Wissenschaftler, Unternehmen und Landwirte überlegen, wie sich Bäume und Nutzpflanzen in Agroforstsystemen nebeneinander anbauen lassen. Bericht über das vierjährige Forschungsprojekts „AUFWERTEN“.
Bodenerosion, Nitratauswaschung, Trockenschäden, Klimaschutz: Die Landwirtschaft steht aktuell vor zahlreichen Herausforderungen, für die Lösungen gesucht werden. Eine Möglichkeit könnte der streifenförmige Anbau von Bäumen auf Ackerflächen sein. Diese Agroforstsysteme bieten zahlreiche Vorteile, wie die Abschlusskonferenz des Forschungsprojekts „AUFWERTEN“ am Mittwoch, den 20. März 2019 in Berlin zeigte. „AUFWERTEN“ steht für „Agroforstliche Umweltleistungen für Wertschöpfung und Energie“. Beteiligt an der gleichnamigen Innovationsgruppe waren die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, der Biomasse Schraden e.V., die Universität Bayreuth, die Hochschule Zittau/Görlitz, das Amt Kleine Elster, die Technische Universität München, das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V. (ATB) sowie der Landwirtschaftsbetrieb Domin.
Nicht nur Energieholz vom Acker
In einem Videovortrag erläuterte zu Anfang Patrick Worms, Präsident der Europäischen Agroforst-Föderation, die allgemeinen Vorteile von Agroforstsystemen und zeigte weltweite Beispiele von Systemen. Dabei bauen Farmer nicht nur Bäume in Streifen an, sondern auch Bananenstauden, Ölpalmen und anderes. „Künftig könnte die Aufforstung auch dazu dienen, Kohlenstoff zu speichern, womit sie als wichtige Klimaschutzmaßnahme gilt“, sagte Worms.
Die Gehölzstreifen können auch hierzulande Vorteile bringen. „Die Bäume und Sträucher schützen Felder vor starkem Wind und verringern so den Bodenabtrag. Die Windgeschwindigkeit kann bis zu 96 Prozent reduziert werden. So bleibt der Oberboden und damit der fruchtbarste und landwirtschaftlich bedeutendste Teils der Böden erhalten“, erklärt Projektleiter Christian Böhm von Brandenburgischen Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg.
Weniger Emissionen, mehr Ertrag
Das AUFWERTEN-Projekt lieferte weitere interessante Ergebnisse:
Die Baumstreifen eignen sich als Schattenspender für Tiere wie Rinder. Sie können auch Deckung für Freilaufhühner bieten.
Die Gehölze verhindern, dass Nähr- und Schadstoffe in Oberflächengewässer und ins Grundwasser gelangen. Die Untersuchungen der Forscher zeigen, dass unter Pappelstreifen die mittlere Nitratkonzentration im Grundwasser mehr als 120 Mal niedriger ist als unter den Ackerkulturen.
Die Bäume verbessern das Mikroklima und verringern die Verdunstung. So kann auch auf trockeneren Standorten mehr geerntet werden.
Als Obst- oder Energieholzlieferanten schaffen Bäume eine zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte.
Die Streifen lieferten 9 % mehr Holzertrag als Kurzumtriebsplantagen, weil es mehr Randbereiche gibt, in denen die Bäume besser wachsen.
Die Flächen bieten Lebensraum für Vögel und Kleintiere.
Als bestes Ernteverfahren bei Energieholz hat sich ein Anbaumähhacker erwiesen.
Das geerntete Energieholz hat einen Wassergehalt von 60 %.
Auf dem Betrieb Domin mit 25 Bodenpunkten und 550 mm Niederschlag ließen sich nach vier Jahren 80 t Frischmasse pro Hektar ernten.
In parallel angelegten Blühstreifen haben die Projektpartner Bienenkästen aufgestellt und „Agroforst-Honig“ geerntet.
Noch zahlreiche Herausforderungen
So vielversprechend Agrofrostsysteme nach Ansicht der Referenten sind: Aktuell schränken die rechtlichen Rahmenbedingungen die Gestaltungsfreiheit der Wirtschaftsweise stark ein. „Bislang finden diese im deutschen und im EU-Agrarförderrecht keine Berücksichtigung“, bedauert Böhm.
Im Detail:
Agroforst ist von der EU zwar als Greeningmaßnahme anerkannt, in Deutschland jedoch nicht aktiviert.
Die Streifen sind keine klassische Kurzumtriebsplantage. Viele Regelungen zu diesen Plantagen lassen sich auf Agroforstsysteme nicht anwenden, da sich beispielsweise die Baumarten, die Umtriebszeiten und die Mindestfläche deutlich unterscheiden.
