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Cow-PV: Kühe, Heu und Solarstrom auf einer Fläche

Einachsig nachgeführte Modultische lassen sich so steuern, dass sie Kühen Schutz bieten, aber auch die Heuernte möglich ist. Wir sprachen mit Dr. Stephan Schindele von BayWa r.e. über die Vorteile.

Lesezeit: 6 Minuten

Cow-PV ist eine spezielle Anwendung der Agri-Photovoltaik. Auf einer Fläche soll dabei die Beweidung durch Rinder, die Heuernte und die Solarstromerzeugung möglich sein. Eine Besonderheit sind bewegliche ­Modultische (Tracker). Die Module können – je nach Nutzung der Koppel – senkrecht oder waagerecht gestellt werden. Wir sprachen mit Dr. Stephan Schindele, Leiter Produktmanagement Agri-PV bei der BayWa r.e., über das Management und die Vorteile.

Sie haben das Modell „Cow-PV“ ­entwickelt. Um was genau handelt es sich dabei?

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Schindele: Agri-Photovoltaik (kurz: Agri-PV) kann eine große Vielfalt an landwirtschaftlichen Tätigkeiten ein­beziehen. Cow-PV ist eine Spielart der Agri-PV. Hierbei wird die Haltung von Kühen und Rindern mit Solar-Großprojekten auf landwirtschaftlichen Nutzflächen kombiniert. Das ist neu. Bislang gibt es nur Erfahrung mit der Schafhaltung als landwirtschaftlichem Hauptzweck in Solarparks. Eine Grundvoraussetzung ist, dass die Kuhhaltung und das Befahren der Landmaschinen für die Grasbewirtschaftung auf der Projektfläche möglich sind.

Stichwort Grasbewirtschaftung: Also geht es nicht nur um die Beweidung?

Schindele: Nein, auf den Flächen soll auch Heu geerntet werden. Damit die Landmaschinen dafür genügend Platz haben, müssen wir die Reihenabstände der Modul­tische groß genug sein. Das erhöht die Kosten pro Fläche, weil mehr Stahl in der Unterkonstruktion verwendet wird und mehr Aufwand bei der Installation nötig ist. Zudem gibt es weniger installierte Leistung pro Fläche aufgrund der ­weiteren ­Reihenabstände. Um diesen Nachteil auszugleichen, benutzen wir einen ­einachsig verstellbaren Modultisch, Tracker genannt. Dieser wird für die Weidezeit wie ein Dach in die Horizontale gebracht, ebenso beim Heuschnitt. Zum Trocknen des Grases kommen die Module in die Vertikale, um Schattenwurf zu verhindern.

Wie vermeiden Sie, dass die Kühe Schaden nehmen?

Schindele: Wir passen die lichte Höhe der Module und der Unterkonstruktion so an, dass die Kollisions­gefahr zwischen Tier und PV-Generator vermieden wird. Die Tierschutzmaßnahmen bedeuten im Detail: Die Tiere sollten u. a. keinen Zugang zu elektrischem Kabeln haben, wir müssen scharfe Kanten vermeiden und den dauerhaften Zugang zu Wasser ermöglichen. Bei größeren Projekten unterteilen wir die Projektfläche in mehrere Koppeln, sodass nur dort, wo die Kühe weiden, die Module in der Horizon­talstellung stehen. Auf den anderen Koppeln werden die Module für einen maximalen Stromertrag nachgeführt.

Welche Vorteile bringt das Verfahren?

Schindele: Wir reduzieren die Flächennutzungskonkurrenz zwischen Kuhhaltung, Futtermittelproduktion und PV-Ausbau auf landwirtschaft­lichen Flächen. Zudem bringt Cow-PV wegen der Stromeinnahmen zusätz­liche wirtschaftliche Vorteile für den Rinderhalter. Gleichzeitig erhöhen wir das Tierwohl, indem die Rinder vor Starkregen, Hitze und Hagel geschützt sind. Und schließlich erwarten wir eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn eine landwirtschaft­liche Tätigkeit und Energieproduktion auf einer Fläche kombiniert werden. Die Doppelnutzung kann auch dazu beitragen, die CO2-Ziele in der Landwirtschaft zu erfüllen.

Inwieweit wird die neue Norm „DIN Spec Tierhaltung“ das Thema fördern?

Schindele: Die aktuelle DIN Spec 91434 beinhaltet bereits die Tierhaltung in Agri-PV-Projekten. Allerdings wurden die Anforderungen an die landwirtschaftliche Tätigkeit in dieser mittlerweile drei Jahre alten Vor-Norm vor allem auf den Pflanzenbau, Ackerbau und Dauerkulturen gelegt. Mit der derzeit in Bearbeitung befindlichen DIN Spec 91492 werden tierhaltungsspezifische Anforderungen der Nutztierhaltung an die landwirtschaftliche Hauptnutzung im Agri-PV-Projekt festgelegt und somit die aktuelle DIN Spec 91434 ergänzt und die ­Agri-PV-Abgrenzung zu herkömmlichen Frei­flächenanlagen weiterhin ­verbessert. Das Ziel ist es, dass wir die Agri-PV raus aus der Nische rein in die Praxis bringen möchten.

