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Agri-Photovoltaik: Das sollten Sie bei der Planung beachten

Bei der Agri-PV müssen Landwirte von der Standortwahl über Aufständerung, Stromnutzung, Bewirtschaftung bis hin zur Baugenehmigung Landwirte einiges beachten, erklärt Prof. Karl Wild.

Lesezeit: 7 Minuten

Hintergrund: Die Energiewende ist nur mit einem massiven Ausbau der Photovoltaik zu schaffen. Dafür reichen aber neue Anlagen auf Dächern oder Gebäudewänden allein nicht aus. Anlagen müssen auch „in der Fläche“ erstellt werden. Sofern dies nicht auf Flächen wie ehemaligen Deponien oder Tagebaukonversionsflächen erfolgt, geht dies hauptsächlich zu Lasten von Wiesen und Feldern. Mit der Agri‐Photovoltaik (Agri-PV) hat man nun Lösungen gefunden, die sowohl die Solarstromerzeugung als auch die landwirtschaftliche Produktion gleichzeitig auf einer Fläche ermöglichen soll. Prof. Karl Wild von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden gibt Tipps, was Landwirte bei der Planung beachten sollten. Die Hochschule betreibt seit knapp einem Jahr eine eigene Agri-PV-Anlage zu Forschungszwecken.

Prof. Wild, das Interesse an der Agri‐Photovoltaik hat in den letzten Monaten bei den Landwirten stark zugenommen. Woran liegt das?

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Wild: Gründe dafür sind kürzlich durchgeführte Veränderungen in verschiedenen Ordnungen und Gesetzen. So ist es z.B. mit den neuen Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG 2023) leichter, eine Förderung für den eingespeisten Strom zu erhalten. Noch wichtiger sind die Anpassungen in den GAP‐Direktzahlungsverordnungen. Sofern der Flächenbedarf auf einem Feld für die Agri‐Photovoltaikanlage nicht mehr als 15 % beträgt, bekommt man für 85 % der Fläche weiterhin die Direktzahlungen. Außerdem hat im letzten Jahr die oberste Finanzverwaltung bekannt gegeben, das Agri‐Photovoltaikanlagen nun dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen zugerechnet werden, so dass die Flächen auch weiterhin der Grundsteuer A unterliegen und bei der Erbschafts‐ und Schenkungssteuer sehr viel günstiger wegkommen. Außerdem behält eine Fläche mit einer Agri-Photovoltaikanlage ihren Status als landwirtschaftliche Nutzfläche.

Aktuell werden verschiedene Anlagentypen installiert, von Anlagen mit senkrechten Modulen bis zu hoch aufgeständerten Anlagen. Sind das alles Agri-PV-Anlagen?

Wild: Das kann man pauschal nicht sagen. Landwirte sollten sich unbedingt an der Vornorm „DIN SPEC 91434“ orientieren, die man kostenlos im Internet findet. Sie definiert, was unter die Agri-PV fällt. Das sollte unbedingt beachtet werden, da mehr und mehr Verordnungen sich auf diese Norm beziehen. Ein Typ, der nicht unter die Norm fällt, könnte demnach bei der Förderung leer ausgehen.

Was raten Sie, wie man den richtigen Standort eine Anlage auswählt?

Wild: Bei der Standortwahl denkt der Landwirt in erster Linie an die Flächen, die schlechte Bodenzahlen aufweisen oder schwierig zu bewirtschaften sind, was natürlich richtig ist. Wichtiger sind bei der Auswahl aber zwei andere Faktoren, nämlich der Abstand zum Einspeisepunkt bzw. zum Ort des Stromverbrauchs und die Baugenehmigungsfähigkeit. Die Stromleitung zum Einspeisepunkt kann sehr teuer ausfallen und gerade bei kleineren Anlagen kann der Kostenanteil so groß sein, so dass ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr gegeben ist. Ein Anschlusspunkt in der Nähe bedeutet nicht immer, dass ein Anschluss möglich ist. Insbesondere bei größeren Anlagen kann eine ausreichende Anschlusskapazität an diesem Anschlusspunkt nicht gegeben. Auskunft darüber gibt der Netzbetreiber.

Was ist bei der Baugenehmigung zu beachten? Sind die Anlagen im Außenbereich wie die Windenergie auch privilegiert?

Wild: Nein, leider sind nach dem §35 im Baugesetzbuch Agri-PV im Außenbereich nicht per se privilegiert, sondern können es dann sein, wenn der Bau „einem land‐ oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.“

Wann „dient“ eine Anlage dem Betrieb?

Wild: Einige Landwirte argumentieren, dass der Schatten von den Modulen in heißen Jahren Strahlungsschäden an den Kulturen verhindert oder die Verdunstung in trocknen Jahren verringert und damit die Ertragsverluste aufgrund von Wassermangel reduziert. Aber mit diesen weichen Faktoren hat man keine gute Chance bei den Baubehörden. Deutlich besser sieht es aus, wenn z.B. ein Obstbauer argumentiert, dass mit den Solarmodulen über den Obstreihen ein wirksamer Hagelschutz erzielt wird und somit auf Hagelschutznetze verzichten werden kann. Am einfachsten geht es, wenn der Bauantrag mit Eigenstromverbrauch begründet wird. Der erzeugte Strom wird also im landwirtschaftlichen Betrieb verwendet. Wie viel von dem erzeugten Solarstrom man mindestens selbst verbrauchen muss, ist nicht eindeutig geklärt. In den letzten Wochen hat sich bei Anfragen bei Kommunen gezeigt, dass diese bei 55 oder 60 % Eigennutzungsanteil eine Baugenehmigung erteilen würden. Um diese Werte zu erreichen, kann es unter Umständen erforderlich sein, Solarstromspeicherlösungen für Verbräuche in Dunkelphasen in das Vorhaben mit einzubeziehen. Bei unserer Agri‐Photovoltaikforschungsanlage an der HTW Dresden wird der Strom für einen elektrisch angetriebenen Forschungstraktor und weiteren Geräten verwendet.

