Paraffinischer Dieselkraftstoff HVO100 soll demnächst auch an deutschen Tankstellen als Dieselersatz verfügbar sein. Die Landmaschinenindustrie begrüßt das. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
In Deutschland dürfen Tankstellenbetreiber ab April/Mai 2024 den neuen Kraftstoff „HVO100“ anbieten. Einer entsprechenden Änderung der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung hat der Bundesrat am 22. März zugestimmt. Bereits am 28. März 2023 hatte der Koalitionsausschuss der Ampelkoalition beschlossen, dass paraffinischer Dieselkraftstoff nach der Norm DIN EN 15940 als Reinkraftstoff für den Einsatz im Straßenverkehr in die 10. BImSchV aufgenommen wird.
HVO100 steht für "Hydrotreated Vegetable Oil 100%" und ist ein erneuerbarer Dieselkraftstoff. Im Gegensatz zu herkömmlichem Diesel wird HVO100 u.a. aus organischen Rohstoffen wie Pflanzenölen, tierischen Fetten oder anderen biogenen Abfällen hergestellt. Aber auch fossile Ausgangsstoffe wie der Kraftstoff GtL (Gas-to-Liquid; das heißt auf Erdgas-Basis), lassen sich zu HVO verarbeiten.
HVO wird nach Angaben des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) aus dem bayerischen Straubing durch eine katalytische Reaktion von pflanzlichen oder tierischen Ölen und Fetten mit Wasserstoff sowie anschließendes Cracken und Isomerisieren in industriellen Anlagen hergestellt.
Die Eigenschaften
Das TFZ hat den Kraftstoff in dem Projekt „ParaDies2025“ näher unter die Lupe genommen und dabei folgendes festgestellt:
• HVO kann fossilem Dieselkraftstoff beigemischt oder auch unvermischt als Reinkraftstoff eingesetzt werden.
• Die Eigenschaften hydrierter Pflanzenöle unterscheiden sich nur geringfügig von Dieselkraftstoffeigenschaften.
• Die Norm DIN EN 15940 „Paraffinischer Dieselkraftstoff aus Synthese oder Hydrierungs- verfahren“ legt die Anforderungen und Prüfverfahren für Dieselkraftstoff auf der Basis von Synthesegas oder hydrierten biogenen Ölen und Fetten fest. Paraffinischer Dieselkraftstoff entspricht mit Ausnahme der zu geringen Dichte der Dieselkraftstoff-Norm DIN EN 590.
• HVO weist günstige Kraftstoffeigenschaften, wie hohe Zündwilligkeit und gute Kältestabilität, auf.
• Die nahezu völlige Aromatenfreiheit von HVO wirkt sich in den meisten Untersuchungen positiv auf geringe Schadstoffemissionen aus, z.B. bei den Stickoxiden.
• Sie bewirkt allerdings auch, dass es nach längerem Dieselbetrieb aufgrund veränderten Quellverhaltens von Elastomeren vereinzelt zu Undichtigkeiten im Kraftstoffsystem kommen kann.
• Die THG-Einsparung von HVO aus Rest- und Abfallstoffen gegenüber Diesel beträgt rund 80 %.
Nicht neu
Nachhaltige paraffinische Dieselkraftstoffe wie HVO aus Abfall- und Reststoffen konnten bislang nach der 10. BImSchV mit einem Anteil von bis zu 26 % fossilem Diesel beigemischt werden. Obwohl technisch und rechtlich mehr möglich wäre, wird HVO durchschnittlich aber nur zu etwa 2 % beigemischt. Diese Menge reicht laut Bundesumweltministerium aus, um die vorgeschriebene Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) zu erfüllen. Nur in Verbindung mit der Anrechnung auf die THG-Quote sei der Einsatz dieser Kraftstoffe aktuell überhaupt wirtschaftlich. Ohne Quotenanrechnung würde der Preis ein Vielfaches von konventionellem Dieselkraftstoff betragen. Auch künftig in Reinform in Verkehr gebrachte nachhaltige paraffinische Dieselkraftstoffe würden auf die Quote angerechnet. Darum geht das BMU davon aus, dass beim Verkauf von HVO100 die die bereits praktizierte Beimischung reduziert wird.
