Im Februar 2024 sieht die ca. 6 ha große Fläche des Forstbetriebes von Carsten Hogrefe in der Nähe von Walsrode in der Südheide auf den ersten Blick aus, wie derzeit so viele Waldflächen in Deutschland: Am Rand und verteilt auf dem Schlag stehen noch einige übergebliebene hohe Fichten, Douglasien und Lärchen. Darunter wurde geräumt und wieder aufgeforstet.
Schaut man sich die Kalamitätsfläche genauer an, erkennt man, dass mittig auf den späteren Rückegassen jeweils eine Reihe Hybridpappeln steht. Sie wachsen im Rahmen eines Versuchs, dass das Unternehmen Energy Crops GmbH aus Brandenburg zusammen mit dem Forstberater und ehemaligen Forstamtsleiter Dr. Gerd Höher bei Carsten Hogrefe angelegt hat. Bei einem Ortstermin haben wir uns die Details der interessanten Idee erklären lassen.
„Die Energy Crops GmbH gehörte ursprünglich zu Vattenfall, seit Kurzem aber ist unsere Muttergesellschaft, der Berliner Fernwärmeversorger, vom Land Berlin übernommen worden. Somit sind wir ein Unternehmen des Landes Berlin. Unsere Muttergesellschaft betreibt Biomasse-Heizwerke in der Hauptstadt und wir sichern einen Teil der benötigten Hackschnitzel über eigenen Anbau ab“, erklärt Dr. Jan Grundmann, einer der Geschäftsführer.
Energy Crops bewirtschaftet derzeit rund 2.000 ha Pappel-Kurzumtriebsplantagen (KUP), 1.600 ha davon in Brandenburg und weitere 400 ha im westlichen Polen. Die Bewirtschaftung läuft über 20 Jahre in Zusammenarbeit mit den landwirtschaftlichen Betrieben. Grundlage ist ein Kooperationsvertrag, ähnlich wie im landwirtschaftlichen Vertragsanbau.
Energy Crops hat Anfang des letzten Jahres den Auftrag bekommen, bis 2030 bis zu zehnmal mehr Holz als bisher bereitzustellen. In diesem Zusammenhang entstand unter anderem die Idee, auf Kalamitätsflächen in Form von zwei verschiedenen Konzepten Energieholz anzubauen. Ein Ansatz ist, die Rückegassenfläche zu bewirtschaften und dort für 16 bis 20 Jahre forstlich zertifizierte Hybridpappeln zu nutzen. Aktuell geht es darum, Erfahrungen mit diesem Konzept zu sammeln. Die Fläche in der Südheide ist ein erster Versuchsstandort mit dem Rückegassenanbau.
Im Vorfeld der Planung kam der Kontakt zu Gerd Höher zustande, der sich nach seiner Tätigkeit als Forstamtsleiter ab 2001 im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium als Referatsleiter im Referat für Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie u. a. mit KUP befasst hat. Seit seiner Pensionierung 2017 ist er freier Forstberater und in diesem Rahmen auch für Carsten Hogrefe tätig.
Versuche auf 6 ha
Die Rückegasse-Versuchsfläche ist durch Borkenkäferbefall und einen Windwurf im Februar 2022 abgegangen. Die betroffene Schadfläche ist insgesamt rund 6 ha groß. Bereits bevor die Idee mit dem Pappelanbau entstand, hat Carsten Hogrefe im Winter 2022/23 aufgeforstet.
Neben Naturverjüngung von Douglasie, Fichte, Küstentanne, Kiefer, Birke, Eberesche und Bergahorn brachte der Betrieb Vogelkirsche, Elsbeere, Esskastanie, Roteiche, Baumhasel, Lärche und unter dem Schirm des Restbestandes auch Winterlinde sowie Buche ein. Weil es Probleme mit Adlerfarn gibt, hat der Betrieb vor allem Großpflanzen (80/120 cm) eingesetzt. Die größeren Pflanzen stehen in einem weiten Verband von ca. 3 x 3 m und sind einzeln durch Wuchshüllen vor Wild geschützt.
Die Fläche wurde nicht geräumt. Beim Pflanzen auf der Fläche kam ein Bagger mit einem Pflanzaggregat und einer Art Schaufel zum Einsatz. Wenn erforderlich legte dieser Bagger den reichlich vorhandenen Schlagabraum auf den späteren Rückegassen ab. Das stellte sich später beim für das Bepflanzen dieser Rückegassen als wirklich hinderlich heraus.
