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„Biokraftstoffe: Wir brauchen auch praxistaugliche Lösungen für Landmaschinen im Bestand“

Pflanzenöl, Biodiesel oder Biomethan haben sich als Alternativen zum Diesel bewährt. Nicht die Technik, sondern die Rahmenbedingungen hemmen den Einsatz, erklärt Dr. Edgar Remmele vom TFZ.

Lesezeit: 11 Minuten

Das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) aus dem bayerischen Straubing forscht in diesem Jahr seit 50 Jahren an nachwachsenden Rohstoffen, u.a. an Biokraftstoffen und anderen alternativen Antrieben von Landmaschinen. Neue politische Rahmenbedingungen und technische Entwicklungen sorgen dafür, dass das Thema wieder sehr präsent ist. Wir sprachen mit Dr. Edgar Remmele, Leiter Abteilung Erneuerbare Kraftstoffe und Materialien am TFZ, über die verschiedenen Optionen und Herausforderungen.

Das TFZ forscht seit 50 Jahren u.a. an alternativen Kraftstoffen für die Landwirtschaft. Es gab in der Vergangenheit viele Entwicklungen, u.a. mit Pflanzenöl, die aber alle wieder in die Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Bleibt das Thema für Sie dennoch aktuell?

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Remmele: Auf jeden Fall. Mit jedem Tag, der vergeht, nimmt der Druck gegen den Klimawandel was zu tun, zu. Leider nehmen die Ziele beim Klimaschutz hinsichtlich dem Dieseleinsatz in der Landwirtschaft häufig nur die Elektrifizierung oder das Energiesparen ins Visier. Nicht jede landwirtschaftliche Maschine ist jedoch batterieelektrisch zu betreiben.

Wir müssen einen Verbrauch von jährlich rund 2 Mrd. Liter Diesel in der Landwirtschaft Zug um Zug ersetzen. Das würde nicht nur dem Klimaschutz helfen, sondern könnte auch ein Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Antriebsenergie sein. Denn ohne funktionierende Landmaschinen gibt es keine Lebensmittel.

Wir hätten heute schon praxistaugliche, heimische Optionen wie Pflanzenöl, Biodiesel oder Biomethan. Das wäre vor allem für den Altmaschinenbestand wichtig. Je größer dieser wird, desto mehr stellt sich die Frage, welche klimaschonenden Kraftstoffe künftig zum Einsatz kommen können.

Warum sehen Sie im Altbestand ein Problem?

Remmele: Das ist ähnlich wie bei der bestehenden Pkw-Flotte: In der öffentlichen Diskussion geht es meist nur um Neufahrzeuge, die möglichst elektrisch angetrieben werden sollen. Aber selten wird an den bestehenden Fuhrpark gedacht. Wir haben rund 280.000 landwirtschaftliche Zugmaschinen in Deutschland im Bestand. Hinzu kommen selbstfahrende Maschinen wie Häcksler und Mähdrescher.

Pro Jahr wird aber nur ein geringer Anteil am Maschinenpark ausgetauscht. Viele Traktoren und Mähdrescher sind 20 Jahre und länger auf den Höfen in Nutzung. Für sie brauchen wir eine praxistaugliche Lösung, die auch rechtlich sicher sein muss.

Es kann ja nicht sein, dass jeder Landwirt für seine Bestandsmaschinen beim TÜV die Freigabe für einen neuen Kraftstoff beantragen muss. Derzeit suchen die zuständigen Behörden im Dschungel der Zuständigkeiten nach einer hoffentlich praxisgerechten Lösung. Da brauchen wir endlich Klarheit.

Warum wird das Problem nicht breiter diskutiert?

Remmele: Das geschieht bereits, z.B. in der Arbeitsgruppe "Antriebsysteme für landwirtschaftliche Maschinen" des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL). In dieser ist nicht nur das TFZ aktiv, sondern auch die TU Braunschweig und die TU Darmstadt, das Deutsche Biomasseforschungszentrum, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), das Umweltbundesamt, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) oder der Motorhersteller Deutz und die landwirtschaftliche Praxis sind vertreten. Demnächst gibt es eine Veröffentlichung zu den technischen Möglichkeiten, Potenzialen und Handlungsoptionen.

