Vergangene Woche hatte es zeitweise so ausgesehen, als ob die Novelle zum Bundestierschutzgesetz in die Warteschleife geht: Die Vorlage war plötzlich von der Tagesordnung des Bundeskabinetts geflogen und damit kam auch der Zeitplan ins Wackeln. Am Freitag dann die nächste Überraschung: Das Bundeskabinett befasste sich doch noch mit der Novelle und winkte den Entwurf durch.
Damit geht parlamentarische Verfahren in die nächste Runde. Der Bundesrat kann sich damit noch vor der Sommerpause mit dem Gesetz befassen; direkt nach der Sommerpause dürften die notwendigen Beratungen in den Gremien des Bundestages starten.
Viel Kritik von DBV und Co.
Was bei Vertretern der Ampelfraktionen im Bundestags gut ankam, freut in der Agrarwirtschaft kaum jemanden. Schon in der vergangenen Woche hatten Bauern- und Raiffeisenverband den Gesetzentwurf scharf kritisiert. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile und wieder einmal mehr Bürokratie für die heimische Landwirtschaft.
Das sieht das Agrar- und Ernährungsforum Nord- West (AEF) genauso. Dessen Vorstandsvorsitzender hat kein Verständnis für die Tierschutzpläne der Ampel. Nach seiner Einschätzung besteht nicht nur die Gefahr, dass mit den darin enthaltenen Entwürfen der Weg ausländischer Importware in den deutschen Markt nochmals erleichtert wird. Er rechnet ebenfalls damit, dass die Bundesregierung mit diesem nationalen Alleingang wissentlich einen Wettbewerbsverlust der deutschen Landwirtschaft in Kauf nimmt. „Damit widerspricht die Bundesregierung einmal mehr ihren Ankündigungen, Landwirte in punkto Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und bei Bürokratie und Kostenauflagen zu entlasten“, so Guericke.
Kleine und mittlere Betriebe werden aufgeben
Er warnt davor, dass vor allem kleine und mittlere Betriebe mit derartigen unverhältnismäßigen Auflagen nicht mehr wirtschaftlich produzieren können und damit zwangsläufig gezwungen werden, ihre Betriebe dauerhaft aufzugeben. Damit eröffne die Bundesregierung ausländischen Marktteilnehmern neue Marktchancen zu Lasten der deutschen Landwirtschaft. Das AEF spricht sich im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens für eine stärkere Berücksichtigung wissenschaftlicher und praxistauglicher Erkenntnisse aus.
SPD-Politikerin Hennig: Defizite im Tierschutz angehen
Aus Sicht der Tierschutzbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Anke Hennig, ist die Novelle des Bundestierschutzgesetzes hingegen auf einem guten Weg. Denn nach ihrem Verständnis gibt es beim Tierschutz immer noch Defizite, die dringend angegangen werden müssen. Damit können wir nun in ein konstruktives parlamentarisches Verfahren einsteigen, an dessen Ende für die SPD-Fraktion substanzielle Verbesserungen für unsere Nutz- und Heimtiere und andere Tiere stehen müssen.
Anbindehaltung wird verboten
Aber was steckt eigentlich in der Gesetzesnovelle? Geplant sind nach jetzigem Stand etliche Verschärfungen für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung und die Schlachtbranche. Besonders deutlich wird das in der Anbindehaltung:
Die wird– egal ob bei Eseln, Ziegen oder Rindern – grundsätzlich untersagt. Wegen der hohen Bedeutung dieser Haltungsform für die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften in Süddeutschland gibt es allerdings eine zehnjährige Übergangsfrist ab Inkrafttreten des Gesetzes. Unter bestimmten Voraussetzungen bleibt zudem die „Kombihaltung“ erlaubt.
Konkret bedeutet das: maximal 50 Tiere pro Betrieb und verpflichtende Weidehaltung. Neu hinzugekommen war zuletzt auch, dass die Erlaubnis zur Kombihaltung nicht mehr mit dem altersbedingten Ausstieg des Halters endet. Stattdessen kann der Hofnachfolger diese weiterbetreiben. Bei einer Neugründung des Betriebs verfällt die Genehmigung aber.
Weitere Maßnahmen im Agrarsektor betreffen unter anderem:
Ausbrennen von Hornanlagen bei Kälbern: Für diese Eingriffe ist künftig eine Betäubung zwingend notwendig
Verpflichtung zu Videoaufzeichnungen in tierschutzrelevanten Bereichen von Schlachthöfen
Neue Vorgaben zu nicht-kurativen Eingriffen: Das Schwänzekupieren von Lämmern ist künftig verboten. Bei Ferkeln gelten konkretere Vorgaben für das Kupieren der Schwänze.
Qualzucht-Regeln nachgeschärft
Hinzu kommen Verschärfungen zur Qualzucht. Die seit langem bestehenden Regeln zur Qualzucht, die bereits 1986 eingeführt und 2013 konkretisiert wurden, werden um eine nicht abschließende Liste mit möglichen Symptomen der Qualzucht ergänzt. Dazu gehören Symptome wie Blindheit, Taubheit oder Atemnot, wenn sie erblich bedingt sind und zu Schmerzen und Leiden bei den Tieren führen. Damit wird der Vollzug des Qualzuchtverbots durch die Bundesländer gestärkt. Das Züchten gesunder Tiere bleibt erlaubt, es geht nicht um das pauschale Verbot von bestimmten Rassen.
Derzeit gehen die Meinungen auseinander, inwieweit die Zucht von Nutztieren davon betroffen sein könnte. Manche Kritiker befürchten, dass damit eine Hintertür für Klagen von Tierschutzorganisationen beispielsweise in der Milchviehzucht geschaffen wird. Sicher ist das aber nicht.