Welchen Einfluss auf den Bau neuer Agri-PV-Anlagen wird das Solarpaket der Bundesregierung mit der höheren Einspeisevergütung bringen?

Schindele: In Frankreich haben wir die Erfahrung gemacht, dass eine höhere Vergütung für hochaufgeständerte Agri-PV ein neues Marktsegment, die Cow-PV, ermöglicht hat. Dort haben wir schon mehrere Cow-PV-Projekte in der Pipeline mit 30 MW auf ca. 45 ha und größer. In Deutschland ­werden hoffentlich die hochaufgestän­derten Agri-PV-Anlagen auch einen ­höheren Zuschlagswert in der Auktion erhalten, wodurch die kommerzielle Erschließung dieses Marktsegments vorangetrieben wird. Ich beziehe mich dabei auf Anlagen höher 2,10 m ab Unterkante oder Drehachsenhöhe bei Trackern bzw. einachsig nach­geführten PV-Systemen. Wir gehen ­davon aus, dass bis ins Jahr 2029 die Cow-PV ein wachsendes Marktsegment in Deutschland werden wird.

Doch nicht nur die Einspeisever­gütungen ermöglichen eine Markterschließung, sondern auch die im Baurecht privilegierte Umsetzung von Agri-PV-Projekten kleiner 2,5 ha. Bei diesen kleineren Projekten wird der Landwirt der Investor und ­Eigentümer der Agri-PV-Projekte sein, während bei den Großprojekten in­stitutionelle Investoren mit den Landwirten und den Projektentwicklern den Schulterschluss suchen werden.

Welche Technik ist dabei am zukunftsträchtigsten: Hoch, niedrig oder senkrecht aufgeständerte Anlagen bzw. mit oder ohne Nachführung?

Schindele: Gerade in der frühen Phase der Agri-PV-Markteinführung ist es wichtig, die Markterschließung möglichst technologieoffen und innova­tionsfreudig zu gestalten. Hier braucht es von Seiten der Politik den Mut, auch einmal Ineffizienz zu riskieren, damit ein Learning by Doing ermöglicht wird. Bei Hay-PV und Cow-PV sowie Crop-PV sehen wir einachsig nachgeführte Trackersysteme dem ­festaufgeständerten System überlegen. Beispiel Heu: Nach dem Grasschnitt muss das Gras möglichst schnell ­trocknen und von der Projektfläche abge­tragen werden. In einem Trackersystem können wir die Module aus dem Stromertrag herausdrehen, damit möglichst viel solare Einstrahlung auf das Schnittgut trifft. Bei einem festins­tallierten senkrechten Zaun haben wir vor- und nachmittags einen langen Schatten zwischen den Modulreihen und der Trocknungsprozess dauert länger.

Beim Grasschnitt kann es zudem zu Steinschlägen kommen, die über ­einen Meter reichen. Beim Tracker­system können wir die Module in die Horizontale fahren, wodurch die Feld­bearbeitung erleichtert und das Steinschlagrisiko reduziert wird.

Bei einem Trackersystem werden auch bifaziale Module verwendet, die von beiden Seiten Strom erzeugen.

Wo sehen Sie aktuell noch Potenzial für neue Agri-PV-Anlagen?

Schindele: In Deutschland ist die ­Agri-PV nach wie vor in der frühen Phase der Verbreitung. Da der PV-Ausbau auf landwirtschaftlichen Flächen 10.000 MW bzw. 10.000 ha im Jahr ausmachen soll, wir aber gleichzeitig gesellschaftlich den täglichen Siedlungsflächenanstieg reduzieren müssen, sind wir der Überzeugung, dass die ­Potenziale im wahrsten Sinne noch ­gigantisch groß und in Deutschland noch nicht annähernd ausgeschöpft sind. Großes Potenzial sehen wir auch noch auf Stilllegungsflächen.

Was meinen Sie genau?

Schindele: Naturschutzverträgliche PV-Anlagen sollten im Agrarrecht als vier Prozent Stilllegungsfläche angerechnet werden können. Der Landwirt führt auf diesen Projektflächen Biodiversitätsmaßnahmen durch, die einen landwirtschaftlichen Hauptzweck auf nicht-produktiven Flächen erfüllen. Daher sollte Eco-PV (eine weitere Spielart der Agri-PV) als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme für andere ­bauliche Maßnahmen, beispielsweise Wohnungs-, Verkehrs- und Industrieflächenbeanspruchung, anerkannt werden.  Diese Potenziale von Cow-PV und Eco-PV sind in Deutschland und Europa sehr groß und könnten zur Entschärfung der Flächenkonkurrenz beitragen.

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