Welche Konzepte sind aus Ihrer Sicht geeignet?

Remmele: Zunächst möchte ich voranstellen, dass wir am TFZ die unterschiedlichen Kraftstoffoptionen nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Ergänzung. Wir brauchen alle Optionen, um dem Klimawandel schnell zu begegnen. Und jeder landwirtschaftliche Betrieb hat andere Anforderungen und Voraussetzungen.

Nach wie vor halten wir Pflanzenöl für den kostengünstigsten flüssigen alternativen Kraftstoff für die Landwirtschaft. Diesen können Landwirte nicht nur verhältnismäßig einfach selbst herstellen und lagern, sondern auch das anfallende Koppelprodukt, also den Presskuchen, als Futtermittel einsetzen oder verkaufen.

Mit den immer wieder weiterentwickelten Pflanzenöltraktoren von John Deere gibt es zudem Rückhalt aus der Industrie für diesen Kraftstoff, der genormt und in Feldtests und am Prüfstand seit über 20 Jahren erprobt wird. Alle Befürchtungen von Anfang der 2000er-Jahre, dass z.B. die Common-Rail-Einspritzung damit nicht funktioniert oder Emissionsstandards nicht eingehalten werden, haben sich als unbegründet herausgestellt.

Voraussetzung ist, dass das Motormanagement an den Pflanzenölkraftstoff angepasst wird. Weitere Vorteile sind, dass der Kraftstoff biologisch abbaubar und nicht giftig ist und daher sowohl für Arbeiten auf dem Feld und im Forst, insbesondere in Wasserschutzgebieten, prädestiniert ist.

Eine Alternative wäre Biodiesel, bei dem der Motor nicht so stark angepasst werden müsste.

Remmele: Ja, auch Biodiesel gehört in den Kraftstoffreigen für Landmaschinen. Biodiesel lässt sich aber in der Landwirtschaft nicht so einfach dezentral herstellen. Es sind zusätzliche Chemikalien wie Methanol oder Katalysatoren. Für Biodiesel spricht, dass er einfach eingesetzt werden kann und dass es in Deutschland bereits Produktionskapazitäten gibt. Lediglich geringe Leistungseinbußen sind zu erwarten, sofern das Motorsteuergerät nicht angepasst wird.

Mit der zunehmenden Elektrifizierung im Pkw-Bereich wird der Dieselabsatz sinken. Da Biodiesel mit bis zu 7 % im Diesel enthalten ist, wird also auch weniger für die Beimischung benötigt. Die freiwerdenden Mengen könnten als Reinkraftstoff sinnvoll in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, ohne dass der Verbrauch insgesamt von Biodiesel in Deutschland steigen würde.

Immer wieder wird auch Hydriertes Pflanzenöl (HVO) als Alternative genannt. Wie bewerten Sie das?

Remmele: Wir haben in einem Forschungsvorhaben am TFZ untersucht, ob der paraffinische Dieselkraftstoff HVO aus Rest- und Abfallstoffen eine der möglichen Alternativen zu fossilem Diesel in der Landwirtschaft sein kann.

Positiv ist, dass er sofort ohne technische Anpassungen eingesetzt werden kann. Nachteilig ist dagegen, dass es für den Kraftstoff in Deutschland keine Produktionsanlagen gibt, er also zu 100 % importiert werden muss, und dass selbstverständlich auch die Potenziale an Rest- und Abfallstoffen begrenzt sind.

Paraffinscher Dieselkraftstoff wird aber auch aus frischen Pflanzenölen sowie aus fossilem Erdgas und Kohle hergestellt. Diese Optionen sind alle durch die Kraftstoffnorm abgedeckt. Zudem gibt es noch rechtliche Hürden bezüglich Fahrzeugfreigaben und Energiesteuerrückvergütung oder dem Verkauf an der Tankstelle, der heute noch nicht gestattet ist. Letzteres soll sich aber wohl demnächst ändern.

