Der Keinachtsbaum: Eine nachhaltige Alternative zum Weihnachtsbaum
Der Keinachtsbaum ist ein modularer Ständer für Tannengrün und soll eine Alternative zum Plastikbaum darstellen. Viele traditionelle Baumproduzenten sehen darin keine Konkurrenz – eher eine Chance.
Dieser Beitrag ist bereits im Jahr 2022 erschienen.
Auch dieses Jahr erleuchten wieder zwischen 23 und 25 Mio. Weihnachtsbäume deutsche Wohnzimmer. Aber: Der Anteil der Haushalte wächst, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen für einen Plastikbaum entscheiden. Seit wenigen Jahren gibt es zudem noch eine dritte Variante: In den ersten Wohnzimmern liegen die Geschenke unter dem „Keinachtsbaum“, einem Do-it-Yourself-Weihnachtsbaum zum Zusammenschrauben.
In den modularen Ständer aus Eschenholz sind ringsum Löcher vorgebohrt, in die Schnittgrün eingesteckt wird. Es kommen also nur die Zweige ins Wohnzimmer. Der Stamm wächst draußen weiter. Wenn es nach dem Gründer Nico Stisser aus Osnabrück geht, soll das der Anfang eines neuen, nachhaltigeren Weihnachtens werden – mit Mitmach-Optionen für Weihnachtsbaumerzeuger, die das Schnittgrün an die Kunden liefern können.
„Wir wollen nicht gegen den Weihnachtsbaum schießen, sondern gegen den Plastikbaum“, sagt Nico Stisser. Er ist Grafikdesigner und der Gründer des jungen Unternehmens und bewohnt gemeinsam mit seiner Familie einen Resthof im Landkreis Osnabrück.
Wer in der Stadt wohnt, durch ein enges Treppenhaus muss, keinen Stress und Dreck beim Besorgen der Tanne möchte und noch dazu Wert auf Nachhaltigkeit legt, der zählt zu den typischen Wunsch-Kunden des Gründers. Seit Gründung sind rund 8.000 Keinachtsbäume verkauft worden, darunter etwa 4.000 in dieser Saison, sagt Nico. Ein Baum kostet je nach Größe zwischen 89 und 179 €.
Dabei ist die Bequemlichkeit die eine Sache: Der Ständer wird in mehreren Teilen per Post geliefert und kann platzsparend auseinander geschraubt und gelagert werden. Das Schnittgrün wird ebenfalls pünktlich, frisch und fertig konfektioniert geliefert. Das 10-kg-Paket kostet nochmals 24,90 €. Die Zweige werden angespitzt und in die vorgebohrten Löcher gesteckt.
Das sagt ein traditioneller Baumproduzent zum Konzept
Das Schnittgrün für die Keinachtsbaum-Kunden stammt von Benedikt Schneebecke. Der Unternehmer produziert auf zwei Betrieben im Norden Nordrhein-Westfalens und an der Ostsee auf insgesamt über 130 ha Nordmanntannen und Blaufichten für die Online-Vermarktung sowie für den Großhandel. Ein kleiner Teil seiner Flächen ist speziell für die Lieferung von Schnittgrün reserviert – ein Teil davon auch für Keinachtsbaum-Kunden.
Ich finde es von der Kommunikation her wichtig, dass die natürlich gewachsenen Weihnachtsbäume nicht als schädlich dargestellt werden." - Benedikt Schneebecke
Der Biobauer war anfangs, wie einige seiner Erzeuger-Kollegen, nicht uneingeschränkt angetan von der Idee des Keinachtsbaums. Er betrachtet die Initiative auch jetzt noch neugierig als Experiment. „Ich finde es von der Kommunikation her wichtig, dass die natürlich gewachsenen Weihnachtsbäume nicht als schädlich dargestellt werden“, sagt Schneebecke. „Unsere Kulturen sind Dauerkulturen, die Lebensräume für eine Vielzahl von Lebewesen darstellen.“
Dann aber lernte er den Keinachtsbaum-Gründer kennen und entschloss sich, die Do-it-yourself-Bäume als Chance für die Vermarktung von Schnittgrün zu sehen. „Es gibt ja tatsächlich Menschen, die einen Plastikbaum für nachhaltiger halten als eine Nordmanntanne“, sagt Schneebecke. „Wenn wir es da schaffen, ein paar Leute abzuholen und sie von unserem Schnittgrün zu überzeugen, dann hat das doch für alle Beteiligten etwas Gutes.“ Daher sieht er die Initiative auch als Chance für viele traditionelle Weihnachtsbaumproduzenten. „Wir haben so die Chance, Jahr für Jahr kontinuierlich Tannenzweige an Kunden zu liefern“, sagt er. Besonders Bäume, die nicht den optischen Ansprüchen fürs Wohnzimmer entsprechen, könnte man so sinnvoll nutzen und ihr Schnittgrün verkaufen.