Von der Industrie begrüßt
„Im Ackerbau sind flüssige wie gasförmige Energieträger auch in Zukunft nicht substituierbar. Schließlich ist der Leistungsbedarf entlang der gesamten landwirtschaftlichen Produktionskette immens“, betont Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer des Branchenverbandes VDMA Landtechnik. Elektrische Antriebe seien in der Breite auf absehbare Zeit keine Alternative. Moderne Landmaschinen und Traktoren ließen sich schon heute mit klimaneutralen, alternativen Kraftstoffen betreiben. „Ganz besonders bieten sich biogene Kraftstoffe aus hydrierten Pflanzenölen an. Unter der Verkehrsbezeichnung HVO 100 sind diese bereits vielerorts marktgängig“, sagt Ehrhard. Sie sorgten dafür, die CO₂-Emissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um bis zu 90 % zu reduzieren.
Das die Landmaschinenhersteller das auch so sehen, hat die Agritechnica 2023 gezeigt: Mehrere Aussteller haben mit HVO als Alternative geworben. Dazu gehört der Laderhersteller Weidemann: „Die Weidemann Maschinen mit Dieselmotor sind ab 2024 HVO kompatibel und werden ab dem 01. Januar 2024 in ihrer Anfangsbefüllung ab Werk mit HVO betankt.“ Ähnlich äußern sich auch andere Hersteller: Seit 1. Oktober 2023 sind Claas-Erntemaschinen und Traktoren der aktuellen Abgasstufe Stage V für den Betrieb mit HVO freigegeben. Das gleiche gilt für Valtra. Ebenso sind viele mtu-Motoren von Rolls-Royce Power Systems oder von Deutz für den Einsatz von HVO zugelassen.
Wissenschaftler bestätigen Eigenschaften
Grünes Licht kommt auch von der Wissenschaft: HVO weist günstige Eigenschaften, wie eine hohe Zündwilligkeit und eine gute Kältestabilität auf. Damit ist es für den Bestand an Land- und Forstmaschinen eine mögliche Alternative zu fossilem Diesel. In den Eigenschaften unterscheidet es sich kaum von Diesel, sodass keine Anpassungen notwendig sind. Das zeigen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) im bayerischen Straubing.
Die Wissenschaftler haben darin zwölf Maschinen untersucht, zum Teil auf dem Prüfstand und zum Teil in Praxistests auf den Bayerischen Staatsgütern (BaySG). Ergänzt wurden die technischen Erprobungen durch eine Umfrage, welche eine mehrheitlich hohe Akzeptanz des Kraftstoffs ergab. Lediglich die Verfügbarkeit von HVO sowie der Preis stellen ein Hemmnis für den weitreichenden Einsatz dar.
Erfahrungen aus Schweden
In Schweden gibt es HVO bereits seit Jahren. Dort hat der Kraftstoff nach einem ZDF-Bericht dennoch lediglich einen Marktanteil von 3,5 % – trotz der erhofften Klimawirkung. Pures HVO richte sich mehr an Unternehmen als an normale Autofahrer, habe die Schwedische Energieagentur auf ZDF-Anfrage erklärt. Denn HVO sei teuer: Ein Liter kostet in Schweden rund 50 Cent mehr als normaler Diesel. Auch in Deutschland werde HVO immer teurer als fossiler Diesel bleiben, zitiert das ZDF Dr. Andreas Menne, Abteilungsleiter Bioraffinerie und Biokraftstoffe am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT).
Beispiele für den Einsatz
Seit Anfang März bringt die Q1 Energie AG im Rahmen eines Pilotprojekts Diesel HVO100 in Verkehr. Die ersten Abnehmer sind die AWIGO-Unternehmensgruppe, GMH Recycling und Spedition Schröder, die den neuen Kraftstoff in unterschiedlichen Anwendungsfällen testen. Ziel ist es, mit dem Einsatz von Diesel HVO100 den CO₂-Ausstoß zu reduzieren.
Die AWIGO-Unternehmensgruppe legt beispielsweise rund 3,7 Mio. km pro Jahr im Osnabrücker Land zurück. „Wir beobachten, ob die Leistungen sowie das Drehmoment der Motoren gleichbleiben und wie sich der Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu fossilem Diesel verhält. Als Referenz werden wir die Leistung des Motors durch eine Prüfstandmessung vor Umstellung auf HV0100 mit den Ergebnissen einer erneuten Messung nach einem halben Jahr vergleichen“, sagt Fuhrparkmanager Patrick Weber. Getestet werden ein Hecklader, zwei Seitenlader und ein Sperrmüllfahrzeug mit elektrischem Aufbau aus dem Bestand der rund 70 Lkw starken Müllabfuhr-Flotte für den Landkreis Osnabrück.
