Experten in Sorge – Vogelgrippe unter US-Kühen weitet sich aus
In den USA breitet sich das Virus H5N1 unter Kühen aus und anscheinend sind zunehmend auch Menschen infiziert. Das Thema wird aber bewusst klein gehalten, was die Fachwelt entsetzt.
Das Vogelgrippevirus H5N1 breitet sich unter Milchkühen in den USA weiter aus. Im März hatten Veterinäre die neue Version der Vogelgrippe erstmals in der Milch texanischer Kühe nachgewiesen. Seit November kursiert er offenbar schon in den Beständen.
Inzwischen hat das Virus mindestens 132 Herden in zwölf US-Bundesstaaten erreicht, wahrscheinlich mehr, berichten Medien. Dass es sich so leicht unter den Tieren ausbreitet - insbesondere über das Euter der Tiere – könnte an den Melkmaschinen liegen, vermuten Fachleute.
Kühe überstehen Infektion
Die Rinder sollen nach bisherigen Beobachtungen die Infektion in der Regel gut überstehen und zeigten oft noch nicht mal Symptome. Dramatischer seien die Auswirkungen dagegen bei Katzen: Rund die Hälfte der Tiere, die mit Rohmilch infizierter Kühe gefüttert wurden, starben. Sie torkelten, wurden blind und apathisch, ihre Hirne und Blutgefäße erlitten großflächig Schaden, schreibt etwa der Spiegel.
Dutzende infizierte Mäuse wurden ebenfalls entdeckt. Aus Laborversuchen wissen Forschende, dass Mäuse nach der Infektion innerhalb eines Tages erkranken und hohe Viruslasten in ihren Atemwegen herumtragen.
Droht Menschen neue Krankheitswelle?
Experten wie der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sind besorgt, dass der Weg für das Virus zum Menschen nicht mehrt weit sei. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hält er H5N1 bei Kühen derzeit für einen der wichtigsten und gefährlichsten Pandemiekandidaten. Wichtig sei, die Verbreitung in den USA jetzt sofort und durchgreifend zu stoppen.
So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt.
Drosten im RND-Interview
Bislang sind drei Personen bekannt, die sich auf betroffenen US-Farmen an Kühen mit dem Erreger angesteckt haben. Zwei Farmmitarbeiter litten nur an einer Bindehautentzündung, eine dritte Person zeigte alarmierende Symptome wie Husten und Halsschmerz. Dass der Atemtrakt beteiligt war, ist bedenklich, denn über die Atemluft oder den Auswurf beim Husten könnten theoretisch andere Menschen leicht infiziert werden, heißt es.
Sollte der Erreger irgendwann durch eine Mutation einen leichteren Weg zum Menschen finden, droht eine internationale Notlage, die womöglich Grenzschließungen nach sich zöge, schreiben die Zeitungen wie der Münchner Merkur weiter. Eine desaströse Pandemie könnte die Folge sein, denn kaum jemand habe bisher Immunität gegen H5N1. Auch frühere Grippeschutzimpfungen nutzen wohl wenig gegen diesen neuartigen Erreger.
Für große Kritik sorgt in der Fachwelt, dass sich das US-Landwirtschaftsministerium so wenig kümmert. Statt großflächiger Tests gebe es nur sporadisch Veröffentlichungen. Es liegt auch der Verdacht in der Luft, dass negative Ergebnisse bewusst zurückgehalten werden. Fachleute beklagen Intransparenz der Behörden, die das Gegenteil von Vertrauen auslösten.
Das sieht auch das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems so. Auch deren Anfragen und Datenwünsche werden offenbar von US-Seite bislang ignoriert. Die Ursache für das Behördenversagen soll in einem Kompetenzwirrwarr begründet liegen.
Wenn heute eine Pandemie droht – etwa wenn sich H5N1 von Mensch zu Mensch ausbreitet – wäre die Welt wahrscheinlich wieder überfordert.
Helen Clark, Independent Panel for Pandemic Preparedness and Response
So würden kaum Familienangehörige untersucht. Und beim Veterinärpersonal soll es auffällig viele Krankheitsfälle gegeben haben, die aber nicht näher untersucht wurden. Womöglich gibt es also längst mehr Infektionen unter Menschen als offiziell bekannt, vermuten die Zeitungen.
Farmer wollen kein Aufsehen
Für Herden und Mitarbeiter gibt es derzeit keine Testpflichten, und nur wenige Freiwillige erklären sich zu Tests bereit. Den Farmern kommt diese Geheimnistuerei wohl auch entgegen: Viele Landwirte wollen die Behörden prinzipiell nicht auf den Betrieb lassen. Wenn eine Herde als positiv eingestuft wird, fällt sie nämlich unter Quarantäne. Den finanziellen Schaden trägt der Farmer. So zu tun, als wisse man von nichts, mag unter solchen Umständen die betriebswirtschaftlich klügere Option sein, bewertet der Spiegel dieses Verhalten.