Schnittgrünproduktion als nachhaltige Lösung
De facto kannte der Unternehmer zu Redaktionsschluss noch nicht die genauen Mengen Schnittgrün, die er an mehrere Tausend Haushalte mit Keinachtsbäumen zu versenden hatte. Aber pro Baum sind 2 Bund à 5 kg nötig. Mit den Zweigen für den Keinachtsbaum hat er etwas mehr Aufwand. „Wir achten ein bisschen mehr auf eine gleichmäßige Qualität der Bunde und lassen beim Schnitt ein paar cm mehr dran am Ast als normal.
Wir haben so die Chance, Jahr für Jahr kontinuierlich Tannenzweige an Kunden zu liefern." - Benedikt Schneebecke
Dann können sich die Kunden die Zweige besser zurechtschnitzen“, sagt Schneebecke. Dann verrät er: „Ich als Erzeuger erhalte dafür etwa 50 Cent mehr pro Bund als handelsüblich.“ Rein optisch ist der Experte positiv überrascht von der Tanne. „Optisch passt das ganz gut. Wer natürlich reine erste Wahl Nordmanntannen gewöhnt ist, dem fehlt beim Keinachtsbaum was. Aber besser als ein Plastikbaum ist er allemal.“
Es gibt einige Unterschiede zwischen einer Weihnachtsbaumkultur und einer Schnittgrünkultur. Weihnachtsbäume stehen etwa sieben bis neun Jahre, werden dann geerntet und anschließend nachgepflanzt. Die Alternative dazu ist die Anlage von Flächen, auf denen die Bäume nicht abgesägt werden, sondern weiterwachsen dürfen. Bei diesen Schnittgrünflächen können die Produzenten jedes Jahr wieder ein Kranz an Zweigen ernten. Der Baum wächst immer weiter nach oben und gibt jedes Jahr einen neuen Kranz Zweige. Das kann man ca. 25 Jahre lang machen, dann sind die Bäume zu groß und die Ernte ist nicht mehr wirtschaftlich.
Und woher stammt der Stamm?
Einen passenden Partner für die Produktion der Stammelemente aus Eschenholz zu finden, war für den Gründer kein Selbstläufer. „So einfach die Idee auch ist, so schwierig und aufwendig ist die Herstellung. Die Einzelteile aus FSC-zertifiziertem Holz mit den bis zu 105 Löchern bringen jeden Schreiner ins Schwitzen“, sagt Nico Stisser. Denn selbst mit dem Einsatz moderner CNC-Fräsen dauert es immer noch knapp eine Stunde, um einen Keinachtsbaum herzustellen. Nachdem Stisser über 100 Firmen anfragte, von denen nur eine Handvoll überhaupt antwortete, entschied er sich für die einzige deutsche Firma, eine kleine Manufaktur. Mittlerweile arbeitet er mit mehreren Manufakturen und Werkstätten zusammen.
In Zukunft Agroforst für Weihnachtsbäume?
„Aktuell arbeiten wir mit Agroforst– und Permakultur-Experten an einem Konzept, das es ermöglichen soll, Schnittgrün nach dem Waldgartenprinzip anzubauen“, sagt Nico Stisser. Die so angepflanzten Mischkulturen könnten nach etwa 25-jähriger Nutzung (danach sind sie zu groß) in den Waldzustand übergehen und theoretisch zwischen 500 und 700 Jahre alt werden.
Daher ist das Keinachtsbaum-Team aktiv auf der Suche nach Partnern aus der Land- und Forstwirtschaft, die langfristig Schnittgrünplantagen nach Agroforst-Prinzipien aufbauen und ihre Direktvermarktung ergänzen wollen.
Statt das Schnittgrün lediglich von einem Produzenten zu beziehen und quer durch Deutschland zu verschicken, will Stisser künftig mehr auf lokales Schnittgrün setzen und auch seine Kunden dazu animieren, ihre Zweige vor Ort zu kaufen. Da die Zweige aber optisch gewisse Qualitätsstandards erfüllen müssen, will er künftig ein Erzeugernetzwerk aufbauen. Dort könnten sich andere lokale Händler und Produzenten anschließen, die „Keinachtsbaum“-zertifiziert werden. Kunden könnten dann schnell und einfach den passenden Händler in ihrer Region finden.
