calle3: Landwirt baut Coworkingspace im alten Bullenstall
Auf dem Hof von Bernhard Holtkamp im westfälischen Nienborg können bald bis zu 18 Coworker im ehemaligen Bullenstall unterkommen. Dort hat der Nebenerwerbslandwirt Büroräume eingerichtet.
Im alten Stall von Familie Holtkamp stehen keine Bullen mehr, sondern Schreibtische und Bürostühle. Im April 2022 will Bernhard Holtkamp nach zwei Jahren Bauzeit das „calle3“ mit 18 Coworking Plätzen eröffnen.
Coworking bedeutet, dass Menschen mit unterschiedlichen Berufen sich an einem Ort, dem Coworking Space, zusammenfinden, wo sie ihren Jobs nachgehen. Sie brauchen für ihren Job nur den eigenen Laptop, sind also ortsunabhängig, und teilen sich im Coworking Space das Büro und die Technik.
Holtkamps hielten bis 2004 noch 100 Mastbullen, mittlerweile haben sie den Betrieb auf wenige Hektar Fläche und ein paar Schafe reduziert. Bernhard Holtkamp arbeitet für eine Softwarefirma. Durch seinen Job hat er bereits gute Erfahrungen mit dem Coworking gemacht. „Mir fehlte im Home-Office der Austausch mit anderen. Daher habe ich mich in einem Büroraum in Nienborg eingemietet“, berichtet er.
Der Nebenerwerbslandwirt war so überzeugt von dem Konzept, dass er den ursprünglichen Plan – den Bau von zwei Mietwohnungen – über den Haufen warf. „Wir hatten schon die Baugenehmigung dafür in der Tasche und die KfW-Mittel beantragt. Doch ich wollte unbedingt Coworking“, erzählt der Nebenerwerbslandwirt.
Welche Anforderungen der Coworking Space erfüllen muss und ob diese neue Form des Arbeitens ankommt, ist je nach Region etwas unterschiedlich. Daher hat Holtkamp sich von der Coworkland Genossenschaft beraten lassen. Diese gibt es seit drei Jahren, sie hat mittlerweile Mitglieder in ganz Deutschland.
Die Coworkland berät zukünftige Betreiber von ländlichen Coworking Spaces zu Themen rund um den besten Standort, die Ausstattung, oder das Marketing. Eine gute Internetleitung ist die wichtigste Voraussetzung. Alles weitere hängt von Standort und der Zielgruppe ab. Holtkamps Hof liegt im Grünen, 2 km von Nienborg und 10 km von Gronau entfernt. Deshalb möchte der Landwirt Pendler ansprechen, die nicht jeden Tag die lange Strecke ins Büro auf sich nehmen wollen oder Selbstständige ohne eigenen Arbeitsplatz.
Hinzu kommen Menschen, die Arbeiten und Urlaub verbinden wollen, sogenanntes Workation. „Wer die Auslastung schwer einschätzen kann, kann auch erst einmal ein PopUp-Coworking Space aufstellen. Das ist entweder ein mobiler Container oder die temporäre Einrichtung in einem leeren Bestandsgebäude“, rät Hans Albrecht Wiehler vom niedersächsischen Coworkland.
Viel Werbung nötig
Schon jetzt macht Holtkamp auf mehreren Kanälen (Social Media, Homepage, regionale Printmedien, Bandenwerbung im Sport) und in seinem beruflichen und privaten Netzwerk auf sein Angebot aufmerksam. „Viele Menschen wissen nichts mit dem Begriff anzufangen, sie müssen das erst mal kennenlernen, am besten ausprobieren“, meint Holtkamp. Holtkamp plant zudem Veranstaltungen wie Talkrunden, Seminare oder ein Unternehmerfrühstück mit der Wirtschaftsförderung und der Kommune. „Man muss das Coworking nicht nur aufbauen, sondern nachher auch betreiben. Das ist schon aufwendig“, sagt Holtkamp.
