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Start der Ernte 2024 Vereinfachungen für 2025 Pauschalierung

topplus Gastkommentar

Der Verzicht auf Stilllegung kann zum Bumerang für die Landwirtschaft werden

Die Aussetzung der Stilllegung (GLÖZ 8) ist der Erfolg der Bauernproteste. Doch das könnte sich als Nachteil für die Landwirtschaft erweisen. Warum die Entscheidung eher zu Planungsunsicherheit führt.

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Gastkommentar von Prof. Sebastian Lakner (Universität Rostock) & Dr. Norbert Röder (Thünen-Institut, Braunschweig).

Landwirtinnen und Landwirte protestieren 2024 in ganz Europa. Die EU-Kommission reagiert inzwischen auf die aktuellen Proteste und senkt die Umweltstandards deutlich. Damit gibt die Kommission ihren eigenen agrarumweltpolitischen Anspruch weitestgehend auf. Für landwirtschaftliche Betriebe ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht.

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Die Standards des „Guten Landwirtschaftlichen und Ökologischen Zustands“ von Agrarflächen (GLÖZ) sind ein Kernbestandteil der GAP. Allerdings wird wie im Vorjahr auch 2024 der GLÖZ 8 Standard mit dem Ziel der „Erhaltung nichtproduktiver Landschaftselemente und Flächen zur Verbesserung der Biodiversität innerhalb landwirtschaftlicher Betriebe“ im Hinblick auf die Bereitstellung von Ackerbrachen (im Folgenden kurz Brachen) de-facto ausgesetzt.

Dies ist offenbar nur ein Zwischenschritt: So plant die Kommission neben anderen Absenkungen der GLÖZ-Standards, dass GLÖZ 8 bis zum Ende der Förderperiode auf ein Verbot der Beseitigung von Landschaftselementen reduziert wird. „Nicht-produktive Flächen“ werden nicht mehr gefordert. Dies kommt einem Kahlschlag gleich. Für 2023 wurde die Aussetzung mit den gestiegenen Agrarpreisen begründet; für 2024 ist die Begründung, dass die Preise (wieder auf Normalniveau) gefallen sind.

Zu den Plänen fehlt noch die abschließende Zustimmung in EU-Parlament und Rat. Der Vorschlag bedeutet, dass in Hinblick auf die Bereitstellung von Brachen das Anforderungsniveau für die Betriebe auf ein Niveau zurückgeht, das dem im Zeitraum zwischen 2008 und 2014 entspricht, als keine Verpflichtung zur Bereitstellung von Brachen bestand.

Warum ist das Schleifen der GLÖZ 8-Regelung ein Problem?

Die Wissenschaft ist sich einig, dass Brachen essenziell für den Erhalt der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft sind (Leopoldina 2020). Die Brachen waren bereits in den 1990er- und 2000er-Jahren integraler Bestandteil der GAP mit einem Anteil von 5-6 % der Agrarlandschaft. Damals war das Hauptziel die Begrenzung der Überproduktion, daher der Name „Stilllegung“. Seit 2015 ist das Ziel die Förderung der Artenvielfalt (= Produktion von Biodiversität). Insofern spricht aus der Verwendung des Begriffs „Stilllegung“ eine gewisse Ignoranz gegenüber den Zielen des Biodiversitätsschutzes in GLÖZ 8 und Öko-Regelung 1.

Was sind die ökologischen Folgen der Aussetzung der Stilllegungsverpflichtung 2007/08?

Im Zuge der Ernährungskrise 2006/07 mit hohen Weltmarktpreisen, sowie aufgrund der rückläufigen EU-Agrarexportüberschüsse wurde die „Stilllegung“ 2007/08 ausgesetzt und im Zuge des Health Checks 2009 durch die EU vollständig abgeschafft. Die ökologischen Schäden des Endes der Stilllegung 2008 für die Biodiversität sind gut dokumentiert.

Traba & Morales (2019) zeigen für Spanien einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Brache und dem Bestand verschiedener Agrarvogelarten. Herzog et al. (2023) zeigen, dass in Deutschland für den Zeitraum von 2007 bis 2016 die Bestände von Feld- und Heidelerche, Ortolan, Grau- und Goldammer sowie Schafstelze, Braunkehlchen, Neuntöter und Baumpieper stark positiv mit dem lokalen Flächenanteil an Ackerbrachen korrelieren. Für Ackerwildkräuter bieten Brachen Lebensraum, auch wenn für den Schutz seltener Arten andere, ergänzende Maßnahmen notwendig sind. Brachen erhöhen die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft, was Insekten fördert. Die Literatur zeigt insgesamt, dass die Brachen eine wichtige Funktion für die Arten der Agrarlandschaft spielen können (Firbank et al. 2003).

Die höhere Insektenvielfalt auf Brachen hat einen regulierenden Effekt auf benachbarte Produktionsflächen und mildert dort den Einfall von Schadinsekten (z.B. Blattläuse). Des Weiteren sind positive Effekte bei der Bestäubung der Nutzpflanzen dokumentiert (Karp et al. 2018).

Brachen bieten durch ihre strukturelle Vielfalt für größere Wildtiere einen wichtigen Rückzugsraum, weshalb Jagdverbände häufig ein Interesse an ihnen haben. Brachen und Landschaftselemente begünstigen ein ausgeglichenes Mikroklima und verhindern Winderosion (Pörtner et al. 2020). Gerade in intensiv genutzten, ausgeräumten Landschaften stiften Brachflächen einen hohen zusätzlichen Nutzen (Tscharntke et al. 2010).