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Dieser Beitrag ist bereits im Jahr 2022 erschienen.
Auch dieses Jahr erleuchten wieder zwischen 23 und 25 Mio. Weihnachtsbäume deutsche Wohnzimmer. Aber: Der Anteil der Haushalte wächst, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen für einen Plastikbaum entscheiden. Seit wenigen Jahren gibt es zudem noch eine dritte Variante: In den ersten Wohnzimmern liegen die Geschenke unter dem „Keinachtsbaum“, einem Do-it-Yourself-Weihnachtsbaum zum Zusammenschrauben.
In den modularen Ständer aus Eschenholz sind ringsum Löcher vorgebohrt, in die Schnittgrün eingesteckt wird. Es kommen also nur die Zweige ins Wohnzimmer. Der Stamm wächst draußen weiter. Wenn es nach dem Gründer Nico Stisser aus Osnabrück geht, soll das der Anfang eines neuen, nachhaltigeren Weihnachtens werden – mit Mitmach-Optionen für Weihnachtsbaumerzeuger, die das Schnittgrün an die Kunden liefern können.
„Wir wollen nicht gegen den Weihnachtsbaum schießen, sondern gegen den Plastikbaum“, sagt Nico Stisser. Er ist Grafikdesigner und der Gründer des jungen Unternehmens und bewohnt gemeinsam mit seiner Familie einen Resthof im Landkreis Osnabrück.
Wer in der Stadt wohnt, durch ein enges Treppenhaus muss, keinen Stress und Dreck beim Besorgen der Tanne möchte und noch dazu Wert auf Nachhaltigkeit legt, der zählt zu den typischen Wunsch-Kunden des Gründers. Seit Gründung sind rund 8.000 Keinachtsbäume verkauft worden, darunter etwa 4.000 in dieser Saison, sagt Nico. Ein Baum kostet je nach Größe zwischen 89 und 179 €.
Dabei ist die Bequemlichkeit die eine Sache: Der Ständer wird in mehreren Teilen per Post geliefert und kann platzsparend auseinander geschraubt und gelagert werden. Das Schnittgrün wird ebenfalls pünktlich, frisch und fertig konfektioniert geliefert. Das 10-kg-Paket kostet nochmals 24,90 €. Die Zweige werden angespitzt und in die vorgebohrten Löcher gesteckt.
Das sagt ein traditioneller Baumproduzent zum Konzept
Das Schnittgrün für die Keinachtsbaum-Kunden stammt von Benedikt Schneebecke. Der Unternehmer produziert auf zwei Betrieben im Norden Nordrhein-Westfalens und an der Ostsee auf insgesamt über 130 ha Nordmanntannen und Blaufichten für die Online-Vermarktung sowie für den Großhandel. Ein kleiner Teil seiner Flächen ist speziell für die Lieferung von Schnittgrün reserviert – ein Teil davon auch für Keinachtsbaum-Kunden.
Ich finde es von der Kommunikation her wichtig, dass die natürlich gewachsenen Weihnachtsbäume nicht als schädlich dargestellt werden." - Benedikt Schneebecke
Der Biobauer war anfangs, wie einige seiner Erzeuger-Kollegen, nicht uneingeschränkt angetan von der Idee des Keinachtsbaums. Er betrachtet die Initiative auch jetzt noch neugierig als Experiment. „Ich finde es von der Kommunikation her wichtig, dass die natürlich gewachsenen Weihnachtsbäume nicht als schädlich dargestellt werden“, sagt Schneebecke. „Unsere Kulturen sind Dauerkulturen, die Lebensräume für eine Vielzahl von Lebewesen darstellen.“
Dann aber lernte er den Keinachtsbaum-Gründer kennen und entschloss sich, die Do-it-yourself-Bäume als Chance für die Vermarktung von Schnittgrün zu sehen. „Es gibt ja tatsächlich Menschen, die einen Plastikbaum für nachhaltiger halten als eine Nordmanntanne“, sagt Schneebecke. „Wenn wir es da schaffen, ein paar Leute abzuholen und sie von unserem Schnittgrün zu überzeugen, dann hat das doch für alle Beteiligten etwas Gutes.“ Daher sieht er die Initiative auch als Chance für viele traditionelle Weihnachtsbaumproduzenten. „Wir haben so die Chance, Jahr für Jahr kontinuierlich Tannenzweige an Kunden zu liefern“, sagt er. Besonders Bäume, die nicht den optischen Ansprüchen fürs Wohnzimmer entsprechen, könnte man so sinnvoll nutzen und ihr Schnittgrün verkaufen.
