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Bioökonomie bietet Landwirten Chancen

Nicht jeder Kreislauf in der Landwirtschaft stellt schon das ökonomische und ökologische Optimum dar. Die Bioökonomie kann dort unterstützen.

Lesezeit: 7 Minuten

Getreidestroh, Maisspindeln, Gärreste: In der Landwirtschaft fallen neben den produzierten Rohstoffen eine Reihe natürlicher Nebenprodukte an. Abfall sind sie damit nicht. Im Gegenteil: In der Regel werden sie dem Kreislauf wieder sinnvoll zugeführt, etwa als Einstreu, Futter oder Dünger.

Damit ist die Landwirtschaft immer eine Kreislaufwirtschaft gewesen. Und genau das ist der Grundgedanke der Bioökonomie: Einen Kreislauf entwickeln für eine energie- und ressourcenschonende und zukunftsfähige Wirtschaftsweise, die auf nachwachsenden und biogenen Rohstoffen statt auf fossilen basiert.

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Das Thema ist aktueller denn je. In dem Konzept sehen Experten Potenzial, zum Klimaschutz und zur Unabhängigkeit fossiler Ressourcen beizutragen. „Die Bioökonomie umfasst alle Wirtschaftszweige, die biobasierte Rohstoffe herstellen und verarbeiten, also neben der Land- und Forstwirtschaft z. B. den Chemie- oder Lebensmittelsektor oder die Papierindustrie“, so Franziska Schünemann, Leiterin des Fachgebiets Bioökonomie an der Uni Hohenheim. Wir zeigen, welche Chancen die Bioökonomie Landwirten bieten kann.

Ideen aus der Praxis

In der Landwirtschaft gibt es auch außerhalb des eigenen Hofs Möglichkeiten, neue Kreisläufe zu (er)schließen. Das zeigt etwa Landwirt Heinrich Meusel, der „Heu Heinrich“ aus dem Thüringer Wald. Er verarbeitet sein Bio-Bergwiesenheu zu Heuprodukten wie Einstreu für Kleintiere, Heu-Pellets oder Naturkosmetik. Seine Ware vertreibt er deutschlandweit. Der Landwirt zeigt, dass sich Heu vielseitig nutzen lässt – sogar als Baustoff.

Die größten Herausforderungen lagen im Aufbau einer Vermarktung und in der Finanzierung der neuen Standbeine. - Heinrich Meusel

Mit einer mobilen Anlage produziert er Heustränge, die zur Hangbegrünung oder als Erosionsschutz dienen. Dazu arbeitet er mit ortsansässigen Unternehmen und Landwirten zusammen. Für die Idee wurde er beim Wettbewerb „Bioökonomie in Mittelgebirgen“ des Deutschen Verbands für Landschaftspflege ausgezeichnet.

Doch der Weg zu diesem Erfolg war, wie so oft, lang. „Die größten Herausforderungen lagen im Aufbau einer Vermarktung und in der Finanzierung der neuen Standbeine“, sagt er. Auch der Eintritt in den Markt war nicht leicht. Anderen Landwirten rät Meusel, in weiteren Branchen Ausschau nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für die eigenen Rohstoffe zu halten.

Der Heu-Heinrich ist nur eins von vielen Beispielen. Land- und Forstwirtschaft gelten als tragende Säulen der Bioökonomie. Hier fallen unzählige biologische Stoffe von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen an. Die Bioökonomie ist vor allem an den neuen Kreisläufen interessiert, die noch nicht so etabliert sind. Dabei ist die stoffliche Verwendung von landwirtschaftlichen Biomassen besonders interessant (siehe Abbildung), z. B. nachhaltige Dämmstoffe aus Hanffasern.

Mithilfe moderner Produktionstechniken ist das heute kaum noch ein Problem. Erste Unternehmen haben sich bereits erfolgreich am Markt positioniert, so z. B. das bayerische Unternehmen Landpack. Es produziert und vertreibt Isolierverpackungen aus Stroh. Pro Jahr verarbeitet das Unternehmen rund 5.000 Quaderballen, die es von Vertragslandwirten aus der Region bezieht. Studien beziffern das Potenzial von Getreidestroh für außerlandwirtschaftliche Zwecke mit rund 10 Mio. t Frischmasse pro Jahr, das entspricht rund einem Drittel der in Deutschland anfallenden Gesamtmenge.

Stroh lässt sich im Übrigen auch energetisch nutzen. Zum Beispiel als Biokraftstoff. Der Chemiekonzern Clariant stellt in Rumänien aus Stroh Cellulose-Ethanol her – ein nachhaltiger Kraftstoff, der in der Fahrzeugindustrie verwendet werden kann. Abnehmer des Ethanols ist Shell. Darüber hinaus eigne es sich zur Herstellung von nachhaltigem Flugzeugtreibstoff oder biobasierten Chemikalien. Um die Versorgung mit den jährlich eingesetzten 250.000 t Stroh zu sichern, schloss man Verträge mit 300 regionalen Landwirten.

Rohstoffe mit Potenzial

Grundsätzlich sehen Fachleute in den landwirtschaftlichen Nebenprodukten viel Potenzial, da sie ohnehin anfallen und nicht in Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln stünden. Das sagt auch Dr. Anna Stumpf, Leiterin der Geschäftsstelle Fraunhofer Strategisches Forschungsfeld Bioökonomie. Das Potenzial agrarischer Nebenprodukte wird hierzulande mit ca. 86 bis 140 Mio. t Trockenmasse pro Jahr beziffert. Davon werden heute zwischen 66 und 84 % genutzt. Somit bleibe ein nutzbares Potenzial von ca. 14 bis 48 Mio. t Trockenmasse, wie das Deutsche Biomasseforschungszentrum ermittelt hat.

