Getreidemarkt-Ausblick: Setzen Sie nicht alles auf eine Karte!
Die Weizenpreise standen zuletzt deutlich unter Druck. Dabei schrumpfen die Prognosen für die Getreideernten. Sollte man mit dem Verkauf bis nach der Ernte 2024 warten?
Am 27.6.2024 um 19 Uhr findet unser Vorernte-Webinar statt. Im Mittelpunkt stehen der Getreide-, Raps- und Düngermarkt. Während des Webinars können Sie individuelle Fragen stellen. Mehr Infos und Anmeldung unter: www.topagrar.com/agrarfaxwebinar
Eine aktuelle Analyse von Jan Peters, Peters Agrardaten GmbH:
War das schon der Schlussspurt zum Saisonende? Nach dem steilen Anstieg der Getreidekurse (Dezember24-Weizen notierte in Paris zeitweise knapp 275 €/t und B-Weizen für September franko Rostock stieg auf 260 €/t) kam Anfang Juni der Absturz: Innerhalb von 10 Tagen gaben die Kurse rund 30 €/t ab. Vor allem die Ankündigung der Türkei, den Weizenimport bis Oktober aussetzen zu wollen, sorgte für Kursdruck und zeitweise kräftige Verluste.
Weniger Weizen aus Russland
War das die letzte Chance, lohnende Vorverträge für die Ernte 24 abzuschließen, oder ziehen die Kurse später noch einmal an? Immerhin geht das US-Agrarministerium (USDA) in seinem jüngsten Ausblick (WASDE-Report) 2024/25 von einer knapper werdenden weltweiten Getreideversorgung aus. Die globale Weizenernte 2024/25 reduzierte Washington zuletzt um weitere 8 Mio. t, wovon 5 Mio. t allein auf Russland entfallen.
„Mindestens 10 Mio. t gehen in Russland an Ernteerwartung für 2024/25 verloren“
Jan Peters, Peters Agrardaten GmbH
Die Hauptursachen dafür sind späte Fröste und Trockenheit in wichtigen russischen Weizenanbaugebieten. Inzwischen scheint für Russland klar, dass die im vergangenen Jahr geernteten 91 Mio. t Weizen 2024 nicht erzielbar sind. Jüngste Prognosen gehen nur noch von 82,1 Mio. t Weizen aus. „Mindestens 10 Mio. t gehen in Russland an Ernteerwartung für 2024/25 verloren“, schätzt ein internationaler Händler.
Dabei hat die Bedeutung Russlands für die globale Versorgung von Weizen in den letzten Jahren stark zugenommen: Der russische Anteil an der weltweiten Weizenexportmenge beträgt zwischen 20 und 25 %; gemeinsam mit der Ukraine sogar ca. 30 %. Angesichts der aktuellen Lage scheint es fraglich, ob die beiden Länder diesen Wert im kommenden Wirtschaftsjahr erreichen können.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission mit einer Erhöhung der Importzölle auf 95 €/t de facto ein Einfuhrverbot für russischen Weizen ab dem 1. Juli 2024 verhängt. Damit will Brüssel verhindern, dass russisches Getreide die EU-Märkte destabilisiert und die Kriegskasse Russlands stützt.
Zu nass in Westeuropa
Aber Russland ist nicht die einzige Region, in der ungünstiges Wetter für den Weizen zu Sorgenfalten bei den Marktteilnehmern führt: In weiten Teilen Frankreichs und Deutschlands ist es weiterhin auf den Feldern zu nass. Selten hat die französische Behörde AgriMer den Zustand der Weizenbestände mit gut bis sehr gut im Mai auf lediglich 64 % geschätzt. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 94 %.
Auch für Deutschland schrumpfen die Ertragserwartungen. So schätzte der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) zuletzt die kommende deutsche Weizenernte 2024 auf nur noch 19,6 Mio. t (Vorjahr: 21,1 Mio. t). Das wäre ein Minus von über 7 %!
Alte Ernte überlagern?