Wenn es dem Virus gelingen sollte, sich an die menschlichen Andockstellen anzupassen, ist die nächste Pandemie so gut wie sicher.
Epidemiologe Alexander Kekulé
Mit ein Grund könnte auch sein, dass viele Arbeiter aus Mittel- und Südamerika stammen und oft weder Aufenthaltstitel noch Krankenversicherung oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Sie arbeiten selbst dann, wenn sie sich nicht gesund fühlen.
Milch wird besser kontrolliert
Immerhin warnen die Behörden vor dem Verzehr von Rohmilch aus betroffenen Betrieben. Die Pasteurisierung, also die kurzzeitige Erhitzung der Milch auf bis zu 75 Grad Celsius, scheint das Übertragungsrisiko intakter Viren auszuschalten. Dennoch finden sich in betroffenen Regionen Virenpartikel wohl in jeder fünften Milchpackung aus dem Supermarkt, heißt es.
Um der Lage Herr zu werden, könnten große Keulungsaktionen erfolgreich sein. Doch niemand wisse derzeit, wie die Lage tatsächlich ist, u.a. auch weil es kein Register wie HIT oder eine Nachverfolgbarkeit in den USA gibt.
Wahrscheinlich ist es dafür aber eh schon zu spät. So gebe es Hinweise, dass das Virus zwischen Wildvögeln und Rindern hin- und herwechseln kann. In diesem Fall schiede das Keulen als Instrument zur Seuchenkontrolle aus. Womöglich müssen sich US-Virologen – und die Weltbevölkerung – darauf einstellen, dass sich H5N1 mit den Kühen ein frisches Reservoir erobert hat, aus dem es sich nicht mehr vertreiben lässt. Die Furcht, dass sich der Erreger von dort aus bereit machen könnte für den Menschen, würde zum permanenten Bedrohungsszenario.
Virologe Drosten fordert ein entschlosseneres Vorgehen der USA, indem beispielsweise infizierte Herden isoliert und bestimmte Hygienemaßnahmen in Betracht gezogen werden. „Auch darüber, Kühe zu impfen“, sollte nach Ansicht des Experten nachgedacht werden.
H5N1 auf Säugetiere übersprungen
An der Variante H5N1 hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in Asien mindestens 889 Menschen angesteckt, 463 sind gestorben. 2020 könnte in Asien eine neue Form entstanden sein, die noch aggressiver sei. Millionen Vögel starben daraufhin auf allen Kontinenten. Es traf aber vereinzelt auch Bären, Füchse, Nerze, vor allem aber Seelöwen und See-Elefanten in Südamerika.
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Das Vogelgrippevirus H5N1 breitet sich unter Milchkühen in den USA weiter aus. Im März hatten Veterinäre die neue Version der Vogelgrippe erstmals in der Milch texanischer Kühe nachgewiesen. Seit November kursiert er offenbar schon in den Beständen.
Inzwischen hat das Virus mindestens 132 Herden in zwölf US-Bundesstaaten erreicht, wahrscheinlich mehr, berichten Medien. Dass es sich so leicht unter den Tieren ausbreitet - insbesondere über das Euter der Tiere – könnte an den Melkmaschinen liegen, vermuten Fachleute.
Kühe überstehen Infektion
Die Rinder sollen nach bisherigen Beobachtungen die Infektion in der Regel gut überstehen und zeigten oft noch nicht mal Symptome. Dramatischer seien die Auswirkungen dagegen bei Katzen: Rund die Hälfte der Tiere, die mit Rohmilch infizierter Kühe gefüttert wurden, starben. Sie torkelten, wurden blind und apathisch, ihre Hirne und Blutgefäße erlitten großflächig Schaden, schreibt etwa der Spiegel.
Dutzende infizierte Mäuse wurden ebenfalls entdeckt. Aus Laborversuchen wissen Forschende, dass Mäuse nach der Infektion innerhalb eines Tages erkranken und hohe Viruslasten in ihren Atemwegen herumtragen.
Droht Menschen neue Krankheitswelle?
Experten wie der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité sind besorgt, dass der Weg für das Virus zum Menschen nicht mehrt weit sei. Im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hält er H5N1 bei Kühen derzeit für einen der wichtigsten und gefährlichsten Pandemiekandidaten. Wichtig sei, die Verbreitung in den USA jetzt sofort und durchgreifend zu stoppen.
So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt.
Drosten im RND-Interview
Bislang sind drei Personen bekannt, die sich auf betroffenen US-Farmen an Kühen mit dem Erreger angesteckt haben. Zwei Farmmitarbeiter litten nur an einer Bindehautentzündung, eine dritte Person zeigte alarmierende Symptome wie Husten und Halsschmerz. Dass der Atemtrakt beteiligt war, ist bedenklich, denn über die Atemluft oder den Auswurf beim Husten könnten theoretisch andere Menschen leicht infiziert werden, heißt es.