Die neuen Coworking Plätze will Holtkamp im alten Bullenstall sowie auf dem Dachboden einrichten. In den Büros finden zwischen ein und vier Nutzern Platz. Alle teilen sich Drucker, Scanner, Kopierer sowie Sitzecken. Außerdem können die Gäste eine Teeküche mit Kaffeemaschine, Mikrowelle, Kühlschrank und Spülmaschine nutzen.
Der Umbau zu den flexiblen Büroräumen in dem kulturlandschaftsprägenden Gebäude war unproblematisch, da der Kreis Borken das alte Gebäude gerne erhalten wollte. Die Genehmigung stellte er nach kurzer Zeit aus. Auch die sonstige Zusammenarbeit beschreibt Holtkamp als unkompliziert.
Eine Förderung für den Umbau hat er nicht beantragt, da er direkt mit dem Coworking durchstarten wollte. „Die Beantragung dauert immer sehr lange, das hätte das Projekt noch ein oder zwei Jahre nach hinten geschoben“, ist Holtkamp sich sicher.
Eine Agrarförderung bekommen Landwirte auch nicht, da Coworking eine gewerbliche und keine landwirtschaftliche Nutzung ist. Auch die KfW-Mittel stehen nicht zur Verfügung, diese gibt es nur für Wohnräume. Allerdings ist die Förderung über die gemeinsame Verbesserung der Agrarstruktur- und des Küstenschutzes (GAK) möglich. Zusätzlich zur GAK bieten regionale LEADER Programme Möglichkeiten. So konnte Holtkamp sechs höhenverstellbare Schreibtische für die Büros darüber fördern lassen.
Mit mobilen Coworking Räumen in Containern lässt sich die Nachfrage besser einschätzen.
Hans-Albrecht Wiehler, Coworklan
Bei der Planung des Umbaus half den Holtkamps ein Architekt. Im Innenraum setzten sie viel auf Eigenleistung. So halfen auch die beiden Söhne mit, der eine ist Tischler, der andere Elektriker. Abwasser und Heizung konnte der Landwirt an die bestehende Kläranlage bzw. Pelletheizung anschließen. Die 12 nötigen Parkplätze brachte er im ehemaligen Fahrsilo unter. Für den Brandschutz braucht er einen Löschteich. Diesen legte er in der 200 m³ großen alten Güllegrube unter der Hoffläche an.
Fast am wichtigsten für das Coworking war der Glasfaseranschluss mit 100 Mbit/Sek., der im Oktober 2020 geschaffen wurde. Holtkamp bietet seinen Nutzern das Internet über eine WLAN-Box an. Diese verfügt noch über LTE-Netz, falls der Glasfaseranschluss ausfällt.
Coworking rechnet sich in Kombination
Holtkamps haben in den Umbau der Scheune ca. 350.000 € bzw. 1.400 €/m² investiert. Ihre Ziele: Nach einem Jahr Anlaufzeit eine Auslastung von 60 % der 18 Büroplätze und Einnahmen von ca. 1.200 €/Monat. „Sinnvoll ist die Kombination von Coworking mit anderen Angeboten z.B. einem Tagungsraum für mehrere Personen mit Präsentations- und Videotechnik. Diese Meetingräume plus die Veranstaltungen machen meist 50% der Einnahmen aus“, sagt Hans-Albrecht Wiehler.
Bernhard Holtkamp will beispielsweise in seiner Tenne Gruppen mit bis zu 25 Personen unterbringen und rechnet hier mit zusätzlichen Einnahmen von 1.200 €/Monat. „Ferienhöfe lassen sich ebenfalls gut mit Coworking verbinden. Dann bleiben die Urlauber eine Woche länger und arbeiten aus der Ferienwohnung raus“, sagt Hans-Albrecht Wiehler.
Die laufenden Kosten aus Marketing, Reinigung, Strom und Heizung schätzt Holtkamp auf 800 €/Monat, dazu kommen noch die Kreditkosten. „Reich werde ich durch das Coworking nicht. Doch ich nutze die alten Gebäude wirtschaftlich und lerne neue Menschen kennen“ freut er sich. Er bietet Tagesplätze für 15 €/Tag, frei wählbare Plätze für 60 € sowie feste Plätze im Einzelbüro für 300 €/Monat an. Für die Meetingräume fallen höhere Preise an.