Getreidestroh, Rindermist, Rindergülle, Grüngut sowie Waldrestholz (Nadeln) bieten demnach die größten Nutzungsmöglichkeiten. Allgemein gilt aber: Qualität und Eigenschaften schwanken, die regionale Verfügbarkeit auch. Um Stoffe erschließen zu können, seien logistische, organisatorische und technische Innovationen nötig. 

Herausforderungen, die der Landwirtschaftsbetrieb Schlembach aus Bayern erfolgreich bewältigt hat. Zusammen mit zehn anderen Schafbetrieben vermarktet er die Wolle, ein Nebenprodukt der Schafhaltung, als Langzeitdünger in Form von Pellets. Die Wolle liefern die Betriebe an die Firma Nature Power Pellets, die sie hygienisiert und presst. Bei der Vermarktung unterstützt der Verein Natur- und Lebensraum Rhön. Das Standbein mache die Schafhaltung ein Stück wirtschaftlicher.

Akteure vernetzen

In der Praxis liegt die Herausforderung oft darin, die verschiedenen Akteure zu vernetzen. Der Landwirt, die Mühle und das Start-up mit Verarbeitungsidee müssen erst einmal den Weg zueinander finden. Und wer Kreisläufe schließen will, steckt zuerst viel Arbeit in die Entwicklung von Produkt- und Prozessinnovationen, die aus Rohstoffen marktreife Produkte werden lassen.

Wenn die gesamte Wirtschaft ‚defossilisiert‘ werden soll, müssen die Rohstoffe dennoch vom Acker kommen. Dafür braucht es die Landwirte. - Bernd Lüttgens

Im (einstigen) Braunkohlegebiet im Rheinland wird daran gearbeitet. Hier entwickeln Forschung, Industrie, Kommunen, Gesellschaft und Landwirtschaft in 15 „Innovationslaboren“ neue Konzepte. Bernd Lüttgens, stellvertretender Geschäftsführer des Rheinischen Landwirtschaftsverbands, sieht darin Chancen für Landwirte. „Neben der Erzeugung von Rohstoffen gewinnt die Reststoffverwertung an Bedeutung.“

In einem der Projekte geht es um den Anbau von Heil- und Medizinalpflanzen für die Pharma- und Kosmetikindustrie. Landwirte testeten dazu den Anbau von Färberdistel und Kapuzinerkresse. Lüttgens hofft, dass sich so auch die Spannungsfelder zwischen Landwirtschaft und Naturschutz versöhnen. „Wenn die gesamte Wirtschaft ‚defossilisiert‘ werden soll, müssen die Rohstoffe dennoch vom Acker kommen. Dafür braucht es die Landwirte.“

Wie die Vernetzung gelingen kann, zeigen auch die Projekte der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP-Agri). Im Projekt Agriplus etwa arbeitet man auf dem landwirtschaftlichen Betrieb Energie Hohenlohe GmbH & Co. KG an einer Anlage, mit der sich Wirtschaftsdünger nach Verwertung in der Biogasanlage in mineralische Dünger umwandeln lässt. Über EIP können landwirtschaftliche Betriebe Förderungen für Bioökonomie-Projekte erhalten.

Neben der Erzeugung von Rohstoffen gewinnt die Reststoffverwertung an Bedeutung. - Bernd Lüttgens

Das Prinzip „Food First“

Trotz vieler Potenziale verfolgen Fachleute und Wissenschaftler den Gedanken „Food First“: Vorrangiges Ziel ist die Ernährungssicherung, vor der stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse. Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen mache demnach vor allem auf marginalen Standorten Sinn.

Um die Potenziale der Bioökonomie umzusetzen, müssen einige Weichen gestellt werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft stellt in ihrer Roadmap Bioökonomie Handlungsempfehlungen dar. „Es gilt, ‚regulatorische Hürden‘ abzubauen, Investitionen in Technologie auf den Weg zu bringen sowie Stakeholder und Verbraucher früh einzubinden, um den Markteintritt neuer und nachhaltiger Verfahren und Produkte voranzubringen“, sagt Dr. Anna Stumpf.

Wichtig ist laut Dr. Evelyn Reinmuth, Leitung Geschäftsstelle Bioökonomie an der Uni Hohenheim, eine Infrastruktur, die den Transport von Biomasse von den Entstehungsorten zu den industriellen Verarbeitern bündelt. Letztlich würden auch gesetzliche Rahmenbedingungen entscheiden, ob Reststoffe genutzt werden können. Derzeit fallen diese sehr schnell unter das Abfallrecht, obwohl z. B. technische Verfahren sie so aufreinigen, dass sie zu neuen Produkten weiterverarbeitet werden können. Hier sei noch viel Forschung nötig.

Bioökonomische Prozesse und Produkte seien darüber hinaus nicht automatisch nachhaltig. Daher müsse man die Vorteile im Vergleich zu konventionellen Verfahren und Produkten prüfen. Auch die Preiskonkurrenz sei nicht zu unterschätzen. Produkte könnten sich nur am Markt durchsetzen, wenn Nachhaltigkeit auch einen preislichen Wettbewerbsvorteil ergebe.

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