Im April 2023 entstand dann die Idee, auf der Fläche den Pappelversuch anzulegen. „Gehölzstreifen in der Landwirtschaft sind intensiv untersucht und bringen zahlreiche Vorteile für die Kultur zwischen den Gehölzen. Die Vorteile dieser Agroforstsysteme wollen wir mit den Pappeln auch auf die Kalamitätsflächen im Wald bringen“, beschreibt Jan Grundmann die Idee.
Die schnell wachsenden Streifen bremsen den Wind, was gleichzeitig die Verdunstungsrate reduziert. Weiter entwickelte Pappeln werfen später einen lichten Schlagschatten, was bei starker Sonneneinstrahlung positiven Effekt bringt. Die Pappeln auf den Gassen verhindern zudem die Bildung von Innenträufen und damit die Entwicklung stärkerer Äste bei den randständigen Hauptbaumarten. Die Kronen der heranwachsenden Bäume schieben sich in Konkurrenz mit den Pappeln mehr in die Höhe. Beide Effekte sorgen beim späteren Einsatz eines Harvesters für bessere Sicht in die Bestandsblöcke.
Und schließlich finanziert sich das Aufhauen der leichter zu findenden Rückegassen durch die Energieholznutzung selbst. Eine Konkurrenz für den übrigen Bestand erwarten die Forstexperten nicht.
Einfacher zu managen als ein Vorwald
Das Konzept bzw. Verfahren ist deutlich einfacher zu beherrschen als bspw. ein kompletter Vorwald mit Pappeln oder vergleichbaren Pionierbaumarten. Denn Pflanzdichte und Ernterhythmus müssen dort genau auf die Zielbaumart(en) abgestimmt sein. Auch sind Schäden am Unterstand, also der eigentlich Hauptbaumart, nicht immer auszuschließen, wenn die Energiebäume genutzt werden. Aber auch ein Vorwald bringt zahlreiche positive Effekte für die Entwicklung der Zielbaumarten, die über die Vorteile der Streifen auf den Rückegassen hinausgehen, so die Fachleute von Energy Crops. Experte Höher ist fest davon überzeugt, dass die Vorteile der Pappelreihen auf den Gassen überwiegen.
Gerd Höher rechnet vor: „Bei einem Abstand von 20 m und einer üblichen Breite von 4 m entfallen immerhin 20 % der Fläche auf die Rückegassen. Bei 30 m Abstand sind es noch 15 %, bei 40 m noch 10 %.“
Das heißt, dass in üblichen Systemen bis zu 20 % temporär für den Anbau von Energieholz zur Verfügung stünden. Der Waldbesitzer hätte also relativ schnell ein Einkommen von seiner neu bepflanzten Fläche. Auf Standorten mit einem Schirm aus Altbäumen empfiehlt der Berater übrigens, jede dritte Gasse nicht zu bepflanzen. Zu diesen Gassen lassen sich dann die Bäume beim Einschlag motormanuell zufällen.
Bevor die Versuchsreihen gepflanzt werden konnten, musste der Schlagabraum auf den Gassen gemulcht werden. Diese recht teure Maßnahme ließe sich vermeiden, wenn schon vor der Räumung bekannt ist, dass die Gassen bepflanzt werden sollen.
Pflanzung per Bagger
Ein Bagger hat beim Stecken der 1,80 m langen Ruten mit einem ca. 60 cm langen Keil oder Spaten unterstützt. Die Pflanztiefe betrug dementsprechend ca. 60 cm. Es kamen die Pappel-Hybridsorten Matrix, Hybride 275, Bakan und Vesten zum Einsatz. Die Pappelhybriden sind nach FoVG für den Einsatz im Wald zugelassen und stammen meist aus Südeuropa. Dort wird ihr Holz für Obstkisten und als Schälfurnier für Camembert-Verpackungen genutzt.
Aktuelle Sorten haben eine bessere Trockenheitsresistenz und höhere Zuwächse als bis ca. 2010 genutztes Pflanzenmaterial, das meist aus Züchtungen der 70er-Jahre stammte. Sie sind überdies meist unempfindlicher gegen den Pappelblattkäfer.
Im Versuch stehen die Pappeln mittig auf der Gasse mit einem Abstand von 2 m in der Reihe. Mit mehr Erfahrung würden die Experten heute wahrscheinlich in einer Doppelreihe mit 1,50 m Abstand und im Dreiecksverband pflanzen. Auch wäre der Einsatz kürzerer Ruten eine Option. Kleine Ruten kosten etwa 1 €/Stück, lange Ruten etwa das Doppelte.