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Im alten Stall von Familie Holtkamp stehen keine Bullen mehr, sondern Schreibtische und Bürostühle. Im April 2022 will Bernhard Holtkamp nach zwei Jahren Bauzeit das „calle3“ mit 18 Coworking Plätzen eröffnen.
Coworking bedeutet, dass Menschen mit unterschiedlichen Berufen sich an einem Ort, dem Coworking Space, zusammenfinden, wo sie ihren Jobs nachgehen. Sie brauchen für ihren Job nur den eigenen Laptop, sind also ortsunabhängig, und teilen sich im Coworking Space das Büro und die Technik.
Holtkamps hielten bis 2004 noch 100 Mastbullen, mittlerweile haben sie den Betrieb auf wenige Hektar Fläche und ein paar Schafe reduziert. Bernhard Holtkamp arbeitet für eine Softwarefirma. Durch seinen Job hat er bereits gute Erfahrungen mit dem Coworking gemacht. „Mir fehlte im Home-Office der Austausch mit anderen. Daher habe ich mich in einem Büroraum in Nienborg eingemietet“, berichtet er.
Der Nebenerwerbslandwirt war so überzeugt von dem Konzept, dass er den ursprünglichen Plan – den Bau von zwei Mietwohnungen – über den Haufen warf. „Wir hatten schon die Baugenehmigung dafür in der Tasche und die KfW-Mittel beantragt. Doch ich wollte unbedingt Coworking“, erzählt der Nebenerwerbslandwirt.
Welche Anforderungen der Coworking Space erfüllen muss und ob diese neue Form des Arbeitens ankommt, ist je nach Region etwas unterschiedlich. Daher hat Holtkamp sich von der Coworkland Genossenschaft beraten lassen. Diese gibt es seit drei Jahren, sie hat mittlerweile Mitglieder in ganz Deutschland.
Die Coworkland berät zukünftige Betreiber von ländlichen Coworking Spaces zu Themen rund um den besten Standort, die Ausstattung, oder das Marketing. Eine gute Internetleitung ist die wichtigste Voraussetzung. Alles weitere hängt von Standort und der Zielgruppe ab. Holtkamps Hof liegt im Grünen, 2 km von Nienborg und 10 km von Gronau entfernt. Deshalb möchte der Landwirt Pendler ansprechen, die nicht jeden Tag die lange Strecke ins Büro auf sich nehmen wollen oder Selbstständige ohne eigenen Arbeitsplatz.
Hinzu kommen Menschen, die Arbeiten und Urlaub verbinden wollen, sogenanntes Workation. „Wer die Auslastung schwer einschätzen kann, kann auch erst einmal ein PopUp-Coworking Space aufstellen. Das ist entweder ein mobiler Container oder die temporäre Einrichtung in einem leeren Bestandsgebäude“, rät Hans Albrecht Wiehler vom niedersächsischen Coworkland.
Viel Werbung nötig
Schon jetzt macht Holtkamp auf mehreren Kanälen (Social Media, Homepage, regionale Printmedien, Bandenwerbung im Sport) und in seinem beruflichen und privaten Netzwerk auf sein Angebot aufmerksam. „Viele Menschen wissen nichts mit dem Begriff anzufangen, sie müssen das erst mal kennenlernen, am besten ausprobieren“, meint Holtkamp. Holtkamp plant zudem Veranstaltungen wie Talkrunden, Seminare oder ein Unternehmerfrühstück mit der Wirtschaftsförderung und der Kommune. „Man muss das Coworking nicht nur aufbauen, sondern nachher auch betreiben. Das ist schon aufwendig“, sagt Holtkamp.
Die neuen Coworking Plätze will Holtkamp im alten Bullenstall sowie auf dem Dachboden einrichten. In den Büros finden zwischen ein und vier Nutzern Platz. Alle teilen sich Drucker, Scanner, Kopierer sowie Sitzecken. Außerdem können die Gäste eine Teeküche mit Kaffeemaschine, Mikrowelle, Kühlschrank und Spülmaschine nutzen.
