Prof. Neumann über den Hoffnungsträger Biostimulanzien
Die Werbeversprechen zu Biostimulanzien klingen vielversprechend. Doch was steckt dahinter? Darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Günter Neumann von der Universität Hohenheim.
Herr Neumann, was sind Biostimulanzien und wie wirken sie?
Neumann: Biostimulanzien oder auch Pflanzenstärkungsmittel sind Präparate auf Basis von Mikroorganismen oder natürlichen bioaktiven Substanzen, wie z. B. Algen, Pflanzen oder Kompostextrakten. Sie können – unabhängig von einer Nährstoffwirkung – das Wachstum von Pflanzen stimulieren und die Stresstoleranz sowie die Qualität der Ernteprodukte verbessern.
Das Ganze funktioniert, da Biostimulanzien in aller Regel über Signalsubstanzen wirken, die pflanzliche Stressabwehrmechanismen aktivieren können. Bei der Ausprägung der Wirkungen kommt es dabei auch stark auf die „Empfänglichkeit“ der jeweiligen Pflanze an, die durch genetische Faktoren oder durch den augenblicklichen physiologischen Status bedingt sein kann.
Neben der Aktivierung von Stressanpassungen können unterschiedliche Präparate auch spezifischere Wirkungen haben. Das gilt z. B. für indirekte Schutzwirkungen gegen bestimmte Pathogene, die Stimulierung des Wurzelwachstums oder die verbesserte Aneignung von Nährstoffen. Wirkungen, wie z. B. die bakterielle Bindung von Luftstickstoff unabhängig von Leguminosen oder die direkte Mobilisierung schwer löslicher Phosphate durch phosphatlösende Mikroorganismen sind dagegen nach dem neueren Kenntnisstand nur in Ausnahmefällen nachweisbar.
Müssen die Mittel eine Produktwirksamkeit nachweisen können?
Neumann: Anders als bei Pflanzenschutzmitteln ist bei der Zulassung von Biostimulanzien keine detaillierte Charakterisierung der Wirkmechanismen erforderlich. Die Zulassung kann dann im Rahmen des Düngemittelrechtes erfolgen. Es ist aber geplant, Wirksamkeitsnachweise durch Gewächshaus und Feldversuche einzufordern und CE-Siegel zu vergeben.
Geht es in erster Linie um Ertragssicherung oder auch um Mehrerträge?
Neumann: Aufgrund ihrer Wirkungsweise können Biostimulanzien ein Baustein zur Ertragssicherung sein. Sie können unter suboptimalen Bedingungen dazu beitragen, das Ertragspotenzial effizienter auszuschöpfen. Die Wirksamkeit ist allerdings nicht isoliert zu sehen und wird auch stark von anderen Faktoren wie der Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe (Düngung), der Sortenwahl oder den jeweiligen Anbaumaßnahmen mitbeeinflusst.
Kann die Wirkung aufgrund unterschiedlicher Bodenarten oder Witterungsbedingungen in verschiedenen Regionen unterschiedlich ausfallen?
Neumann: Das ist zweifelsfrei der Fall. Es gibt ganz sicher keine universelle Anwendungsperspektive. Die Wahl der eingesetzten Mittel unddie Anwendungstechniken sollten im Idealfall an die jeweiligen Standortbedingungen und an das spezifischeWirkpotenzial der verschiedenen Präparate angepasst werden.
Unter welchen Bedingungen ist der Einsatz von Biostimulanzien aus Ihrer Sicht sinnvoll? Unter welchen Bedingungen ist kein Nutzen zu erwarten?
Neumann: Grundsätzlich sind positive Wirkungen unter suboptimalen Wachstumsbedingungen am wahrscheinlichsten. Unter optimaleren Bedingungen können im Extremfall sogar negative Effekte auftreten. Für den Einsatz nützlicher Bodenmikroorganismen sind ungestörte Wuchsbedingungen während der Besiedlung der Wurzeln wichtig, weshalb positive Wirkungen hier besonders bei Kulturen beobachtet werden, die zumindest im Jugendwachstum unter geschützten Gewächshausbedingungen angezogen werden.
Auch die Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe (z. B. Mikronährstoffe) hat einen Einfluss auf die Wirkung von Biostimulanzien. Übersichtsstudien zeigen bei mikrobiellen Präparaten eine Wirksamkeit eher in trockenen Klimazonen als in gemäßigten Breiten, was mit der dokumentierten Schutzwirkung gegen Stressfaktoren im Einklang steht. Auch auf Böden mit niedrigem Humusgehalt sind die Wirkungen ausgeprägter.
Wie werden Biostimulanzien in der Praxis angewendet?
Neumann: Da für Produkte aus Bodenmikroorganismen ein intensiver Wurzelkontakt zur Besiedlung nötig ist, werden sie hauptsächlich vor der Aussaat oder während der frühen Jugendentwicklung ausgebracht. Beizbehandlungen sind zwar kostengünstiger als die Beimpfung durchwurzelter Bodenbereiche, liefern aber geringere Wurzelbesiedlungsraten und unterstützen eher die frühe Bestandesetablierung. Nichtmikrobielle Biostimulanzien werden häufig über Blattspritzungen appliziert (z. B. in Kom bination mit Blattdüngern oder Pflanzenschutzmaßnahmen). Sie sind daher flexibler in den Anwendungsmöglichkeiten.
