„Wir dürfen nicht so an dem kleben, was gestern war", sagte die Sprecherin des Vorstands der Landwirtschaftlichen Rentenbank, Nikola Steinbock, auf dem diesjährigen Growth Alliance Networking Summit - kurz GANS. Wer wissen wollte, was die Gründerszene im Agrar, AgTech und AgriFood Bereich bewegt, war vergangenen Donnerstag in Frankfurt genau richtig. Denn dort trafen sich, organisiert von der Landwirtschaftlichen Rentenbank und dem Innovationszentrum TechQuartier, Landwirte, Start-ups, Politiker, Wissenschaftler und Unternehmen.
Moderiert von Landwirtin und Podcasterin ("Jung&Landwirtin") Maja Mogwitz lag der Fokus auf Themen wie pflanzliche Proteine, Biodiversität und die Übertragung von Innovationen in die Praxis.
Bauer Gruppe gibt Einblicke in die Pflanzendrink-Produktion
Der erste Impulsgeber des Tages war Dr. Christian Trgo, Research and Development Director von der Bauer Gruppe. In seinem Vortrag gab er Einblicke in die Molkereiindustrie und ihren Weg hin zu immer mehr Milch-, Joghurt- und Quarkprodukten auf Pflanzenbasis. Von den 820 Mio. € Umsatz des vergangenen Jahres stammten über 10 % aus Pflanzendrinks. Die Prognose für die Zukunft formulierte Trgo klar und deutlich: „Der Anteil pflanzlicher Produkte wird größer werden und Milch immer weniger. Sie sind längst raus aus der Nische."
Welche Rohstoffe eignen sich für Pflanzendrinks?
Hafer, Weizen, Reis
Bohne, Erbse, Soja, Lupine, Linse, Kichererbse, Ackerbohne
Walnuss, Haselnuss, Cashew, Mandel, Aprikose
Hanf, Leinsamen
Wann eignet sich ein Rohstoff als Milchersatz?
Technologische Anforderungen wie Löslichkeit, Wasserbindung, Schaumbildung, Stabilisierung, Emulgierfähigkeit und Hitzestabilität
Sensorische Anforderungen wie Mundgefühl, Schmelzverhalten, Aroma, Bitterkeit
Ernährungsphysiologische Anforderungen wie Aminosäuren, Bioverfügbarkeit und Sättigung
Aufwendiger Herstellungsprozess
Eine Herausforderung liege in der Herkunft und der Verarbeitung. Während die Kuhmilch vom lokalen Landwirt stammt, bezieht die Molkerei die Pflanzenprodukte als Isolate, Pasten oder Konzentrate von Rohstoffhändlern, die den Ursprungsrohstoff bereits vorbereitet haben.
Denn die Verarbeitung umfasst Schritte wie Reinigen, Schälen, Einweichen, Mahlen, Dekantieren und Entölen. Das sind Schritte, die für Molkereien neu sind und für die die nötige Technik noch fehlt. Zudem handele es sich bei den Ausgangsstoffen meist um Importware.
Die preisliche Benchmark sind die Milchprodukte.
Konsumenten gehen keinen Kompromiss bei Geschmack und Preis ein, sagte Trgo: „Die preisliche Benchmark sind die Milchprodukte." Das zeigte auch Lidl eindrucksvoll: Nach der Einführung der Preisparität im Oktober stieg der Absatz des veganen Sortiments um 30 %. Lediglich die Hafermilch hält aktuell preislich mit der Kuhmilch mit.
Inhaltsstoffe kaum konkurrenzfähig mit Kuhmilch
Ein weiteres Problem liegt laut Trgo im geringeren Eiweiß- bzw. Proteingehalt von Hafer, Mandel und Co. Aktuell decken Milchprodukte einen großen Anteil des Eiweißes, das Menschen zu sich nehmen. Die großen Wachstumstreiber für Pflanzendrinks - nämlich Hafer und Mandel - können im Eiweißgehalt nicht annähernd mit Milchprodukten mithalten. Tgro sieht deshalb ganz klar die Leguminosen Soja, Ackerbohne und Erbse als Haupteiweißlieferanten in pflanzlichen Milchersatzprodukten.
Wir Landwirte nehmen den Wandel wahr, sind aber orientierungslos. Wir brauchen verlässlichere Signale zu der gewünschten Qualität und den richtigen Sorten.
