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Energiewende: „Wir brauchen Wind, Solar, Biogas, Holz und Rapsöl“

Prof. Michael Sterner von der OTH Regensburg ist Autor eines neuen Buchs zur Energiewende. Wir haben den Bauernsohn gefragt, welche Chancen er für Biomasse sieht.

Lesezeit: 6 Minuten

In Ihrem neuen Buch „So retten wir das Klima“ sehen Sie die Wind- und Solarenergie als tragende Säule der künftigen Energieversorgung. Ist das realistisch mit Blick auf Flächen und Akzeptanz?

Sterner: Ja, wenn auch der letzte Gemeinderat verstanden hat, dass das Land die Städte mit Energie versorgen wird und es deshalb nicht ausreicht, nur Solarstrom für den Eigenbedarf zu generieren. Und wenn endlich die Mythen zu Wind und Solar aus der Welt sind.

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Wir werden nicht hungern, wenn wir Solarparks bauen, die gerade mal 0,07 % unserer Bundesfläche belegen. Im Gegenteil: Ein Hektar Solarpark liefert so viel Strom wie 40 ha Biogasmais. Die Extensivierung bringt zudem Vorteile für Artenvielfalt und Gewässer. Genauso wird bei der Windkraft der Artenschutz gewährleistet und der Infraschall ist viel zu schwach, um Menschen zu schaden.

Und günstiger Ökostrom ist nicht nur Klima- und Heimatschutz, sondern auch Bestandsschutz für Industrie und Gewerbe durch bezahlbare Stromkosten. Wir haben noch große Potenziale auf Feldern und Dächern, die für 5 ct/kWh genutzt werden können. Neue Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerke dagegen erzeugen Strom für 20 bis 40 ct/kWh.

Zur Flankierung der schwankenden Einspeisung ist mehr Flexibilität nötig, der Netzausbau kommt kaum hinterher. Welche Schritte sind jetzt nötig?

Sterner: Seit 2010 ist klar: Wir brauchen viel mehr Stromnetze. Vor allem die bayerische Blockade über Jahre hat der Sache nicht gedient, sondern im Gegenteil viel volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet: Milliarden Euros für eine unnötige Erdverkabelung, Milliarden Euros für weggeworfenen Windstrom im Norden samt hoher Netzentgelte und im Ergebnis eine stark schwächelnde Versorgungssicherheit für den ganzen Süden.

Es wäre sinnvoll gewesen, 2010 die Übertragungsnetze in staatliche Hände zu legen, wie es diskutiert wurde. Dann würde das der Staat bauen als Teil der Daseinsvorsorge und kritischen Infrastruktur, ähnlich der Wasserversorgung. Ansonsten bleibt uns nur das x-te „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“. Neben den Netzen braucht es auch die Speicher und die sind alle da!

Welche Speicher sind sinnvoll?

Sterner: Für die kurze Zeiten lohnen sich Pumpspeicher und Batterien. Zur langfristigen Speicherung haben wir vor allem im Norden und Osten die Gasspeicher im Boden, die wir über Wasserstoff und Power-to-Gas mit Wind- und Solarenergie speisen können.

In der Landwirtschaft wird überall ein Batteriespeicher interessant – gerade bei auslaufenden EEG-Anlagen und hohen Strompreisen. Aber auch bei neuen Solarparks: Batteriespeicher verlagern die Einspeisung von Solarstrom in Hochpreiszeiten. Eine Investition, die sich derzeit in weniger als fünf Jahren amortisiert und zudem die Netze stabilisieren kann und damit mehr Platz für weitere Solarparks schafft. Damit das alles so kommt, brauchen wir weniger Bürokratie, mehr Pragmatismus und mehr Rechtssicherheit für Windparks und Solar-Freiflächenanlagen.

Flexibilisierte Biogasanlagen können einen Großteil des Reststrombedarfs in Zeiten der „Dunkelflauten“ decken. Inwiefern sehen Sie darin eine Option?