Natürlich hängt die Wirkung der Brache von ihrer Lage, ihrem Management und den naturschutzfachlichen Zielen Vor-Ort ab. Je nach dem kann eine Schwarzbrache, eine einjährige oder fünfjähriger Brache mit und ohne gezielter Ansaat zielführender sein. Eine optimale Lösung erfordert lokale Anpassungen. Dies stellt die grundsätzliche Aussage nicht in Frage: Brachen sind hochwirksam für den Erhalt der Artenvielfalt.

Welche Folgen hat die Aussetzung der Stilllegung 2024 für die Landwirtschaft?

Für die landwirtschaftlichen Betriebe sind die Änderungen bei GLÖZ 8 nicht unbedingt eine Verbesserung. Und das aus folgenden Gründen:

  1. Mit den zum Teil radikalen Protestformen verfestigt sich ein Bild des Berufsstands in der Öffentlichkeit, das nicht hilfreich ist. Die meisten Demonstranten sind friedlich und wollen über die Demonstrationen auf ihre vielfältigen Anliegen aufmerksam machen. Was hängen bleibt ist ein anderes Bild: Der Berufsstand verweigert sich allen Reformen und ein paar brennende Reifen in Brüssel reichen aus, um die Kommission gefügig zu machen.

  2. Die Änderungen entsprechen keineswegs den Interessen des gesamten Berufsstands. Es gibt zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte, die sich um Umweltbelange kümmern und Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen auf ihren Betrieben bereits umsetzen. Für sie sind diese Änderungen eine systematische Benachteiligung.

  3. Die Vorschläge der Kommission sind aus Sicht des Bürokratieabbaus wenig relevant, da doppelte Kontrollvorgaben und die Vorgaben rund um die Tierhaltung wesentlich mehr Aufwand bedeuten. Auch die anderen Meldepflichten entfallen durch die Aufweichung der GLÖZ-Kriterien nicht. Insofern verspricht die Änderung in Hinblick auf Bürokratieabbau mehr als sie hält.

  4. Mittelfristig verringern die Änderung die Planungssicherheit, da unklar ist, ob dieser Rückbau überhaupt bestehen bleibt. Die Umweltprobleme werden durch diese Änderungen nicht verschwinden, im Gegenteil: Der Rückgang der Artenvielfalt, der fortschreitende Klimawandel und regionale Nährstoffüberschüsse werden ein Thema bleiben. Es besteht wissenschaftlicher Konsens, dass der umweltpolitische Handlungsbedarf weiterhin groß ist, es geht eher um das „wie“. In drei Jahren könnten genau die gleichen Regeln zurückkommen. Andere Szenarien wären eine stärkere Kürzung der GAP-Gelder oder die „schlagartige“ Verschärfung des Ordnungsrechts, so geschehen bei der Nitrat-Richtlinie. Für die Landwirtschaft bedeutet das Unsicherheit, ein Problem, das auf den Demonstrationen oft angesprochen wurde. Mit ihrem Vorschlag erhöht die Kommission die Unsicherheit, statt für belastbare Regeln zu sorgen.

Ist die Förderung der Brachen über die Öko-Regelungen ein Ausweg?

Nachdem die verpflichtende GLÖZ-Brache nun weitestgehend gestrichen ist, bleibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit Brachen freiwillig über die Öko-Regelungen (ÖR) zu vergüten. Dazu ruft die EU-Kommission in ihrem Entwurf ausdrücklich auf.

Diese Bestimmung ist zwar für die Mitgliedsstaaten bindend, ohne allerdings eine Erhöhung des Mindestbudgets dafür vorzusehen. Des Weiteren ist offen, ob ein Mitgliedsstaat wie z.B. Deutschland, das bereits eine Öko-Regelung zur Förderung von Brachen anbietet, überhaupt etwas ändern müsste. Soweit wir es verstehen: Nein.

Insgesamt bedeutet der Vorschlag der EU-Kommission, dass die von der Landwirtschaft erbrachten Umweltleistungen bei gleicher Höhe der Direktzahlungen sinken. Der bisherige Trend, die Agrarzahlungen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stärker an gesellschaftliche Leistungen zu binden, wird mit diesem Vorschlag gebrochen.

Für die Zukunft der GAP bedeutet dies zweierlei:

  1. Schaffen es die Mitgliedsstaaten eine vernünftige Förderung der Brachen anzubieten – angesichts der bisherigen Erfahrung sind wir eher skeptisch.

  2. Wie lassen sich langfristig die GAP-Fördergelder gegenüber den Steuerzahlern begründen, wenn ihnen keine angemessenen Leistungen für Umwelt- und Tierwohl gegenüberstehen?

Eigentlich war die GAP-Reform 2021 ein Schritt in die richtige Richtung. Mit den jetzigen Vorschlägen wird die Debatte über den Sinn der Agrarsubventionen wieder an Fahrt gewinnen.

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Wie blicken Sie auf die Aussetzung der verpflichtenden Stilllegung? Spielt das für Sie in Ihrer Betriebsorganisation eine große Rolle? Ist es für Sie attraktiv, freiwillig Brache über die Öko-Regelungen anzulegen und sich vergüten zu lassen?

Sagen Sie uns Ihre Meinung und schreiben Sie diese gern an stefanie.awater-esper@topagrar.com. Wir behalten uns vor, besonders interessante Beiträge gekürzt zu veröffentlichen.

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