Ein Großteil der Getreideerzeuger hat die kräftigen Preissteigerungen im Mai genutzt und sich komplett von ihrer letzten Lagerware der Ernte 2023 getrennt. Etliche Landwirte wollen aber auch „alte“ Partien mit in die neue Saison 2024/25 nehmen und erhoffen sich später höhere Erlöse. Dazu haben sie ihr Getreide der Ernte 2023 für die Lieferung im September 2024 zu einen höheren Preis verkauft. Voraussetzung dafür ist allerdings ausreichender Lagerraum für die neue und die Reste der alten Ernte.
Einige Erzeuger planen zudem, Partien mit abfallender Qualität aus dem Vorjahr mit den hoffentlich besseren Partien der kommenden Ernte 2024 zu verschneiden und dann abzuliefern. Dass die Qualitätsvorgaben der Verarbeiter bei diesen Partien erfüllt sein müssen, dürfte klar sein. Allerdings stehen die Erfasser bei verschnittenen Partien vor neuen Aufgaben: Sie müssen neuerdings prüfen, ob der Sortenschutz eingehalten wird. Die Umsetzung auf der Erfasserstufe wird aktuell diskutiert. Die praktikabelste Lösung ist laut eines norddeutschen Landhändlers, Landwirte Angaben zu Flächen, Fruchtart, Mengen an Z-Saatgut bzw. Nachbausaatgut machen zu lassen (mehr dazu auf S. 3 und S. 52 in diesem Heft). Mit diesen Angaben können Landwirte dann eine Erntegut-Bescheinigung erhalten. „Der bürokratische Aufwand hält sich so in Grenzen“, schätzt der Händler den Aufwand ein.
Nicht mehr als ein Viertel vorverkaufen!
Die Wetteraussichten Russlands werden für die kommenden vier Wochen die Preisentwicklung hierzulande maßgeblich mitentscheiden. Sollten nicht bald größere Niederschläge dort fallen, ist eine weitere Reduzierung der russischen Ernteprognose nach unten unumgänglich.
Unsere Empfehlung der Vorverkäufe von 25 Prozent der Getreide- und Rapsernte 2024 bleibt aus heutiger Sicht die richtige Strategie. Mehr würden wir jetzt nicht vorverkaufen.
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Am 27.6.2024 um 19 Uhr findet unser Vorernte-Webinar statt. Im Mittelpunkt stehen der Getreide-, Raps- und Düngermarkt. Während des Webinars können Sie individuelle Fragen stellen. Mehr Infos und Anmeldung unter: www.topagrar.com/agrarfaxwebinar
Eine aktuelle Analyse von Jan Peters, Peters Agrardaten GmbH:
War das schon der Schlussspurt zum Saisonende? Nach dem steilen Anstieg der Getreidekurse (Dezember24-Weizen notierte in Paris zeitweise knapp 275 €/t und B-Weizen für September franko Rostock stieg auf 260 €/t) kam Anfang Juni der Absturz: Innerhalb von 10 Tagen gaben die Kurse rund 30 €/t ab. Vor allem die Ankündigung der Türkei, den Weizenimport bis Oktober aussetzen zu wollen, sorgte für Kursdruck und zeitweise kräftige Verluste.
Weniger Weizen aus Russland
War das die letzte Chance, lohnende Vorverträge für die Ernte 24 abzuschließen, oder ziehen die Kurse später noch einmal an? Immerhin geht das US-Agrarministerium (USDA) in seinem jüngsten Ausblick (WASDE-Report) 2024/25 von einer knapper werdenden weltweiten Getreideversorgung aus. Die globale Weizenernte 2024/25 reduzierte Washington zuletzt um weitere 8 Mio. t, wovon 5 Mio. t allein auf Russland entfallen.
„Mindestens 10 Mio. t gehen in Russland an Ernteerwartung für 2024/25 verloren“
Jan Peters, Peters Agrardaten GmbH
Die Hauptursachen dafür sind späte Fröste und Trockenheit in wichtigen russischen Weizenanbaugebieten. Inzwischen scheint für Russland klar, dass die im vergangenen Jahr geernteten 91 Mio. t Weizen 2024 nicht erzielbar sind. Jüngste Prognosen gehen nur noch von 82,1 Mio. t Weizen aus. „Mindestens 10 Mio. t gehen in Russland an Ernteerwartung für 2024/25 verloren“, schätzt ein internationaler Händler.