Sollte der Erreger irgendwann durch eine Mutation einen leichteren Weg zum Menschen finden, droht eine internationale Notlage, die womöglich Grenzschließungen nach sich zöge, schreiben die Zeitungen wie der Münchner Merkur weiter. Eine desaströse Pandemie könnte die Folge sein, denn kaum jemand habe bisher Immunität gegen H5N1. Auch frühere Grippeschutzimpfungen nutzen wohl wenig gegen diesen neuartigen Erreger.
Für große Kritik sorgt in der Fachwelt, dass sich das US-Landwirtschaftsministerium so wenig kümmert. Statt großflächiger Tests gebe es nur sporadisch Veröffentlichungen. Es liegt auch der Verdacht in der Luft, dass negative Ergebnisse bewusst zurückgehalten werden. Fachleute beklagen Intransparenz der Behörden, die das Gegenteil von Vertrauen auslösten.
Das sieht auch das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems so. Auch deren Anfragen und Datenwünsche werden offenbar von US-Seite bislang ignoriert. Die Ursache für das Behördenversagen soll in einem Kompetenzwirrwarr begründet liegen.
Wenn heute eine Pandemie droht – etwa wenn sich H5N1 von Mensch zu Mensch ausbreitet – wäre die Welt wahrscheinlich wieder überfordert.
Helen Clark, Independent Panel for Pandemic Preparedness and Response
So würden kaum Familienangehörige untersucht. Und beim Veterinärpersonal soll es auffällig viele Krankheitsfälle gegeben haben, die aber nicht näher untersucht wurden. Womöglich gibt es also längst mehr Infektionen unter Menschen als offiziell bekannt, vermuten die Zeitungen.
Farmer wollen kein Aufsehen
Für Herden und Mitarbeiter gibt es derzeit keine Testpflichten, und nur wenige Freiwillige erklären sich zu Tests bereit. Den Farmern kommt diese Geheimnistuerei wohl auch entgegen: Viele Landwirte wollen die Behörden prinzipiell nicht auf den Betrieb lassen. Wenn eine Herde als positiv eingestuft wird, fällt sie nämlich unter Quarantäne. Den finanziellen Schaden trägt der Farmer. So zu tun, als wisse man von nichts, mag unter solchen Umständen die betriebswirtschaftlich klügere Option sein, bewertet der Spiegel dieses Verhalten.
Wenn es dem Virus gelingen sollte, sich an die menschlichen Andockstellen anzupassen, ist die nächste Pandemie so gut wie sicher.
Epidemiologe Alexander Kekulé
Mit ein Grund könnte auch sein, dass viele Arbeiter aus Mittel- und Südamerika stammen und oft weder Aufenthaltstitel noch Krankenversicherung oder eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Sie arbeiten selbst dann, wenn sie sich nicht gesund fühlen.
Milch wird besser kontrolliert
Immerhin warnen die Behörden vor dem Verzehr von Rohmilch aus betroffenen Betrieben. Die Pasteurisierung, also die kurzzeitige Erhitzung der Milch auf bis zu 75 Grad Celsius, scheint das Übertragungsrisiko intakter Viren auszuschalten. Dennoch finden sich in betroffenen Regionen Virenpartikel wohl in jeder fünften Milchpackung aus dem Supermarkt, heißt es.
Um der Lage Herr zu werden, könnten große Keulungsaktionen erfolgreich sein. Doch niemand wisse derzeit, wie die Lage tatsächlich ist, u.a. auch weil es kein Register wie HIT oder eine Nachverfolgbarkeit in den USA gibt.
Wahrscheinlich ist es dafür aber eh schon zu spät. So gebe es Hinweise, dass das Virus zwischen Wildvögeln und Rindern hin- und herwechseln kann. In diesem Fall schiede das Keulen als Instrument zur Seuchenkontrolle aus. Womöglich müssen sich US-Virologen – und die Weltbevölkerung – darauf einstellen, dass sich H5N1 mit den Kühen ein frisches Reservoir erobert hat, aus dem es sich nicht mehr vertreiben lässt. Die Furcht, dass sich der Erreger von dort aus bereit machen könnte für den Menschen, würde zum permanenten Bedrohungsszenario.
Virologe Drosten fordert ein entschlosseneres Vorgehen der USA, indem beispielsweise infizierte Herden isoliert und bestimmte Hygienemaßnahmen in Betracht gezogen werden. „Auch darüber, Kühe zu impfen“, sollte nach Ansicht des Experten nachgedacht werden.
H5N1 auf Säugetiere übersprungen
An der Variante H5N1 hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten vor allem in Asien mindestens 889 Menschen angesteckt, 463 sind gestorben. 2020 könnte in Asien eine neue Form entstanden sein, die noch aggressiver sei. Millionen Vögel starben daraufhin auf allen Kontinenten. Es traf aber vereinzelt auch Bären, Füchse, Nerze, vor allem aber Seelöwen und See-Elefanten in Südamerika.