Sterner: Biogasanlagen sind die Lückenfüller für Wind und Solar. Gerade Reststoffe finden darin eine sehr sinnvolle Verwertung. Und alle Biogasanlagen Deutschlands könnten über das Power-to-Gas-Verfahren samt Wind- und Solarstrom via Wasserstoff so viel grünes Gas herstellen, dass wir damit drei Viertel der Gasspeicher füllen und jede Dunkelflaute überbrücken könnten.

Leider gibt es Naturschutzverbände, die ähnlich wie Anti-Windkraft-Bewegungen Mythen in die Welt setzen. In dem Fall, dass Biogas nicht CO2-neutral sei. Dabei ist es biologisch glasklar: Die Pflanze muss zuerst wachsen, bevor sie verbrannt werden kann. Dabei bindet sie das CO2 aus der Luft, was dann bei der Verbrennung wieder freigesetzt wird.

In Ihrem Buch lehnen Sie auch Biokraftstoffe nicht per se ab, die seit 2007 in der Kritik stehen. Welches Potenzial sehen Sie dabei?

Sterner: Die Nutzung von Nebenprodukten ist positiv für die Energie- und Klimabilanz. 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden laut FNR für Futtermittel verwendet, vorwiegend für Fleisch und Milch. Hier erwarte ich in den nächsten Jahren eine deutliche Verschiebung von tierischer zur pflanzlichen Ernährung. Damit werden viele Flächen frei, die für Solarparks und Biokraftstoffe genutzt werden können.

Wir hatten vor 70 Jahren auch auf unserem Hof ein Drittel der Fläche für Energie genutzt: für Hafer für unsere Zugtiere. Für die heutigen Pferdestärken der Verbrennerautos reicht die Fläche nicht mehr, sehr wohl aber für die Zugmaschinen in der Land- und Forstwirtschaft. Ich wünsche mir eine steuerlich angereizte Rückkehr zu Rapsöl samt Mühlen. Wasserstoff- oder Stromtraktoren bleiben die nächsten zehn Jahre wohl noch in den Entwicklungsgaragen der Hersteller.

Viele Umweltverbände, aber auch Teile der Bundesregierung, wollen Waldholz so gut wie nicht mehr energetisch nutzen. Ist das sinnvoll?

Sterner: Auch Holz ist CO2-neutral und kann vor allem in Bestandsgebäuden zum Einsatz kommen, weil die nur aufwendig gedämmt mit Wärmepumpen auszustatten sind. Und in Notzeiten, wie uns die Ukraine lehrt, ist jeder froh um einen Holzofen. Generell ist ein Mischwald am stärksten für die Zukunft aufgestellt, der am besten naturverjüngt gewachsen ist.

Käfer, zu hoher Wildbestand und Klimawandel haben dem Bestand schon genügend zugesetzt. Der Wald braucht unseren Schutz. Und er ist in erster Linie ein Ökosystem, das wir weiterhin auch brauchen und wirtschaftlich nutzen werden: für den Holzbau, aber auch für Brennholz in Form von Pellets, Hackschnitzel und Scheitholz. Beide Nutzungsformen sind wichtig.

Ein Großteil Ihres Buches widmen Sie der Akzeptanzsteigerung. Angesichts von über 1.000 Bürgerinitiativen allein gegen Windparks scheint das angemessen. Wie lässt sich die Energiewende sozialverträglich umsetzen?

Sterner: Neben Information und sachlicher Aufklärung ist das Zauberwort „Teilhabe“. Wenn Wind- und Solarparks errichtet werden, gehören die umliegenden Anwohner beteiligt: durch günstigere Stromtarife als der Rest, Investitionsmöglichkeiten oder andere Formen der Teilhabe. Mittlerweile sind 0,2 Cent pro Kilowattstunde als kommunale Abgabe abzuführen. Das ergibt etwa 20.000 € pro Windrad im Jahr oder 1.000 €/ha Solarpark. Damit können Kommunen Schulen oder Kindergärten sanieren oder Vereine unterstützen. Damit bleibt der Erlös in der Region und somit bei den Menschen vor Ort und wandert nicht nach Russland, Saudi-Arabien oder Katar ab.

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