Der Anbau an Gewässerrändern könnte Vorteile bringen, weil damit der Eintrag von Nährstoffen oder Pflanzenschutzmitteln reduziert würde. Allerdings dürfen Gewässerrandstreifen nicht geerntet werden. Nur in Brandenburg konnten die Projektbeteiligten eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes erreichen, damit diese Maßnahme möglich wird.
Zur Anschubfinanzierung wäre ein Förderprogramm nötig. Aber derzeit passt kaum ein Programm auf diese Art der Landbewirtschaftung.
Es gibt kaum geeignete Erntetechnik in ausreichender Zahl auf dem Markt, um die stärkeren Bäume ernten zu können.
Diskussion um die Finanzierung
In einer abschließenden Diskussionsrunde setzten sich verschiedene Branchenvertreter mit dem Thema auseinander:
Michael Stübgen, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, regte an, dass die Bundesländer stärker ELER-Mittel zur Finanzierung von Förderprogrammen für Agroforst nutzen sollten. „Wir arbeiten gerade an einer Ackerbaustrategie, um den Düngemitel- und Pestizideinsatz sowie Winderosion zu reduzieren. Da sind Agroforstsysteme eine sinnvolle Maßnahme“, sagte er.
Florian Schöne, politischer Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes, begrüßt ebenfalls Agroforstsysteme, mahnt aber, dass damit keine für den Naturschutz hochwertigen Grünlandflächen genutzt werden sollten, sondern eher Ackerflächen.
Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, forderte, dass das aktuelle Fördersystem geändert werden muss, um Agroforstsystemen eine Chance zu bieten. Außerdem müsste die Leistung der Landwirte für Natur- und Klimaschutz entsprechend honoriert werden.
Dr. Christian Böhme von der BTU Cottbus und Projektkoordinator beim Projekt „AUFWERTEN“ wünscht sich, dass neben der Politik auch die Naturschutzverbände und der Bauernverband Agroforst anerkennen und die Möglichkeiten stärker nach außen tragen. Der Anbau müsse sich für den Landwirt lohnen.
Um dem vielversprechenden System mehr Auftrieb zu verschaffen, wollen die Projektbeteiligten am 25. Juni in Berlin den Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) gründen. Weitere Informationen unter www.agroforst-info.de
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Bodenerosion, Nitratauswaschung, Trockenschäden, Klimaschutz: Die Landwirtschaft steht aktuell vor zahlreichen Herausforderungen, für die Lösungen gesucht werden. Eine Möglichkeit könnte der streifenförmige Anbau von Bäumen auf Ackerflächen sein. Diese Agroforstsysteme bieten zahlreiche Vorteile, wie die Abschlusskonferenz des Forschungsprojekts „AUFWERTEN“ am Mittwoch, den 20. März 2019 in Berlin zeigte. „AUFWERTEN“ steht für „Agroforstliche Umweltleistungen für Wertschöpfung und Energie“. Beteiligt an der gleichnamigen Innovationsgruppe waren die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, der Biomasse Schraden e.V., die Universität Bayreuth, die Hochschule Zittau/Görlitz, das Amt Kleine Elster, die Technische Universität München, das Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V. (ATB) sowie der Landwirtschaftsbetrieb Domin.
Nicht nur Energieholz vom Acker
In einem Videovortrag erläuterte zu Anfang Patrick Worms, Präsident der Europäischen Agroforst-Föderation, die allgemeinen Vorteile von Agroforstsystemen und zeigte weltweite Beispiele von Systemen. Dabei bauen Farmer nicht nur Bäume in Streifen an, sondern auch Bananenstauden, Ölpalmen und anderes. „Künftig könnte die Aufforstung auch dazu dienen, Kohlenstoff zu speichern, womit sie als wichtige Klimaschutzmaßnahme gilt“, sagte Worms.
Die Gehölzstreifen können auch hierzulande Vorteile bringen. „Die Bäume und Sträucher schützen Felder vor starkem Wind und verringern so den Bodenabtrag. Die Windgeschwindigkeit kann bis zu 96 Prozent reduziert werden. So bleibt der Oberboden und damit der fruchtbarste und landwirtschaftlich bedeutendste Teils der Böden erhalten“, erklärt Projektleiter Christian Böhm von Brandenburgischen Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg.
Weniger Emissionen, mehr Ertrag
Das AUFWERTEN-Projekt lieferte weitere interessante Ergebnisse:
Die Baumstreifen eignen sich als Schattenspender für Tiere wie Rinder. Sie können auch Deckung für Freilaufhühner bieten.