Was aber, wenn Eigenverbrauch nicht in Frage kommt oder aufgrund der Anlagengröße nur ein geringer Anteil selbst verbraucht werden kann?

Wild: Dann kommt man an einem Bauleitplanverfahren nicht vorbei. Das bedeutet, dass der Flächennutzungsplan der Kommune geändert und ein Bebauungsplan erstellt werden muss. Dies erfordert einen erheblichen Aufwand von den Behörden, da hier verschiedenste Stellungnahmen und Gutachten (z.B. in Bezug auf Umwelt‐ und Artenschutz, FFH‐Verträglichkeit, Bodengutachten) erstellt bzw. eingeholt werden müssen. Außerdem beinhaltet es einen frühzeitigen Einbezug der Öffentlichkeit, was in manchen Fällen zu einem vorzeitigen Aus für das Vorhaben führen kann. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass die Verfahrensdauer bis zu 2 Jahren und mehr betragen kann.

Was muss man bei der Bewirtschaftung beachten?

Wild: Eine Agri‐Photovoltaikanlage stellt fast immer einen Kompromiss zwischen der Solarstromerzeugung und der landwirtschaftlichen Produktion dar. Es muss einem bewusst sein, dass die Anlage die Bewirtschaftung mehr oder weniger erschwert. Aus dem vormals großen Schlag werden je nach Anlagentyp viele sehr kleine und schmale Schläge entstehen, da die Gerüste bzw. die Modulreihen ein Feld zerstückeln. Der Grad der Zerstückelung hängt vor allem vom Anlagentyp ab. Nach jetzigem Kenntnisstand sind gute Kompromisslösungen z.B. Systeme mit vertikal aufgestellten, bifacialen Modulen. Bifacial heißt, dass die Module sowohl über die Vorder‐ als auch über die Rückseite Strom produzieren. Die Modulreihen verlaufen ähnlich wie ein Gartenzaun idealerweise von Nord nach Süd, so dass vormittags die eine Seite der Module und nachmittags die andere Modulseite von der Sonne bestrahlt wird. Direkt unter den Modulreihen verbleibt ein schmaler Streifen (ca. 1 m), der nicht bewirtschaftet wird und der Biodiversität dienen kann. Auch gibt es Ausführungen, bei denen an Stelle von bifacialen Modulen schwenkbare Standardmodule verwendet werden, welche dann der Sonne folgen.

Welchen Abstand zwischen den Modulreihen empfehlen Sie?

Wild: Der Abstand zwischen den Modulreihen liegt üblicherweise im Bereich von 9 bis 12 m. Der zu wählende Abstand hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Zunächst stellt sich die Frage, ob man seine Fahrzeuge manuell lenkt oder mit RTK‐GPS arbeitet. Bei manueller Lenkung wird man einen größeren Sicherheitsabstand zu den Modulreihen einhalten und bei der Bodenbearbeitung breiter überlappen als beim Einsatz von RTK‐GPS. Momentan gibt es noch keine sicheren Aussagen, ob es in einer Anlage zur Abschattung von GPS‐Signalen kommt. Deshalb laufen derzeit Untersuchungen in unserer Agri‐Photovoltaikanlage zu dieser Frage. Bei der Wahl der Reihenabstände geht es darum, unnötig große Überlappungen bzw. zusätzliche Fahrten zur Bearbeitung eines schmalen verbliebenen Reststreifens zu vermeiden. Unter Umständen kann es sogar erforderlich sein, neue Technik anzuschaffen.

Welche Kulturen können Landwirte unter oder zwischen Agri-PV-Modulen anbauen?

Wild: Bei Anlagen mit nicht hochaufgeständerten Modulen, wie z. B. bei den senkrechtstehenden bodennahen Modulen, muss bei der Kulturauswahl auch an eine mögliche Schattenwirkung der Pflanzen auf die Module geachtet werden. Je größer der Abstand der Module zum Boden ist, desto höher darf die Kultur wachsen, wie z. B. Roggen. Mais kommt aber trotzdem nicht in Frage. Wesentlich geringer sind die Herausforderungen auf Grünland, v.a., wenn Anwelksilage produziert wird. Bei der Produktion von Heuballen wird das Ballenladen mit dem Frontlader etwas aufwendiger, da ein „Querfahren“ auf der Wiese nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich muss man sagen, dass es bei der Agri-PV noch viel Forschungs- und Optimierungspotenzial beim Betrieb und der Bewirtschaftung gibt. Mit den Forschungsarbeiten in unserer Agri‐Photovoltaikanlage – angefangen bei der Technikverbesserung, über Auswirkungen auf den Pflanzenertrag bis hin zur Förderung der Biodiversität – wollen wir hier Abhilfe schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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