Beide Unternehmen erproben den Einsatz von HVO100 über eine von Q1 zur Verfügung gestellte Hoftankstelle mit 1.000 Liter Tank, die direkt an den jeweiligen Standorten platziert wurde. Für Q1 ist das Projekt erst der Startschuss. „Zeitnah werden wir auch erste Tankstellen unseres Netzes mit Diesel HVO100 beliefern und den Kraftstoff so jedem Kunden zugänglich machen. Dabei starten wir wieder in Osnabrück“, erklärt Sebastian Herkenhoff, CIO und Leiter für Nachhaltige Energien bei Q1. Das Unternehmen hat bereits über einige Jahre Erfahrungen mit Biokraftstoffen gesammelt und bietet an ausgewählten Tankstellen den Kraftstoff Diesel premium an – eine Mischung aus fossilem Diesel und HVO. Weiterhin plant Q1 den Einsatz von E-Fuels und perspektivisch Wasserstoff.
Was gegen HVO spricht
„Nachteilig ist, dass es für den Kraftstoff in Deutschland keine Produktionsanlagen gibt, er also zu 100 % importiert werden muss, und dass auch die Potenziale an Rest- und Abfallstoffen begrenzt sind“, sagt Dr. Edgar Remmele, Leiter Abteilung Erneuerbare Kraftstoffe und Materialien am TFZ, im top agrar-Interview.
Paraffinischer Dieselkraftstoff wird zudem auch aus frischen Pflanzenölen wie z.B. dem umstrittenen Palmöl sowie aus fossilem Erdgas und Kohle hergestellt. Diese Optionen sind alle durch die Kraftstoffnorm abgedeckt. „Bedenken, bei der Herstellung von HVO100 würde Palmöl verwendet, sind unbegründet. Seit 2023 gelten in Deutschland verschärfte Nachhaltigkeitskriterien, wodurch Biokraftstoffe aus Palmöl vom Markt ausgeschlossen werden“, heißt es beispielsweise in einem Positionspapier des Mineralölwirtschaftsverbandes en2x.
Feststeht aber, dass sich die angebliche Nachhaltigkeit im Ausland nicht kontrollieren lässt. Das zumindest hat die Bundesregierung kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage geäußert. In dem Fall ging es um große Mengen als „fortschrittlicher Biokraftstoff“ deklarierter Biodiesel auf Basis von Altspeiseölen, mit dem China den europäischen Markt regelrecht überschwemmt hat. Weil der Verdacht bestand, dass es sich dabei nicht um Altspeiseöl, sondern um Palmöl als Rohstoff handelte, hatte die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Anfang 2023 die Staatsanwaltschaft Bonn eingeschaltet. Doch das Verfahren wurde eingestellt. Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort darauf hin, dass vor dem Hintergrund des fehlenden Instrumentariums von Vor-Ort-Kontrollen in Ländern, in denen die BLE keine Kontrollbefugnis habe, die BLE die technischen Voraussetzungen für die Herstellung von fortschrittlichen Biokraftstoffen in den chinesischen Herkunftsbetrieben nicht abschließend beurteilen könne.
Begrenzte Mengen
Laut en2x werden weltweit werden über 7 Mio. t HVO produziert. Bis 2025 könnte die globale HVO-Produktion voraussichtlich 30 Mio. t überschreiten. „Mittel- und langfristig bieten skalierbare und nachhaltige Rohstoffquellen weitere Mengenpotenziale“, heißt es in einem HVO-Positionspapier.
Doch diese Mengen sind im Vergleich zum Dieselverbrauch sehr gering: Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat allein Deutschland im Jahr 2022 fast 33 Mio. t Dieselkraftstoff verbraucht. Die weltweiten HVO-Mengen würden also kaum reichen, um Deutschland zu versorgen.
Darum empfiehlt auch das TFZ im Abschlussbericht „HVO für Traktoren“: „Da die Gefahr besteht, sich von einer nur begrenzt verfügbaren Kraftstoffoption abhängig zu machen, sollten der Einsatz weiterer Biokraftstoffe wie Pflanzenölkraftstoff, Biodiesel und Biomethan sowie die Umstellung auf elektrische Antriebe weiter forciert werden.“
Ihre Meinung ist gefragt
Wie stehen Sie zu diesem Thema? Welche Fragen, Anmerkungen oder Lösungsvorschläge haben Sie dazu?