Die Gehölze verhindern, dass Nähr- und Schadstoffe in Oberflächengewässer und ins Grundwasser gelangen. Die Untersuchungen der Forscher zeigen, dass unter Pappelstreifen die mittlere Nitratkonzentration im Grundwasser mehr als 120 Mal niedriger ist als unter den Ackerkulturen.
Die Bäume verbessern das Mikroklima und verringern die Verdunstung. So kann auch auf trockeneren Standorten mehr geerntet werden.
Als Obst- oder Energieholzlieferanten schaffen Bäume eine zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte.
Die Streifen lieferten 9 % mehr Holzertrag als Kurzumtriebsplantagen, weil es mehr Randbereiche gibt, in denen die Bäume besser wachsen.
Die Flächen bieten Lebensraum für Vögel und Kleintiere.
Als bestes Ernteverfahren bei Energieholz hat sich ein Anbaumähhacker erwiesen.
Das geerntete Energieholz hat einen Wassergehalt von 60 %.
Auf dem Betrieb Domin mit 25 Bodenpunkten und 550 mm Niederschlag ließen sich nach vier Jahren 80 t Frischmasse pro Hektar ernten.
In parallel angelegten Blühstreifen haben die Projektpartner Bienenkästen aufgestellt und „Agroforst-Honig“ geerntet.
Noch zahlreiche Herausforderungen
So vielversprechend Agrofrostsysteme nach Ansicht der Referenten sind: Aktuell schränken die rechtlichen Rahmenbedingungen die Gestaltungsfreiheit der Wirtschaftsweise stark ein. „Bislang finden diese im deutschen und im EU-Agrarförderrecht keine Berücksichtigung“, bedauert Böhm.
Im Detail:
Agroforst ist von der EU zwar als Greeningmaßnahme anerkannt, in Deutschland jedoch nicht aktiviert.
Die Streifen sind keine klassische Kurzumtriebsplantage. Viele Regelungen zu diesen Plantagen lassen sich auf Agroforstsysteme nicht anwenden, da sich beispielsweise die Baumarten, die Umtriebszeiten und die Mindestfläche deutlich unterscheiden.
Der Anbau an Gewässerrändern könnte Vorteile bringen, weil damit der Eintrag von Nährstoffen oder Pflanzenschutzmitteln reduziert würde. Allerdings dürfen Gewässerrandstreifen nicht geerntet werden. Nur in Brandenburg konnten die Projektbeteiligten eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes erreichen, damit diese Maßnahme möglich wird.
Zur Anschubfinanzierung wäre ein Förderprogramm nötig. Aber derzeit passt kaum ein Programm auf diese Art der Landbewirtschaftung.
Es gibt kaum geeignete Erntetechnik in ausreichender Zahl auf dem Markt, um die stärkeren Bäume ernten zu können.
Diskussion um die Finanzierung
In einer abschließenden Diskussionsrunde setzten sich verschiedene Branchenvertreter mit dem Thema auseinander:
Michael Stübgen, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, regte an, dass die Bundesländer stärker ELER-Mittel zur Finanzierung von Förderprogrammen für Agroforst nutzen sollten. „Wir arbeiten gerade an einer Ackerbaustrategie, um den Düngemitel- und Pestizideinsatz sowie Winderosion zu reduzieren. Da sind Agroforstsysteme eine sinnvolle Maßnahme“, sagte er.
Florian Schöne, politischer Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes, begrüßt ebenfalls Agroforstsysteme, mahnt aber, dass damit keine für den Naturschutz hochwertigen Grünlandflächen genutzt werden sollten, sondern eher Ackerflächen.
Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, forderte, dass das aktuelle Fördersystem geändert werden muss, um Agroforstsystemen eine Chance zu bieten. Außerdem müsste die Leistung der Landwirte für Natur- und Klimaschutz entsprechend honoriert werden.
Dr. Christian Böhme von der BTU Cottbus und Projektkoordinator beim Projekt „AUFWERTEN“ wünscht sich, dass neben der Politik auch die Naturschutzverbände und der Bauernverband Agroforst anerkennen und die Möglichkeiten stärker nach außen tragen. Der Anbau müsse sich für den Landwirt lohnen.
Um dem vielversprechenden System mehr Auftrieb zu verschaffen, wollen die Projektbeteiligten am 25. Juni in Berlin den Deutschen Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) gründen. Weitere Informationen unter www.agroforst-info.de