Dabei hat die Bedeutung Russlands für die globale Versorgung von Weizen in den letzten Jahren stark zugenommen: Der russische Anteil an der weltweiten Weizenexportmenge beträgt zwischen 20 und 25 %; gemeinsam mit der Ukraine sogar ca. 30 %. Angesichts der aktuellen Lage scheint es fraglich, ob die beiden Länder diesen Wert im kommenden Wirtschaftsjahr erreichen können.
Darüber hinaus hat die EU-Kommission mit einer Erhöhung der Importzölle auf 95 €/t de facto ein Einfuhrverbot für russischen Weizen ab dem 1. Juli 2024 verhängt. Damit will Brüssel verhindern, dass russisches Getreide die EU-Märkte destabilisiert und die Kriegskasse Russlands stützt.
Zu nass in Westeuropa
Aber Russland ist nicht die einzige Region, in der ungünstiges Wetter für den Weizen zu Sorgenfalten bei den Marktteilnehmern führt: In weiten Teilen Frankreichs und Deutschlands ist es weiterhin auf den Feldern zu nass. Selten hat die französische Behörde AgriMer den Zustand der Weizenbestände mit gut bis sehr gut im Mai auf lediglich 64 % geschätzt. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 94 %.
Auch für Deutschland schrumpfen die Ertragserwartungen. So schätzte der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) zuletzt die kommende deutsche Weizenernte 2024 auf nur noch 19,6 Mio. t (Vorjahr: 21,1 Mio. t). Das wäre ein Minus von über 7 %!
Alte Ernte überlagern?
Ein Großteil der Getreideerzeuger hat die kräftigen Preissteigerungen im Mai genutzt und sich komplett von ihrer letzten Lagerware der Ernte 2023 getrennt. Etliche Landwirte wollen aber auch „alte“ Partien mit in die neue Saison 2024/25 nehmen und erhoffen sich später höhere Erlöse. Dazu haben sie ihr Getreide der Ernte 2023 für die Lieferung im September 2024 zu einen höheren Preis verkauft. Voraussetzung dafür ist allerdings ausreichender Lagerraum für die neue und die Reste der alten Ernte.
Einige Erzeuger planen zudem, Partien mit abfallender Qualität aus dem Vorjahr mit den hoffentlich besseren Partien der kommenden Ernte 2024 zu verschneiden und dann abzuliefern. Dass die Qualitätsvorgaben der Verarbeiter bei diesen Partien erfüllt sein müssen, dürfte klar sein. Allerdings stehen die Erfasser bei verschnittenen Partien vor neuen Aufgaben: Sie müssen neuerdings prüfen, ob der Sortenschutz eingehalten wird. Die Umsetzung auf der Erfasserstufe wird aktuell diskutiert. Die praktikabelste Lösung ist laut eines norddeutschen Landhändlers, Landwirte Angaben zu Flächen, Fruchtart, Mengen an Z-Saatgut bzw. Nachbausaatgut machen zu lassen (mehr dazu auf S. 3 und S. 52 in diesem Heft). Mit diesen Angaben können Landwirte dann eine Erntegut-Bescheinigung erhalten. „Der bürokratische Aufwand hält sich so in Grenzen“, schätzt der Händler den Aufwand ein.
Nicht mehr als ein Viertel vorverkaufen!
Die Wetteraussichten Russlands werden für die kommenden vier Wochen die Preisentwicklung hierzulande maßgeblich mitentscheiden. Sollten nicht bald größere Niederschläge dort fallen, ist eine weitere Reduzierung der russischen Ernteprognose nach unten unumgänglich.
Unsere Empfehlung der Vorverkäufe von 25 Prozent der Getreide- und Rapsernte 2024 bleibt aus heutiger Sicht die richtige Strategie. Mehr würden wir jetzt nicht vorverkaufen.