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topplus DMK im Interview

DMK-Chef Ingo Müller: "Wir haben nicht gezockt!"

Schlechter Milchpreis im vergangenen Jahr, 700 Mio. kg Milch in Kündigung im laufenden Jahr. Wie gehts weiter bei Deutschlands größter Molkereigenossenschaft, dem Deutschen Milchkontor?

Lesezeit: 7 Minuten

Ingo Müller ist Geschäftsführer der Genossenschaftsmolkerei "Deutsches Milchkontor" (DMK). Aufgewachsen auf einem landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb in Niedersachsen, absolvierte er eine Lehre als Molkereifachmann. Seit 2016 leitet er als CEO die Geschicke des Unternehmens.

Herr Müller, wie überrascht waren Sie Ende vergangenen Jahres von den 700 Mio. kg Milch in Kündigung?

Müller: Wir haben mit Kündigungen gerechnet. Die 700 Mio. kg haben uns aber doch überrascht. Es haben rund 10 % der Mitglieder gekündigt, was ­etwas mehr als 10 % der Milchmenge ausmacht. Das ist ein Zeichen, dass die Landwirte nicht zufrieden waren. 2023 war ein schlechtes Jahr und der Rückschlag hat wehgetan. 90 % bleiben aber und dafür sind wir dankbar.

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Wie reagieren Sie auf die Kündigungen?

Müller: Wir haben eine Kündigungsfrist von nur einem Jahr. Das bedeutet, dass wir zeitnah nachjustieren müssen. Verbunden mit dem generellen Strukturwandel in der Branche und erwartbar regional geringeren Milchmengen planen wir deshalb, den Standort Dargun zu schließen sowie einzelne Bereiche in Edewecht, Everswinkel und Hohenwestedt still­zulegen. Der finale Beschluss über die Umsetzung bedarf der Zustimmung durch den Aufsichtsrat.

Gibt es Kündigungsschwerpunkte?

Müller: Die Kündigungen konzentrieren sich nicht in einer bestimmten Region. Wir haben uns angeschaut, wo wir wie viel gekündigte Milch haben und wo wir heute schon überdimen­sional Milch hinfahren, um Standorte auszulasten. Daraus sind die genannten Anpassungspläne entstanden. Wir wollen nicht mengengetrieben sein, sondern eine möglichst hohe Verwertung erzielen. An den Standorten, wo wir uns jetzt entschieden haben, Än­derungen vorzunehmen, produzieren wir aktuell vor allem Standardware.

Standardware steht oft unter Preisdruck. Wollen Sie die 700 Mio. kg Milch überhaupt noch haben?

Müller: Auf jeden Fall, so verstehen wir Genossenschaft! Wir wollen die Milch zurück und sind überzeugt, dass wir noch Potenziale abseits der Standardware heben können. Jede Molkerei will über dem Schnitt auszahlen und wir kämpfen auch dafür.

Im vergangenen Jahr ist das nicht ­gelungen. Was waren die Gründe?

Müller: Schon Ende des Rekordjahres 2022 war abzusehen, dass die Marktpreise deutlich nachgeben und die ­Verwertungen sinken. Allerdings ­haben wir im Januar und Februar 2023 die Milchpreise zu wenig gesenkt. ­­Faktisch wäre richtig gewesen, das Milchgeld schon im Dezember 2022 um 10 ct/kg zu senken. Gleichzeitig waren die Märkte extrem volatil und es gab eine enorme Abwertung der Lagerbestände, gerade bei Käse. Hinzu kamen zwar gut verhandelte Preise in der weißen und gelben Linie mit dem Lebens­mittelhandel (LEH), der letztlich aber weniger Menge abrief als geplant. Diese musste dann in die schlechtere Pulververwertung fließen. Zudem ­hatten wir durch für uns notwen­dige, langfristige Verträge 2023 rund 80 Mio. € mehr ­Energiekosten als im Jahr zuvor.

Was würden Sie heute anders machen?

Müller: Marktverwerfungen, wie wir sie 2023 hatten, habe ich in 30 Jahren Milchwirtschaft noch nicht erlebt. ­Natürlich fragt man sich, ob man ­etwas anders hätte machen können. Rückblickend sind wir mit aggres­siven Preisforderungen an den Handel herangetreten, auf die er sich am Ende nicht eingelassen hat. Was mir wichtig ist zu betonen: Wir haben nicht ­gezockt! Heißt, wir haben mit den ­Käsebeständen nicht spekuliert.

2022 war das Rekordjahr des DMK. Der Umsatz ist im Vergleich zu 2021 aber stabil geblieben. Woran liegt das?

Müller: Das ist schnell erklärt: Wir ­haben unsere Mehrheitsbeteiligung an Fude + Serrahn auf rund 10 % reduziert. Nach der Entkonsolidierung ist der Umsatzanteil der Fude + Serrahn von mehr als 1 Mrd. € nicht mehr im Gesamtumsatz 2022 enthalten.

Die Personalkosten sind von 2021 auf 2022 aber nur leicht gesunken, obwohl Fude + Serrahn ausgeschieden ist.

Müller: Auf die Diskussion, dass wir zu viele Mitarbeiter im Verhältnis zur verarbeiteten Milchmenge haben, lasse ich mich nicht ein. Wir wollen unsere Verwertung erhöhen und brauchen ­dafür Menschen in der Produktion, im Marketing, Vertrieb und der Produktentwicklung. Unser Ziel ist, möglichst viele Artikel mit einer besseren Verwertung zu produzieren, z. B. aufgeschnittenen Milram-Käse. Das er­fordert mehr Aufwand als Käse blockweise in den Markt zu bringen.