Für die Herstellung von HVO wird viel Energie und erneuerbarer Wasserstoff benötigt, was sich auch in den Herstellungskosten bemerkbar macht. Derzeit wird HVO rund 15 bis 20 Cent pro Liter teurer als Dieselkraftstoff abgegeben. Am Ende wird der Kraftstoff, auch aufgrund politischer Weichenstellungen zur Treibhausgasminderung, wohl eher in der Luftfahrt genutzt werden, und eher nicht in der Landwirtschaft.

Sehen Sie denn auch Potenzial für elektrische Maschinen in der Landwirtschaft?

Remmele: Ja, vor allem in der Innenwirtschaft, also beispielsweise bei Hofladern oder Futtermischwagen. Wenn Landwirte Solarstrom selbst erzeugen, ist das ein konkurrenzlos günstiger 'Kraftstoff'. Und sollten die Anschaffungskosten für die elektrischen Maschinen sinken, wird das ein Selbstläufer.

Mittlerweile sind ja einige New Holland-Traktoren mit Gasantrieb im Einsatz. Zudem gibt es interessante Tankstellenkonzepte. Wie bewerten Sie Biomethan als Kraftstoff?

Remmele: Wer eine Biogasanlage besitzt oder in der Nachbarschaft hat, für den ist das sicherlich ein sinnvolles Konzept. Aber mit der Biogasanlage ist es nicht getan: Man benötigt zwischen dem Biogas und dem Traktortank noch eine Gasaufbereitung, um das CO₂ zu entfernen und den Methangehalt von 50 auf 90 % und mehr zu erhöhen. Dazu kommt noch ein Kompressor, um das Gas zu verdichten. Das führt zu höheren Investitionskosten. Damit sich so ein Konzept lohnt, ist der Absatz von Methan allein an Traktoren kaum ausreichend. Sinnvoll ist es, wenn man zusätzlich Kunden hat, die Lkw oder Busse regelmäßig tanken. Und dafür ist es wichtig, dass die Tankstelle nicht einsam irgendwo am Aussiedlerhof steht, sondern verkehrsgünstig liegt.

Fendt hat in diesem Jahr ein Forschungsprojekt mit Wasserstoff als Kraftstoff für einen Traktor mit Brennstoffzelle gestartet. Sehen Sie darin auch einen gangbaren Weg?

Remmele: Hier muss man zunächst einordnen: Während Pflanzenöl, Biodiesel und Biomethan heute schon praxistauglich und mitunter wirtschaftlich sind, stehen wir beim Wasserstoff noch ganz am Anfang, sind also noch viele Jahre von der Marktreife entfernt. Die Liste der ungelösten Fragen ist lang. Denn wir haben einen Kraftstoff mit geringer Energiedichte bezogen auf das Volumen, auch wenn das Gas schon auf bis zu 700 bar verdichtet wurde.

Zudem hat eine Brennstoffzelle einen hohen Kühlungsbedarf und ist anfällig für Erschütterungen, Staub oder auch Ammoniak-Emission. Das alles macht den Einsatz in der Landwirtschaft schwierig. Am Ende muss man sich die Frage stellen, ob wir den wertvollen Wasserstoff nicht höherwertig und sinnvoll zunächst in der Industrie als Rohstoff einsetzen sollten als in Fahrzeugen, wo es genügend andere Alternativen gäbe.

Wie bewerten Sie die ungleiche Entwicklung der großen Landmaschinenhersteller: Gibt es irgendwann ein Kopf an Kopf-Rennen, wer die Nase vorn hat? Oder wird es parallele Lösungen geben plus Elektroantrieb für Hofmaschinen?

Remmele: Natürlich wäre es in der Praxis kaum vorstellbar, dass ein größerer Ackerbauer oder Lohnunternehmer vier verschiedene Traktoren mit unterschiedlichen Kraftstoffarten auf dem Hof stehen hätte. Aus meiner Sicht werden schon aus Kostengründen von den Landwirten die Möglichkeiten der Elektrifizierung ausgeschöpft und hinzugesellen werden sich je nach örtlichen Gegebenheiten und Anforderungen ein oder maximal zwei der zuvor genannten Kraftstoffe Pflanzenöl, Biodiesel und Methan.