Auf der Versuchsfläche ist die Hälfte der Pflanzen mit einem Einzelbaumschutz versehen, die andere Hälfte nicht. Bei seiner letzten Bonitur im Frühsommer 2023 hat Gerd Höher einen Verlust von 20 % bei den ungeschützten Bäumen durch Fegeschäde festgestellt. Bei unserem Besuch schien sich der Schaden noch erhöht zu haben. Dass die Tiere besonders komfortabel über die frisch gemulchten Streifen von Baum zu Baum laufen konnten, hat den Schaden deutlich begünstigt.
Dagegen lag die Anwuchsrate bei den geschützten Bäumen bei rund 98 %. Die feuchte Witterung ab Sommer 2023 hat das sicher unterstützt.
Beim Einzelbaumschutz hat das Team für den Versuch auf verrottbare Hüllen aus beschichteter Pappe gesetzt. Das Material hat sich nicht bewährt. Schon nach weniger als einem Jahr waren viele der Hüllen durchgeweicht und nicht mehr stabil. Sie sollten aber zwei bis drei Jahre durchhalten, bis die Pappeln nicht mehr gefährdet sind.
Die Energiepappeln sollen genutzt werden, wenn sie ca. 20 cm Durchmesser erreicht haben. Die Experten rechnen mit zwei bis drei Umtrieben, bis die Kronen der Zielbaumarten die Gasse schließen. Der Zeitraum liegt im Bereich von 16 bis 20 Jahren.
Der Zuwachs ist stark abhängig von den Standortfaktoren wie Feuchte, Nährstoffe usw. Pro Hektar Pappelfläche sind unter guten Bedingungen pro Jahr 7 bis 10 t-atro (absolut trocken, ähnlich TS) möglich. Im Rückegassen-Anbau mit 20 m Abstand entspricht das dem Zuwachs auf 5 ha Bestandsfläche (20 % Gassenanteil auf der Fläche).
Ernte mit Forstmaschinen
Die Ernte läuft mit bewährten Forstmaschinen, entweder mit einem Kneifer an einem Bagger oder einem kleineren Harvester (Vorteil: Äste werden entfernt, bessere Hackschnitzelqualität). Die Maschinen legen das Holz am Rand der Gasse ab, eine Rückezug holt es aus dem Bestand zum Hacker.
Obwohl der Wassergehalt recht hoch ist, lohnt sich der Transport. Jan Grundmann von Energy Crops verweist auf den günstigen Primärenergiefaktor der Hackschnitzel aus dem selbst angebauten Agrarholz des Unternehmens. Dieser liege bei 0,059, das heißt weniger als 6 % des Energiegehaltes werden in Form von fossiler Energie (vor allem Diesel) für die Vorkette, also die Ernte, Aufbereitung und den Transport verwendet. Ariane Moser, Försterin und Portfoliomanagerin im Unternehmen stellt die Eckpunkte heraus: „Für Energy Crops ist ein Lkw-Transport bis zu 70 km noch wirtschaftlich. Bei weiteren Distanzen setzen wir auf Binnenschiffe. Neue Biomasse-Heizwerke in Berlin werden an Wasserstraßen gebaut.“
Die Suchräume nach geeigneten Flächen für den Anbau liegen ebenfalls in Fluss- oder Kanalnähe. Derzeit konzentriert sich das Unternehmen auf die Bundesländer Brandenburg, südliches Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und östliches Niedersachsen.
Das Unternehmen sucht aktuell Waldbesitzer, die interessiert sind, in Zusammenarbeit mit Energy Crops Rückegassen zu bewirtschaften. Geschäftsführer Jan Grundmann betont, dass das Ertragsrisiko bei seinem Unternehmen liegt. Neben einer Vergütung für die Nutzung der Forstfläche profitieren die Waldeigentümer von oben genannten positiven Effekten. Zu der konkreten Vergütung mochte sich das Unternehmen bei unserem Ortstermin noch nicht äußern. Das Geschäftsmodell sei aktuell noch im Aufbau. Ein entscheidender Faktor werden auch die Standortbedingungen und damit der mögliche Zuwachs sein.
In dieser Saison hat das Team von Energy Crops den Versuchsanbau weiter ausgedehnt. „Wir sind von unserer Idee überzeugt und glauben, dass wir den Eigentümern der aufgeforsteten Flächen einen echten Mehrwert bieten können“, fasst Geschäftsführer Jan Grundmann zusammen. Interessierte Waldeigentümer finden die Kontaktinfos unter www.energycrops.de