In einem neuen Positionspapier fordert der Deutsche Landfrauenverband (dlv) unter anderem, die gute Pflege auf dem Land zu sichern und die Altersarmut von Frauen zu bekämpfen. Wir haben mit dlv-Vizepräsidentin Ursula Braunewell über die Hintergründe zum Papier gesprochen und ergründet, warum die Hauswirtschaft als Dienstleistung auf dem Land bald eine Renaissance erleben könnte.
Frau Braunewell, wie kommt es, dass die Landfrauen das Thema Pflege aktuell aufgreifen?
Ursula Braunewell: Das Thema Pflege ist für uns Frauen im Fachausschuss Frauen-, Familien- und Gesellschaftspolitik im DLV ein Dauerbrenner. Initiiert durch den Deutschen Frauenrat, bei dem wir Mitglied sind, wurde das „Bündnis Sorgearbeit – fair teilen“ bundesweit ins Leben gerufen. Dem haben sich diesmal nicht nur Frauen-, sondern auch Männerverbände angeschlossen. Die Sorgearbeit ist, vor allem mit dem Blick auf die ländlichen Regionen, nicht gerecht verteilt. Wir sehen einfach, dass die Sorgearbeit nach wie vor Frauensache ist. Die fängt bei der Kindererziehung an und hört bei den Eltern oder Schwiegereltern manchmal noch nicht auf – und dann kommen oft schon die ersten Enkel. Selbst wenn die Pflege in Übergabeverträgen nicht mehr wie früher eingepreist wird: Die Erwartungshaltung, bis zum Lebensende auf dem Hof zu bleiben, gibt es nach wie vor. Für uns positiv kommt die Ansage der Bundesregierung, Zuschüsse für Haushaltsnahe Dienstleistungen bereitzustellen.
Das ist doch ein positives Bekenntnis, wieso braucht man diesbezüglich dann ein Positionspapier?
Braunewell: Ich sehe das auch als gute Entwicklung in die richtige Richtung. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, auch Wissen zu vermitteln, sonst kann es nicht gelingen: Welche Zusatzleistungen können Pflegende in Anspruch nehmen? Solange ich zwar meine Stunden in abhängiger Beschäftigung reduziere, aber weiterhin mehr als 30 Stunden arbeite, fällt weiterhin meine Rentenanwartschaft für die Pflege unter den Tisch. Da sehen wir im Fachausschuss und im Präsidium des dlv nach wie vor eine ungleiche Behandlung. Und genau das führt auch dazu, dass Pflegearbeit für Männer eher unattraktiv ist. Wäre diese besser aufgestellt und gerecht vergütet, bin ich mir sicher, dass auch mehr Männer dazu bereit wären, sich stärker zu engagieren.
Wo muss sich noch etwas bewegen?
Braunewell: Die Baustellen sind vielfältig. Das Thema „Pflegedienst auf dem Land“ hat beispielsweise noch mal seine eigenen Dimensionen. Je weiter die Wege, desto unattraktiver ist die Arbeit für den Pflegedienst. Da gibt es Pauschalen, die sich im städtischen Umfeld eher rechnen als bei den weiten Wegen auf dem Land. Und manches, wie z. B. Einkauf, Hilfe im Haushalt, Freizeitbegleitung und vieles mehr, müsste der Pflegedienst nicht tun. Damit wären wir wieder beim Thema der haushaltsnahen Dienstleistungen.
Über welche Aufgaben sprechen wir hier?
Braunewell: Das kann jemand sein, der die Gardinen abnimmt und wäscht, einkaufen fährt, Mahlzeiten zubereitet, mit den Senioren Zeit verbringt und redet: Die Erfahrungen aus unseren Nachbarländern Belgien und Frankreich zeigen, dass diese Arbeiten die Familien entlasten und es den Senioren ermöglichen, möglichst lange selbstbestimmt zu leben – auch auf dem Land!
Als Frauenverband können wir uns zudem vorstellen, dass durch die Bezuschussung Agenturen im ländlichen Raum entstehen können. Das sind wertvolle Arbeitsplätze. Sowohl für gut ausgebildete Gründerinnen aus der Hauswirtschaft mit ihrem wertvollen Know-how, als auch für geringer qualifizierte Quereinsteiger, die hier in ein festes und vor allem sozialversicherungspflichtiges Anstellungsverhältnis kommen. Wir sehen darin eine gute Möglichkeit, die Gender-Pension-Gap, also den Rentenabstand zwischen Männern und Frauen, zu verringern.
Kann man das in dieser Lohngruppe nicht eher als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen?
Braunewell: Ja, das ist leider immer noch Niedriglohnniveau. Darüber hinaus fordern wir verpflichtende Weiterbildungen. Wir wollen die Messlatte für Einsteiger möglichst gering halten, aber gleichzeitig eine hohe Qualität der Dienstleistungen wahren. Im Bestfall ermöglichen wir so vielen qualifizierten Frauen sogar den Einstieg in eine Pflegeausbildung. Dann hätten wir durch diesen niedrigschwelligen Schritt viel Gutes erreicht.
Vielen Dank für das Gespräch.