Ab 2022 darf laut neuer EU-Bioverordnung Biogeflügel- und -schweinefutter keine konventionellen Komponenten mehr enthalten. Nur für Jungtiere gibt es Ausnahmen. Was bedeutet 100 %-Biofutter für den Preis?
Zankl: Wir bei Bioland gehen von steigenden Futterpreisen aus. Die konventionellen Eiweißkomponenten Kartoffeleiweiß und Maiskleber sind in Biofuttermischungen ab 2022 verboten. Die Futtermühlen schwenken dann auf teureren Bioölkuchen um. Dazu fehlt Ware aus Umstellungsbetrieben, die als Futtermittel einsetzbar ist. Viele haben die Umstellungszeit jetzt hinter sich.
Woher kommt die Preissteigerung?
Zankl: Konventioneller Maiskleber und Kartoffeleiweiß sind hochkonzentrierte Eiweißlieferanten mit hoher Eiweißqualität. Da können Bioölkuchen von Sonnenblumen und Soja nicht mithalten. Sie enthalten nach dem rein mechanischen Pressen immer Restmengen Öl und besitzen geringere Eiweißqualität. Die Futtermühlen müssen von diesen Biokuchen größere Mengen einmischen, damit Biotiere genügend essenzielle Aminosäuren bekommen. Solange der Lysinbedarf der Schweine oder der Methioninbedarf der Hühner nicht gedeckt ist, nützen hohe Eiweißmengen im Futter nichts. Die Rinderfutterrezepturen werden sich ändern, da dort tendenziell weniger Ölkuchen eingesetzt werden.
Welche Rolle spielen Bioackerbohnen und Bioerbsen?
Zankl: Sie haben eine relativ geringe Proteinqualität und die Aufnahme ist bei Geflügel und Schwein teilweise begrenzt. Sie können die Lücke nicht füllen. Dennoch werden heimische Ackerbohnen, Erbsen und Lupinen gefragt sein. Vor dem Anbau sollte man sich mit seinen Marktpartnern abstimmen.
Woher kommen nächstes Jahr Sonnenblumen- und Sojakuchen?
Zankl: Die Biolandverarbeiter müssen vorerst zusätzlich Soja- und Sonnenblumen in der EU kaufen, weil der Anbau bei unseren Biolandbetrieben derzeit nicht ausreicht. Aber Bioland kontrolliert auch dort die Einhaltung der Bioland-Richtlinien.
Wie sieht es auf dem Markt aus?
Zankl: Es wird einen Wettlauf um Rohstoffe geben. Denn 100 %-Biofutter gilt in der gesamten EU und für alle Biobetriebe. Vor allem die EU-Biobetriebe bezogen bislang Rohstoffe aus Übersee, doch ausgerechnet jetzt schwächelt der Welthandel. Manche Länder exportieren auch nicht mehr, weil sie zunächst ihren eigenen Bedarf decken. Daher wird sich der EU-Biomarkt verstärkt ebenfalls aus europäischem Bioanbau versorgen müssen und für mehr Konkurrenz sorgen.
Sollten Ackerbauern jetzt auf Sonnenblumen und Soja setzen?
Zankl: Die Eiweißverknappung bietet auch Potenzial, die Erzeugung anzukurbeln. Zudem stützt bei Bioland ein zweiter Trend den Markt für Sonnenblumen: Die Nachfrage nach Bioland-Sonnenblumenöl wächst deutlich, abgeschwächt gilt das auch für Bioland-Sojaöl. Bislang war das Öl aus der Bioölkuchenpressung eher ein Nebenprodukt. Da sich das gerade ändert, können viele Biobauern die Fruchtfolge erweitern und in Absprache mit einem Marktpartner Sonnenblumen oder Soja zusätzlich anbauen.
Wie viel Kartoffeleiweiß und Maiskleber in Bioqualität gibt es?
Zankl: Derzeit entsteht nur wenig Biokartoffeleiweiß in der Stärkeherstellung. Die konventionelle Lebensmittelindustrie verwendet Kartoffel- oder Maisstärke in vielen Produkten. Ob der Biomarkt jemals so einen hohen Absatz erreicht, ist fraglich. Große deutsche Stärkehersteller tasten sich erst an die Biostärkeproduktion heran.
Welche anderen Proteinquellen gibt es?
Zankl: Auch Ölkuchen aus Raps, Lein oder Leindotter können interessant sein. Denkbar ist, Erbse und Ackerbohne thermisch besser aufzuschließen und deren extrahierte Stärke anderweitig zu verwenden. Man könnte auch im Getreideanbau intensiver Richtung Protein- und Aminosäurengehalt arbeiten. Dies gilt auch für Kleegras und Luzerne zur Trocknung. Ebenso könnten Grünleguminosenkonzentrate ein Potenzial bieten.
Das Interview führte Brigitte Stein, bioland-Fachmagazin 10/2021