HVO wird, falls kostengünstig verfügbar, möglicherweise im Altmaschinenbestand eine wichtige Rolle spielen. Die Praxis wird zeigen, welches Konzept sich durchsetzt. Und nicht nur die Nachfrage aus der Landwirtschaft an sich spielt bei den künftigen Entwicklungen eine Rolle, sondern auch der vor- und nachgelagerte Bereich. Denn auch der Lebensmittelbereich will den ökologischen Fußabdruck verbessern. So suchen beispielsweise Molkereien oder Zuckerfabriken nach Wegen, den Transport von Milch oder Rüben klimaneutral zu gestalten. Aber auch der Bausektor, Kommunen und andere regionale Wirtschaftszweige suchen Lösungen.

Was muss die Politik jetzt anpacken, damit es endlich zu einer Lösung kommt?

Remmele: Das Wichtigste ist Planungssicherheit für die Industrie, die ja entsprechende Maschinenkonzepte entwickeln muss, die dann auch nachgefragt werden. Aber auch für die Landwirte ist das entscheidend. Kontraproduktiv war und ist beispielsweise das jahrelange Ringen um die Fortführung der Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft, die nun Anfang 2022 ausgelaufen ist.

Ähnliche Verunsicherungen gibt es jetzt im Rahmen der geplanten neuen Energiesteuerrichtlinie der EU. Gut wäre aus meiner persönlichen Sicht ein Vorgehen wie es in Frankreich diskutiert wird und das wir vor Jahren auch schon einmal vorgeschlagen haben: Dabei soll die Steuerermäßigung für fossile Kraftstoffe in der Landwirtschaft über einen langen Zeitraum stufenweise reduziert und die Einsparungen für die Förderung von erneuerbaren Antriebsenergien verwendet werden.

Eher mit Bedenken sehen wir das Vertrauen auf den Marktanreiz über die THG-Quote im Verkehrssektor, die gerade den Biomethanmarkt beflügelt. Sie stellt aus unserer Sicht für die Umstellung der Antriebe in der Landwirtschaft kein langfristig verlässliches Instrument dar.

Aber liegt darin nicht eine Chance gerade für die dezentrale Kraftstoffproduktion, also für die Landwirte?

Remmele: Auf den ersten Blick schon, aber dieses Geschäftsmodell mit Erlösen aus der THG-Quote ist ja von sehr vielen Rahmenbedingungen abhängig: Wird elektrischer Strom einfach oder mehrfach auf die Quote angerechnet? Wie erfolgt die Weichenstellung bei der Quotenanrechnung für Kraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen sowie aus Anbaubiomasse? Wie entwickelt sich der Absatz von Elektrofahrzeugen? Wird es für weitere Verkehrssektoren Unterquoten für besonders fortschrittliche Kraftstoffe mit Mehrfachanrechnung geben? Und so weiter. All dies nimmt Einfluss auf die Quotenerlöse und damit auf die Kraftstoffpreise.

Was halten Sie von der Lösung, den Beimischungsanteil von Biodiesel oder Bioethanol in fossilen Kraftstoffen zu erhöhen?

Remmele: Das ist aus meiner Sicht für die Umstellung der landwirtschaftlichen Maschinen nicht zielführend. Denn die neuen Maschinen bräuchten ja für die jeweiligen Beimischungsverhältnis wie B10, B20 und B30 oder E20 auch die entsprechenden Freigaben der Motorhersteller, damit es keine technischen Probleme gibt. Und die Landwirte wären mit der Vielfalt an Kraftstoffarten überfordert. Zudem läuft der Landwirtschaft für die Umstellung ihres Dieselkraftstoffverbrauchs auf erneuerbare Antriebsenergien aufgrund der langen Nutzung ihrer Maschinen die Zeit davon. Ich halte es daher für praktikabler, sich konsequent auf heute bereits verfügbare klimaschonende Rein-Kraftstoffe zu konzentrieren.

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