Das Interview führte Daniel Dabbelt
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Herr Neumann, was sind Biostimulanzien und wie wirken sie?
Neumann: Biostimulanzien oder auch Pflanzenstärkungsmittel sind Präparate auf Basis von Mikroorganismen oder natürlichen bioaktiven Substanzen, wie z. B. Algen, Pflanzen oder Kompostextrakten. Sie können – unabhängig von einer Nährstoffwirkung – das Wachstum von Pflanzen stimulieren und die Stresstoleranz sowie die Qualität der Ernteprodukte verbessern.
Das Ganze funktioniert, da Biostimulanzien in aller Regel über Signalsubstanzen wirken, die pflanzliche Stressabwehrmechanismen aktivieren können. Bei der Ausprägung der Wirkungen kommt es dabei auch stark auf die „Empfänglichkeit“ der jeweiligen Pflanze an, die durch genetische Faktoren oder durch den augenblicklichen physiologischen Status bedingt sein kann.
Neben der Aktivierung von Stressanpassungen können unterschiedliche Präparate auch spezifischere Wirkungen haben. Das gilt z. B. für indirekte Schutzwirkungen gegen bestimmte Pathogene, die Stimulierung des Wurzelwachstums oder die verbesserte Aneignung von Nährstoffen. Wirkungen, wie z. B. die bakterielle Bindung von Luftstickstoff unabhängig von Leguminosen oder die direkte Mobilisierung schwer löslicher Phosphate durch phosphatlösende Mikroorganismen sind dagegen nach dem neueren Kenntnisstand nur in Ausnahmefällen nachweisbar.
Müssen die Mittel eine Produktwirksamkeit nachweisen können?
Neumann: Anders als bei Pflanzenschutzmitteln ist bei der Zulassung von Biostimulanzien keine detaillierte Charakterisierung der Wirkmechanismen erforderlich. Die Zulassung kann dann im Rahmen des Düngemittelrechtes erfolgen. Es ist aber geplant, Wirksamkeitsnachweise durch Gewächshaus und Feldversuche einzufordern und CE-Siegel zu vergeben.
Geht es in erster Linie um Ertragssicherung oder auch um Mehrerträge?
Neumann: Aufgrund ihrer Wirkungsweise können Biostimulanzien ein Baustein zur Ertragssicherung sein. Sie können unter suboptimalen Bedingungen dazu beitragen, das Ertragspotenzial effizienter auszuschöpfen. Die Wirksamkeit ist allerdings nicht isoliert zu sehen und wird auch stark von anderen Faktoren wie der Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe (Düngung), der Sortenwahl oder den jeweiligen Anbaumaßnahmen mitbeeinflusst.
Kann die Wirkung aufgrund unterschiedlicher Bodenarten oder Witterungsbedingungen in verschiedenen Regionen unterschiedlich ausfallen?
Neumann: Das ist zweifelsfrei der Fall. Es gibt ganz sicher keine universelle Anwendungsperspektive. Die Wahl der eingesetzten Mittel unddie Anwendungstechniken sollten im Idealfall an die jeweiligen Standortbedingungen und an das spezifischeWirkpotenzial der verschiedenen Präparate angepasst werden.
Unter welchen Bedingungen ist der Einsatz von Biostimulanzien aus Ihrer Sicht sinnvoll? Unter welchen Bedingungen ist kein Nutzen zu erwarten?
Neumann: Grundsätzlich sind positive Wirkungen unter suboptimalen Wachstumsbedingungen am wahrscheinlichsten. Unter optimaleren Bedingungen können im Extremfall sogar negative Effekte auftreten. Für den Einsatz nützlicher Bodenmikroorganismen sind ungestörte Wuchsbedingungen während der Besiedlung der Wurzeln wichtig, weshalb positive Wirkungen hier besonders bei Kulturen beobachtet werden, die zumindest im Jugendwachstum unter geschützten Gewächshausbedingungen angezogen werden.
Auch die Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe (z. B. Mikronährstoffe) hat einen Einfluss auf die Wirkung von Biostimulanzien. Übersichtsstudien zeigen bei mikrobiellen Präparaten eine Wirksamkeit eher in trockenen Klimazonen als in gemäßigten Breiten, was mit der dokumentierten Schutzwirkung gegen Stressfaktoren im Einklang steht. Auch auf Böden mit niedrigem Humusgehalt sind die Wirkungen ausgeprägter.
Wie werden Biostimulanzien in der Praxis angewendet?
Neumann: Da für Produkte aus Bodenmikroorganismen ein intensiver Wurzelkontakt zur Besiedlung nötig ist, werden sie hauptsächlich vor der Aussaat oder während der frühen Jugendentwicklung ausgebracht. Beizbehandlungen sind zwar kostengünstiger als die Beimpfung durchwurzelter Bodenbereiche, liefern aber geringere Wurzelbesiedlungsraten und unterstützen eher die frühe Bestandesetablierung. Nichtmikrobielle Biostimulanzien werden häufig über Blattspritzungen appliziert (z. B. in Kom bination mit Blattdüngern oder Pflanzenschutzmaßnahmen). Sie sind daher flexibler in den Anwendungsmöglichkeiten.