In Deutschland dürfen Tankstellenbetreiber ab April/Mai 2024 den neuen Kraftstoff „HVO100“ anbieten. Einer entsprechenden Änderung der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung hat der Bundesrat am 22. März zugestimmt. Bereits am 28. März 2023 hatte der Koalitionsausschuss der Ampelkoalition beschlossen, dass paraffinischer Dieselkraftstoff nach der Norm DIN EN 15940 als Reinkraftstoff für den Einsatz im Straßenverkehr in die 10. BImSchV aufgenommen wird.
HVO100 steht für "Hydrotreated Vegetable Oil 100%" und ist ein erneuerbarer Dieselkraftstoff. Im Gegensatz zu herkömmlichem Diesel wird HVO100 u.a. aus organischen Rohstoffen wie Pflanzenölen, tierischen Fetten oder anderen biogenen Abfällen hergestellt. Aber auch fossile Ausgangsstoffe wie der Kraftstoff GtL (Gas-to-Liquid; das heißt auf Erdgas-Basis), lassen sich zu HVO verarbeiten.
HVO wird nach Angaben des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) aus dem bayerischen Straubing durch eine katalytische Reaktion von pflanzlichen oder tierischen Ölen und Fetten mit Wasserstoff sowie anschließendes Cracken und Isomerisieren in industriellen Anlagen hergestellt.
Die Eigenschaften
Das TFZ hat den Kraftstoff in dem Projekt „ParaDies2025“ näher unter die Lupe genommen und dabei folgendes festgestellt:
• HVO kann fossilem Dieselkraftstoff beigemischt oder auch unvermischt als Reinkraftstoff eingesetzt werden.
• Die Eigenschaften hydrierter Pflanzenöle unterscheiden sich nur geringfügig von Dieselkraftstoffeigenschaften.
• Die Norm DIN EN 15940 „Paraffinischer Dieselkraftstoff aus Synthese oder Hydrierungs- verfahren“ legt die Anforderungen und Prüfverfahren für Dieselkraftstoff auf der Basis von Synthesegas oder hydrierten biogenen Ölen und Fetten fest. Paraffinischer Dieselkraftstoff entspricht mit Ausnahme der zu geringen Dichte der Dieselkraftstoff-Norm DIN EN 590.
• HVO weist günstige Kraftstoffeigenschaften, wie hohe Zündwilligkeit und gute Kältestabilität, auf.
• Die nahezu völlige Aromatenfreiheit von HVO wirkt sich in den meisten Untersuchungen positiv auf geringe Schadstoffemissionen aus, z.B. bei den Stickoxiden.
• Sie bewirkt allerdings auch, dass es nach längerem Dieselbetrieb aufgrund veränderten Quellverhaltens von Elastomeren vereinzelt zu Undichtigkeiten im Kraftstoffsystem kommen kann.
• Die THG-Einsparung von HVO aus Rest- und Abfallstoffen gegenüber Diesel beträgt rund 80 %.
Nicht neu
Nachhaltige paraffinische Dieselkraftstoffe wie HVO aus Abfall- und Reststoffen konnten bislang nach der 10. BImSchV mit einem Anteil von bis zu 26 % fossilem Diesel beigemischt werden. Obwohl technisch und rechtlich mehr möglich wäre, wird HVO durchschnittlich aber nur zu etwa 2 % beigemischt. Diese Menge reicht laut Bundesumweltministerium aus, um die vorgeschriebene Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) zu erfüllen. Nur in Verbindung mit der Anrechnung auf die THG-Quote sei der Einsatz dieser Kraftstoffe aktuell überhaupt wirtschaftlich. Ohne Quotenanrechnung würde der Preis ein Vielfaches von konventionellem Dieselkraftstoff betragen. Auch künftig in Reinform in Verkehr gebrachte nachhaltige paraffinische Dieselkraftstoffe würden auf die Quote angerechnet. Darum geht das BMU davon aus, dass beim Verkauf von HVO100 die die bereits praktizierte Beimischung reduziert wird.
