Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) geht juristisch gegen die Genehmigung des Bayer-Pflanzenschutzmittels Fluopyram vor. Der Wirkstoff erhielt im Dezember 2023 eine sogenannte technische Verlängerung für weitere zwei Jahre. Aus Sicht des Bündnisses wurden dadurch wichtige neue Erkenntnisse über gesundheitliche Gefahren, Umwelt- und Wirtschaftsrisiken des Wirkstoffs nicht berücksichtigt.
Fluopyram, ein in der konventionellen Landwirtschaft gegen Pilzbefall eingesetztes Fungizid, wird in Deutschland in über 50 Kulturen angewendet, darunter Gemüse, Obst, Acker- und Weinbau. Trotz seines großflächigen Einsatzes seien die Risiken des Wirkstoffs, so die Begründung des BEL, nicht ausreichend erforscht und bewertet, so die Gegner.
Aufhebung der Zulassung beantragt
Die vorgeschriebene Risikoprüfung auf EU-Ebene, insbesondere durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), konnte bisher nicht abgeschlossen werden. Das Bündnis reichte nun bei der EU-Kommission einen Antrag auf Überprüfung und Aufhebung der technischen Verlängerung ein. Sollte die Überprüfung ergebnislos bleiben, will das BEL vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben.
Das BEL verweist in seinen Antrag auf eine Vielzahl von Studien, die auf potenzielle Gefahren für Umwelt und Gesundheit hinweisen sollen. So drohe die Verbreitung des Wirkstoffs über die Luft, obwohl die europäische Zulassungsbehörde EFSA den Stoff als nicht flüchtig einstuft und einen so genannten Ferntransport sogar ausschließt.
In Untersuchungen von Hausstaub wurde angeblich Fluopyram als dritthäufigstes Pestizid nachgewiesen. Stephan Paulke, Vorsitzender des BEL droht an, alle notwendigen rechtlichen Schritte zu gehen, damit das Fungizid nicht weiter eingesetzt wird.
Hintergrundpapier zur Klage
Auch das Krebsrisiko durch Fluopyram wurde nach Ansicht des BEL von den EU-Behörden nicht ausreichend bewertet. Anders als in Europa wurde Fluopyram 2012 in den USA als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Hinweise auf mögliche langfristige Schäden für insektenfressende Vögel, Bodenorganismen und andere Nicht-Zielorganismen würden die Bedenken gegenüber der Verlängerung der Zulassung verstärken. Zudem bestünden bereits seit mehr als zehn Jahren Datenlücken zur hormonschädigenden Wirkung des Fungizids auf Fische und Vögel.
Der Einsatz von Fluopyram birgt überdies auch ein wirtschaftliches Risiko und gefährdet die Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft. Denn durch die weite Verbreitung und da der Wirkstoff in der Natur nur sehr langsam abgebaut wird, sind immer wieder auch Agrarprodukte aus ökologischem Anbau mit Rückständen des Fungizids kontaminiert, schreibt das Bündnis weiter.
Nicht zuletzt stelle Fluopyram auch für die konventionelle Landwirtschaft ein Anwendungsrisiko dar. So soll es im Weinanbau bereits in mehreren europäischen Ländern zu Schädigungen an den Kulturpflanzen selbst und damit Ertragseinbußen, nachdem ein fluopyramhaltiges Mittel eingesetzt worden war. Das Fungizid schade also auch der Pflanze, die es eigentlich schützen sollte. In der Schweiz zahlte der Hersteller Bayer den betroffenen Winzern daraufhin bereits Entschädigungen in mittlerer sechsstelliger Höhe.
Ihre Meinung
Was denken Sie über das Fungizid? Ist es wirklich gefährlich bzw. haben wir ein generell zu lockeres Zulassungsverfahren in der EU oder dramatisieren die Gegner hier bloß? Schreiben Sie gern an deter@topagrar.com. Jeden Freitag veröffentlichen wir die interessantesten Meinungen.