Beim Thema pflanzliches Protein stehen also die Leguminosen im Rampenlicht. So auch in der anschließenden Paneldiskussion. Landwirt Leonard van Uelft, der das Gut Edlau ökologisch bewirtschaftet und bereits Erfahrungen im Kichererbsenanbau sammeln konnte, sagte: „Wir Landwirte nehmen den Wandel wahr, sind aber orientierungslos. Wir brauchen verlässlichere Signale zu der gewünschten Qualität und den richtigen Sorten." Der Mangel an standortangepassten Sorten sei das Hauptproblem beim Leguminosenanbau. Denn erst seit wenigen Jahren nimmt die Züchtung wieder Fahrt auf. Vor allem die Frage nach den gewünschten Eigenschaften verlangsame den Prozess. "Die Züchter müssen ja wissen, welche Qualitätskriterien die Verarbeiter für Kichererbsen und Co. als Lebensmittel brauchen", sagte dazu die BayWa Vertreterin Kristal Golan. Also müsse man den Kontakt zu lokalen Verarbeitern suchen und mehr kommunizieren.
Van Uelft ergänzte: „Eiweißpflanzen haben einfach eine mickrige Wertschöpfung pro Hektar. Und entscheidend ist nun einmal der Markt." Linda Homann von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) kündigte daraufhin an, noch mehr im Bereich der pflanzlichen Proteine zu fördern.
Start-up Artenglück sieht Naturschutz als Serviceleistung
Ein weiteres Fokusthema des GANS 24 war, wie die Landwirtschaft zu mehr Biodiversität beitragen kann. Das Start-up Artenglück präsentiert ein Lösungsmodell, bei dem Landwirte z.B. Blühfelder errichten, Feldvögel besonders schützen oder Wälder aufforsten. Der Aufwand dafür wird von großen Unternehmen finanziert, so das Geschäftsmodell. Gründerin Lara Boye sprach von „Naturschutz als Serviceleistung". Die Maßnahmen sollen auf Grenzertragsstandorten maximal 30 km um die Wunschstandorte der Unternehmen durchgeführt werden. Um das Monitoring kümmert sich das Start-up. Artenglück zahlt dem Landwirt das Saatgut und eine Flächenpacht. Inzwischen haben sich 60 Partnerlandwirte und 100 Projekte auf einer Fläche von rund 100 Fußballfeldern dem Start-up angeschlossen. Landwirte sollten sich jedoch vorher über eine mögliche Doppelförderung aus privaten Geldern und dem öffentlichen Fördertopf informieren.
F.R.A.N.Z. Projekt zeigt: Artenvielfalt auf intensiven Standorten ist möglich
Dass auch in einer intensiven, konventionellen Landwirtschaft große Bemühungen für den Erhalt der Artenvielfalt stattfinden, zeigte Betriebsleiter Jürgen Maurer aus Hohenlohe (Baden-Württemberg) im Rahmen des F.R.A.N.Z Projektes. Er bewirtschaftet einen von zehn Betrieben, die seit acht Jahren Naturschutzmaßnahmen testen und von Forschern auswerten lassen.
Das Fruchtfolgeglied Biodiversität ist für uns ein sehr wertvolles, aber wenn es nicht bezahlt wird, dann nutzen wir es auch nicht.
So wollen sie die besten Methoden für jeden Betrieb finden. Das von der Rentenbank finanzierte Projekt läuft insgesamt zehn Jahre - wie es danach weitergeht, weiß Maurer allerdings noch nicht. Er hofft, dass es verlängert wird und am Ende ein „bunter Strauß an Möglichkeiten " entsteht, auf den konventionelle Betriebe zurückgreifen können. Sie müssen jedoch zum wirtschaftlichen Konzept des Betriebes passen. Maurer sagte: „Nicht die Landwirtschaft ist die Ursache des Artenverlusts. Wir produzieren nur, was nachgefragt wird. Das Fruchtfolgeglied Biodiversität ist für uns ein sehr wertvolles. Aber wenn es nicht bezahlt wird, dann machen wir es nicht."
Hintergrund
Über die Growth Alliance
Die Growth Alliance ist eine Initiative der Landwirtschaftlichen Rentenbank und des TechQuartiers im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Durch spezialisierte Programme und Partnerschaften mit Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unterstützt sie Gründerinnen und Gründer von der Ideenfindung bis zur Skalierung bei der Entwicklung von nachhaltigen Lösungsansätzen für die Land- und Ernährungswirtschaft.