Wenn Käse eine so hohe Verwertung hat, warum planen Sie dann die Ver­arbeitungskapazität in Edewecht zu drosseln und Dargun zu schließen?

Müller: In Edewecht wollen wir 15 kg-Block-Käse rausnehmen, ein Massenprodukt. In Dargun stellen wir ebenfalls Käse als Blockware her. Wir ­wollen die Produkte mit höherer Wertschöpfung stärken und die mit einer geringeren Verwertung reduzieren.

Möglicherweise brechen nicht die kompletten 700 Mio. kg Milch zum Jahresende weg. Wie planen Sie das?

Müller: Wir haben immer etwas Puffer, um flexibel zu bleiben – auch trotz des geplanten Kapazitätsabbaus. Sie können also sicher sein, dass wir uns nicht verzocken und ganz bestimmt keinen neuen Pulverturm bauen müssen, wenn wir Landwirte zurückgewinnen.

Wie reagieren Ihre Banken auf die ­voraussichtlich hohe Auszahlung der Genossenschaftsanteile Ende 2025?

Müller: Wer in unsere Bilanz schaut, sieht: Wir sind grundsolide aufgestellt und haben weder ein Liquiditäts- noch ein Eigenkapitalproblem. Das ändert auch die Reduzierung der Geschäftsanteile durch Kündigungen nicht. Selbst im für uns katastrophalen Jahr 2023 konnten wir die Eigenkapitalquote von 31,2 % auf 34,2 % erhöhen. Die Ende 2023 erfolgte Kündigung der Geschäftsanteile setzt eine zwei­jährige Kündigungsfrist in Gang. Erst wenn in 2026 das Geschäftsjahr 2025 abgeschlossen und durch die Gesellschafterversammlung das Jahresergebnis festgestellt wird, erfolgt Mitte 2026 die Auszahlung der Geschäftsanteile der Kündigungen von Ende 2023.

Einigen Mitgliedern wäre mehr ­Milchgeld lieber gewesen als eine ­höhere Eigenkapitalquote.

Müller: Da bin ich sehr klar: Ich nehme Milch an und ich verkaufe Milch. Dadurch habe ich ein operatives Ergebnis. Ich kann nur Milchgeld zahlen, das die Milch erwirtschaftet und nicht, welches ich mir von der Bank leihe oder das aus den Rücklagen kommt. Dieses Thema haben wir auch in unseren Mitgliederversammlungen angesprochen. Und glauben Sie mir: Ich streite mich lieber mit Landwirten über unsere Leistungsfähigkeit als dass ich Aktionen fahre, die unser ­Unternehmen gefährden. Denn genau das würde passieren, wenn wir Milchgeld aus Fremdkapital oder Rücklagen bezahlen.

Ich streite mich lieber mit Landwirten über unsere Leistungsfähigkeit als dass ich Aktionen fahre, die unser ­Unternehmen gefährden." - Ingo Müller

Das DMK hat insgesamt 38 Toch­tergesellschaften – von Mailand bis Dubai. Warum so viele?

Müller: Das sind oft Verwaltungsge­sellschaften, die sich z. B. um Lizenzen und die Kommunikation mit dem jeweiligen Staat und den Behörden kümmern. Es ist deutlich einfacher, wenn das vor Ort stattfindet. Wir haben aber unnötige Komplexität ab­gebaut: Nach der Fusion zum DMK hatten wir noch knapp 80 Tochter­gesell­schaften.

Auch in Russland sind Sie immer noch tätig. Warum?

Müller: Der Krieg in der Ukraine ist eine absolute Tragödie, unter der vor allem die Zivilbevölkerung leidet – in der Ukraine vor allem, aber auch in Russland. Dort haben wir auch für unsere Mitarbeiter eine Verant­wortung. Genauso für die Landwirte, die ihre Milch liefern. Wirtschaftlich profitieren wir übrigens nicht davon: Die in Russland erwirtschafteten Gewinne spenden wir in die Ukraine.

Die hohe Inflation ist eine direkte Kriegsfolge, die wir auch in Deutschland spüren. Marken haben es schwer. Wie reagieren Sie?

Müller: Unsere Marke Milram hat sich sehr positiv entwickelt – das wollen wir weiter stärken. Im Food Service sind wir z. B. Marktführer, im LEH bei Käse Nr. 2 nach der Handelsmarke und auch bei Gewürzquark Nr. 1.

Inflation, Handelsmarken und Tierwohlprogramme

Dennoch sind Handelsmarken ­gerade gefragter.

Müller: Das stimmt. Das trifft uns, weil der Wettbewerb dadurch härter wird. Der Deutsche ist nicht zuletzt durch die Inflation ein Preiskäufer.

Ungeachtet dessen sind Tierwohlprogramme und die Tierwohlkennzeichnung aufgegleist. Was erwarten Sie?

Müller: Ich glaube, die Kategorien ­stehen nun fest. Einmal von der pri­vatwirtschaftlichen Seite mit der Initiative Tierwohl, einmal mit dem staatlichen Label von unserem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Die nächsten Monate zeigen, wie viel Milch in welche Kategorie fließt. Ich bin allerdings skeptisch, ob die Branche so nachhaltig mehr Geld bekommt – ­allerdings kämpfen wir dafür.

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