Schnittgrünproduktion als nachhaltige Lösung
De facto kannte der Unternehmer zu Redaktionsschluss noch nicht die genauen Mengen Schnittgrün, die er an mehrere Tausend Haushalte mit Keinachtsbäumen zu versenden hatte. Aber pro Baum sind 2 Bund à 5 kg nötig. Mit den Zweigen für den Keinachtsbaum hat er etwas mehr Aufwand. „Wir achten ein bisschen mehr auf eine gleichmäßige Qualität der Bunde und lassen beim Schnitt ein paar cm mehr dran am Ast als normal.
Wir haben so die Chance, Jahr für Jahr kontinuierlich Tannenzweige an Kunden zu liefern." - Benedikt Schneebecke
Dann können sich die Kunden die Zweige besser zurechtschnitzen“, sagt Schneebecke. Dann verrät er: „Ich als Erzeuger erhalte dafür etwa 50 Cent mehr pro Bund als handelsüblich.“ Rein optisch ist der Experte positiv überrascht von der Tanne. „Optisch passt das ganz gut. Wer natürlich reine erste Wahl Nordmanntannen gewöhnt ist, dem fehlt beim Keinachtsbaum was. Aber besser als ein Plastikbaum ist er allemal.“
Es gibt einige Unterschiede zwischen einer Weihnachtsbaumkultur und einer Schnittgrünkultur. Weihnachtsbäume stehen etwa sieben bis neun Jahre, werden dann geerntet und anschließend nachgepflanzt. Die Alternative dazu ist die Anlage von Flächen, auf denen die Bäume nicht abgesägt werden, sondern weiterwachsen dürfen. Bei diesen Schnittgrünflächen können die Produzenten jedes Jahr wieder ein Kranz an Zweigen ernten. Der Baum wächst immer weiter nach oben und gibt jedes Jahr einen neuen Kranz Zweige. Das kann man ca. 25 Jahre lang machen, dann sind die Bäume zu groß und die Ernte ist nicht mehr wirtschaftlich.
Und woher stammt der Stamm?
Einen passenden Partner für die Produktion der Stammelemente aus Eschenholz zu finden, war für den Gründer kein Selbstläufer. „So einfach die Idee auch ist, so schwierig und aufwendig ist die Herstellung. Die Einzelteile aus FSC-zertifiziertem Holz mit den bis zu 105 Löchern bringen jeden Schreiner ins Schwitzen“, sagt Nico Stisser. Denn selbst mit dem Einsatz moderner CNC-Fräsen dauert es immer noch knapp eine Stunde, um einen Keinachtsbaum herzustellen. Nachdem Stisser über 100 Firmen anfragte, von denen nur eine Handvoll überhaupt antwortete, entschied er sich für die einzige deutsche Firma, eine kleine Manufaktur. Mittlerweile arbeitet er mit mehreren Manufakturen und Werkstätten zusammen.
In Zukunft Agroforst für Weihnachtsbäume?
„Aktuell arbeiten wir mit Agroforst– und Permakultur-Experten an einem Konzept, das es ermöglichen soll, Schnittgrün nach dem Waldgartenprinzip anzubauen“, sagt Nico Stisser. Die so angepflanzten Mischkulturen könnten nach etwa 25-jähriger Nutzung (danach sind sie zu groß) in den Waldzustand übergehen und theoretisch zwischen 500 und 700 Jahre alt werden.
Daher ist das Keinachtsbaum-Team aktiv auf der Suche nach Partnern aus der Land- und Forstwirtschaft, die langfristig Schnittgrünplantagen nach Agroforst-Prinzipien aufbauen und ihre Direktvermarktung ergänzen wollen.
Statt das Schnittgrün lediglich von einem Produzenten zu beziehen und quer durch Deutschland zu verschicken, will Stisser künftig mehr auf lokales Schnittgrün setzen und auch seine Kunden dazu animieren, ihre Zweige vor Ort zu kaufen. Da die Zweige aber optisch gewisse Qualitätsstandards erfüllen müssen, will er künftig ein Erzeugernetzwerk aufbauen. Dort könnten sich andere lokale Händler und Produzenten anschließen, die „Keinachtsbaum“-zertifiziert werden. Kunden könnten dann schnell und einfach den passenden Händler in ihrer Region finden.