Von der Industrie begrüßt
„Im Ackerbau sind flüssige wie gasförmige Energieträger auch in Zukunft nicht substituierbar. Schließlich ist der Leistungsbedarf entlang der gesamten landwirtschaftlichen Produktionskette immens“, betont Dr. Tobias Ehrhard, Geschäftsführer des Branchenverbandes VDMA Landtechnik. Elektrische Antriebe seien in der Breite auf absehbare Zeit keine Alternative. Moderne Landmaschinen und Traktoren ließen sich schon heute mit klimaneutralen, alternativen Kraftstoffen betreiben. „Ganz besonders bieten sich biogene Kraftstoffe aus hydrierten Pflanzenölen an. Unter der Verkehrsbezeichnung HVO 100 sind diese bereits vielerorts marktgängig“, sagt Ehrhard. Sie sorgten dafür, die CO₂-Emissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um bis zu 90 % zu reduzieren.
Das die Landmaschinenhersteller das auch so sehen, hat die Agritechnica 2023 gezeigt: Mehrere Aussteller haben mit HVO als Alternative geworben. Dazu gehört der Laderhersteller Weidemann: „Die Weidemann Maschinen mit Dieselmotor sind ab 2024 HVO kompatibel und werden ab dem 01. Januar 2024 in ihrer Anfangsbefüllung ab Werk mit HVO betankt.“ Ähnlich äußern sich auch andere Hersteller: Seit 1. Oktober 2023 sind Claas-Erntemaschinen und Traktoren der aktuellen Abgasstufe Stage V für den Betrieb mit HVO freigegeben. Das gleiche gilt für Valtra. Ebenso sind viele mtu-Motoren von Rolls-Royce Power Systems oder von Deutz für den Einsatz von HVO zugelassen.
Wissenschaftler bestätigen Eigenschaften
Grünes Licht kommt auch von der Wissenschaft: HVO weist günstige Eigenschaften, wie eine hohe Zündwilligkeit und eine gute Kältestabilität auf. Damit ist es für den Bestand an Land- und Forstmaschinen eine mögliche Alternative zu fossilem Diesel. In den Eigenschaften unterscheidet es sich kaum von Diesel, sodass keine Anpassungen notwendig sind. Das zeigen die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Technologie- und Förderzentrums (TFZ) im bayerischen Straubing.
Die Wissenschaftler haben darin zwölf Maschinen untersucht, zum Teil auf dem Prüfstand und zum Teil in Praxistests auf den Bayerischen Staatsgütern (BaySG). Ergänzt wurden die technischen Erprobungen durch eine Umfrage, welche eine mehrheitlich hohe Akzeptanz des Kraftstoffs ergab. Lediglich die Verfügbarkeit von HVO sowie der Preis stellen ein Hemmnis für den weitreichenden Einsatz dar.
Erfahrungen aus Schweden
In Schweden gibt es HVO bereits seit Jahren. Dort hat der Kraftstoff nach einem ZDF-Bericht dennoch lediglich einen Marktanteil von 3,5 % – trotz der erhofften Klimawirkung. Pures HVO richte sich mehr an Unternehmen als an normale Autofahrer, habe die Schwedische Energieagentur auf ZDF-Anfrage erklärt. Denn HVO sei teuer: Ein Liter kostet in Schweden rund 50 Cent mehr als normaler Diesel. Auch in Deutschland werde HVO immer teurer als fossiler Diesel bleiben, zitiert das ZDF Dr. Andreas Menne, Abteilungsleiter Bioraffinerie und Biokraftstoffe am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT).
Beispiele für den Einsatz
Seit Anfang März bringt die Q1 Energie AG im Rahmen eines Pilotprojekts Diesel HVO100 in Verkehr. Die ersten Abnehmer sind die AWIGO-Unternehmensgruppe, GMH Recycling und Spedition Schröder, die den neuen Kraftstoff in unterschiedlichen Anwendungsfällen testen. Ziel ist es, mit dem Einsatz von Diesel HVO100 den CO₂-Ausstoß zu reduzieren.
Die AWIGO-Unternehmensgruppe legt beispielsweise rund 3,7 Mio. km pro Jahr im Osnabrücker Land zurück. „Wir beobachten, ob die Leistungen sowie das Drehmoment der Motoren gleichbleiben und wie sich der Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu fossilem Diesel verhält. Als Referenz werden wir die Leistung des Motors durch eine Prüfstandmessung vor Umstellung auf HV0100 mit den Ergebnissen einer erneuten Messung nach einem halben Jahr vergleichen“, sagt Fuhrparkmanager Patrick Weber. Getestet werden ein Hecklader, zwei Seitenlader und ein Sperrmüllfahrzeug mit elektrischem Aufbau aus dem Bestand der rund 70 Lkw starken Müllabfuhr-Flotte für den Landkreis Osnabrück.
