Geeint sind wir stark und erreichen auf diese Weise viel.

Ich persönlich finde diese große Einigkeit klasse. Wir sind als Bauernverband nicht die einzige Stimme, beispielsweise, was den Nutztiersektor angeht. Hier und andernorts arbeiten wir mit anderen Organisationen aber wirklich eng zusammen, wenn es um konkrete Themen wie die Umsetzung von mehr Tierwohl geht. Wir haben hier eine viel größere Geschlossenheit und das ist auch richtig so, denn das stärkt uns als Branche ungemein.

Trägt die in der Form einmalige Geschlossenheit zwischen LsV, BDM, Ökoverbänden und dem Bauernverband weiterhin? Oder sind die Trennlinien bei Themen wie dem Artikel 148 bei der Milch oder der Flächenstilllegung bereits wieder gut erkennbar?

Beringmeier: Beim Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung haben wir als Bauernverband eine andere Meinung als andere Organisationen wie der BDM. Das ist legitim - für beide Seiten. Ich glaube aber nicht, dass solche Verschiedenheiten dazu führen werden, dass wir uns wieder auf offener Bühne streiten. Nach meiner Überzeugung haben die meisten Akteure verstanden, welchen Wert das gemeinsame Auftreten des Berufsstandes hat.

 

Welchen Kurs sollten die Bauern aus ihrer Sicht einschlagen? Halten Sie erneute Demonstrationen für geboten? Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie, um Druck auf die Entscheider aufzubauen?

Beringmeier: Der Druck ist schon hoch und wir sorgen dafür, dass das so bleibt. Aktuell führen wir als Bauernverband Gespräche mit Politikern der Ampelparteien. Weitere Bauernproteste schließen wir natürlich auch nicht aus.

Weitere Bauernproteste schließen wir natürlich auch nicht aus.

Aktuell fahren wir auf Sicht und passen unsere Strategie kontinuierlich an. Viel hängt vom weiteren Entgegenkommen der Politik ab.

Bei Demonstrationen haben wir allerdings klare Regeln und auch rote Linien. Der WLV hat beispielsweise nie Autobahnblockaden unterstützt. Das geht aus unserer Sicht zu weit und gefährdet die Akzeptanz der Bevölkerung. Kleinere oder auch größere Aktionen sind aber auch in Zukunft eine Option. Dann aber als angemeldete Demo, und hinterher ist der Ort so sauber, wie wir ihn vorgefunden haben.

 

DBV-Präsident Rukwied setzt für Agrardiesel auf CDU/CSU in neuer Regierungsverantwortung. Wie wollen Sie sicherstellen, dass eine schwarz geführte Bundesregierung ihr Wort hält?

Beringmeier: Wir brauchen an der Stelle natürlich verbindliche Zusagen von CDU und CSU, die auch in Koalitionsverhandlungen Bestand hätten. Ausflüchte dürfen da nicht kommen. Deshalb muss die Union diese Absicht jetzt auch öffentlich kommunizieren. Das erwarte ich durchaus.

Sie sind gestandener Landwirt und auch im Verbandswesen schon lange unterwegs. Wie haben Sie die Proteste seit Dezember aus Ihrer eigenen Perspektive erlebt?

Beringmeier: Ich habe so etwas zuvor noch nicht erlebt und es hat mich schwer beeindruckt. Dass wir im Dezember – in nur vier Tagen - Proteste in dem Umfang aufstellen können, hätte ich nicht erwartet.

Ich bin auch Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Paderborn. Wir hatten damals unter unseren Mitgliedern abgefragt, wer zu Demos kommen könnte. Gemeldet wurden 200 Schlepper mit entsprechender Besatzung. Am Ende kamen 750 Fahrzeuge und 1.000 Teilnehmer – allein in unserem Landkreis. Niemand hatte im Vorfeld damit gerechnet, dass wir so viele Menschen mobilisieren können. Das hat mich überwältigt und ich bin als Verbandsvertreter auch stolz auf unsere Leute.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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