Der Umbau zu den flexiblen Büroräumen in dem kulturlandschaftsprägenden Gebäude war unproblematisch, da der Kreis Borken das alte Gebäude gerne erhalten wollte. Die Genehmigung stellte er nach kurzer Zeit aus. Auch die sonstige Zusammenarbeit beschreibt Holtkamp als unkompliziert.
Eine Förderung für den Umbau hat er nicht beantragt, da er direkt mit dem Coworking durchstarten wollte. „Die Beantragung dauert immer sehr lange, das hätte das Projekt noch ein oder zwei Jahre nach hinten geschoben“, ist Holtkamp sich sicher.
Eine Agrarförderung bekommen Landwirte auch nicht, da Coworking eine gewerbliche und keine landwirtschaftliche Nutzung ist. Auch die KfW-Mittel stehen nicht zur Verfügung, diese gibt es nur für Wohnräume. Allerdings ist die Förderung über die gemeinsame Verbesserung der Agrarstruktur- und des Küstenschutzes (GAK) möglich. Zusätzlich zur GAK bieten regionale LEADER Programme Möglichkeiten. So konnte Holtkamp sechs höhenverstellbare Schreibtische für die Büros darüber fördern lassen.
Mit mobilen Coworking Räumen in Containern lässt sich die Nachfrage besser einschätzen.
Hans-Albrecht Wiehler, Coworklan
Bei der Planung des Umbaus half den Holtkamps ein Architekt. Im Innenraum setzten sie viel auf Eigenleistung. So halfen auch die beiden Söhne mit, der eine ist Tischler, der andere Elektriker. Abwasser und Heizung konnte der Landwirt an die bestehende Kläranlage bzw. Pelletheizung anschließen. Die 12 nötigen Parkplätze brachte er im ehemaligen Fahrsilo unter. Für den Brandschutz braucht er einen Löschteich. Diesen legte er in der 200 m³ großen alten Güllegrube unter der Hoffläche an.
Fast am wichtigsten für das Coworking war der Glasfaseranschluss mit 100 Mbit/Sek., der im Oktober 2020 geschaffen wurde. Holtkamp bietet seinen Nutzern das Internet über eine WLAN-Box an. Diese verfügt noch über LTE-Netz, falls der Glasfaseranschluss ausfällt.
Coworking rechnet sich in Kombination
Holtkamps haben in den Umbau der Scheune ca. 350.000 € bzw. 1.400 €/m² investiert. Ihre Ziele: Nach einem Jahr Anlaufzeit eine Auslastung von 60 % der 18 Büroplätze und Einnahmen von ca. 1.200 €/Monat. „Sinnvoll ist die Kombination von Coworking mit anderen Angeboten z.B. einem Tagungsraum für mehrere Personen mit Präsentations- und Videotechnik. Diese Meetingräume plus die Veranstaltungen machen meist 50% der Einnahmen aus“, sagt Hans-Albrecht Wiehler.
Bernhard Holtkamp will beispielsweise in seiner Tenne Gruppen mit bis zu 25 Personen unterbringen und rechnet hier mit zusätzlichen Einnahmen von 1.200 €/Monat. „Ferienhöfe lassen sich ebenfalls gut mit Coworking verbinden. Dann bleiben die Urlauber eine Woche länger und arbeiten aus der Ferienwohnung raus“, sagt Hans-Albrecht Wiehler.
Die laufenden Kosten aus Marketing, Reinigung, Strom und Heizung schätzt Holtkamp auf 800 €/Monat, dazu kommen noch die Kreditkosten. „Reich werde ich durch das Coworking nicht. Doch ich nutze die alten Gebäude wirtschaftlich und lerne neue Menschen kennen“ freut er sich. Er bietet Tagesplätze für 15 €/Tag, frei wählbare Plätze für 60 € sowie feste Plätze im Einzelbüro für 300 €/Monat an. Für die Meetingräume fallen höhere Preise an.