Beide Unternehmen erproben den Einsatz von HVO100 über eine von Q1 zur Verfügung gestellte Hoftankstelle mit 1.000 Liter Tank, die direkt an den jeweiligen Standorten platziert wurde. Für Q1 ist das Projekt erst der Startschuss. „Zeitnah werden wir auch erste Tankstellen unseres Netzes mit Diesel HVO100 beliefern und den Kraftstoff so jedem Kunden zugänglich machen. Dabei starten wir wieder in Osnabrück“, erklärt Sebastian Herkenhoff, CIO und Leiter für Nachhaltige Energien bei Q1. Das Unternehmen hat bereits über einige Jahre Erfahrungen mit Biokraftstoffen gesammelt und bietet an ausgewählten Tankstellen den Kraftstoff Diesel premium an – eine Mischung aus fossilem Diesel und HVO. Weiterhin plant Q1 den Einsatz von E-Fuels und perspektivisch Wasserstoff.
Was gegen HVO spricht
„Nachteilig ist, dass es für den Kraftstoff in Deutschland keine Produktionsanlagen gibt, er also zu 100 % importiert werden muss, und dass auch die Potenziale an Rest- und Abfallstoffen begrenzt sind“, sagt Dr. Edgar Remmele, Leiter Abteilung Erneuerbare Kraftstoffe und Materialien am TFZ, im top agrar-Interview.
Paraffinischer Dieselkraftstoff wird zudem auch aus frischen Pflanzenölen wie z.B. dem umstrittenen Palmöl sowie aus fossilem Erdgas und Kohle hergestellt. Diese Optionen sind alle durch die Kraftstoffnorm abgedeckt. „Bedenken, bei der Herstellung von HVO100 würde Palmöl verwendet, sind unbegründet. Seit 2023 gelten in Deutschland verschärfte Nachhaltigkeitskriterien, wodurch Biokraftstoffe aus Palmöl vom Markt ausgeschlossen werden“, heißt es beispielsweise in einem Positionspapier des Mineralölwirtschaftsverbandes en2x.
Feststeht aber, dass sich die angebliche Nachhaltigkeit im Ausland nicht kontrollieren lässt. Das zumindest hat die Bundesregierung kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage geäußert. In dem Fall ging es um große Mengen als „fortschrittlicher Biokraftstoff“ deklarierter Biodiesel auf Basis von Altspeiseölen, mit dem China den europäischen Markt regelrecht überschwemmt hat. Weil der Verdacht bestand, dass es sich dabei nicht um Altspeiseöl, sondern um Palmöl als Rohstoff handelte, hatte die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Anfang 2023 die Staatsanwaltschaft Bonn eingeschaltet. Doch das Verfahren wurde eingestellt. Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort darauf hin, dass vor dem Hintergrund des fehlenden Instrumentariums von Vor-Ort-Kontrollen in Ländern, in denen die BLE keine Kontrollbefugnis habe, die BLE die technischen Voraussetzungen für die Herstellung von fortschrittlichen Biokraftstoffen in den chinesischen Herkunftsbetrieben nicht abschließend beurteilen könne.
Begrenzte Mengen
Laut en2x werden weltweit werden über 7 Mio. t HVO produziert. Bis 2025 könnte die globale HVO-Produktion voraussichtlich 30 Mio. t überschreiten. „Mittel- und langfristig bieten skalierbare und nachhaltige Rohstoffquellen weitere Mengenpotenziale“, heißt es in einem HVO-Positionspapier.
Doch diese Mengen sind im Vergleich zum Dieselverbrauch sehr gering: Nach Angaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat allein Deutschland im Jahr 2022 fast 33 Mio. t Dieselkraftstoff verbraucht. Die weltweiten HVO-Mengen würden also kaum reichen, um Deutschland zu versorgen.
Darum empfiehlt auch das TFZ im Abschlussbericht „HVO für Traktoren“: „Da die Gefahr besteht, sich von einer nur begrenzt verfügbaren Kraftstoffoption abhängig zu machen, sollten der Einsatz weiterer Biokraftstoffe wie Pflanzenölkraftstoff, Biodiesel und Biomethan sowie die Umstellung auf elektrische Antriebe weiter forciert werden.“
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