Das Start-up „Qoa“ will eine kakaofreie Schokolade herstellen. Als alternativen, regionalen Rohstoff verwendet das Unternehmen Haferspelze und andere Nebenprodukte aus der Getreideproduktion.
Eine Schokolade, die nach Schokolade schmeckt, aber keinen Kakao enthält? Daran arbeitet das Team von Qoa, einer Münchner Biotech-Firma. Die Gründer und Geschwister Dr. Sara und Dr. Maximilian Marquart wollen eigenen Angaben die weltweit erste kakaofreie Schokolade herstellen und damit den Flächenfraß des Kakao-Anbaus eindämmen.
Für den schokoladigen Geschmack sorgen, vereinfacht ausgedrückt, geröstete Haferspelzen. Das in großen Mengen vorhandene Nebenprodukt der Agrar- und Lebensmittelindustrie, das etwa bei der Herstellung von Frühstücksflocken oder in der Hafermilchproduktion übrig bleibt, dient als alternativer Rohstoff zum Kakao. „Der als Kakao und Schokolade bekannte Geschmack entsteht vor allem durch den Herstellungsprozess und die Fermentation und weniger durch den Kakao selbst“, so die Gründer.
Für den Geschmack setzen die Geschwister Marquart unter anderem das Verfahren der Fermentation ein. Sie nutzen dazu Mikroorganismen wie Hefen, um die Zutaten geschmacklich zu verändern. Der Prozess sei vergleichbar mit dem des Bierbrauens. Nach der Fermentation wird die Haferspelze geröstet.
„Getreide eignet sich gut als Rohstoff, da es viele Nährstoffe für die Milchsäurebakterien bei der Fermentation enthält, heimisch angebaut werden kann und weniger Bitterstoffe als Kakao enthält“, sagt Sara Marquart. Das Unternehmen baut dafür nach eigenen Angaben Lieferketten mit Lieferanten aus Bayern und Deutschland sowie aus Europa auf. Ziel sei es, die Rohstoffe aus einem möglichst keinen Einzugsbereich zu beziehen. Dafür sei das Team derzeit auf der Suche nach Kooperationspartnern aus Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. „Momentan entwickeln wir zudem eine Plattform für den Handel mit Nebenprodukten wie Ölsaaten, Nüssen und Restprodukten, um den Zugang zu erleichtern.“
Getreide eignet sich gut als Rohstoff, da es viele Nährstoffe für die Milchsäurebakterien bei der Fermentation enthält, heimisch angebaut werden kann und wenig Bitterstoffe enthält." - Sara Marquart
„Kakaoanbau nicht nachhaltig“
Qoa-Gründerin Sara Marquart ist Lebensmittelchemikerin mit über 10 Jahren Erfahrung in der Aroma- und Geschmacksstoffbildung. Ihr Bruder Max Marquart ist Materialwissenschaftler, gründete zwei eigene Unternehmen und hat vielen Start-ups dabei geholfen, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Der Startschuss für das eigene Unternehmen fiel im April 2021. „Wir haben uns mit dem globalen Kakaoanbau beschäftigt und erkannt, dass bis zu 50 % durch Krankheitserreger und den Klimawandel gefährdet sind“, sagt das Team. Außerdem treibe der Anbau die Abholzung der Regenwälder voran und bedrohe die Biodiversität. Zusätzlich seien Kinderarbeit und Sklaverei in Westafrika, wo zwei Drittel der weltweiten Kakaolieferungen herkommen, noch immer weit verbreitet.
In der herkömmlichen Schokoladenproduktion werden Kakaobohnen auf den Plantagen fermentiert, getrocknet und daraufhin am Verarbeitungsort geröstet. Jeder dieser Schritte führt zur Bildung verschiedener Aromen. Diese Herstellungsschritte versucht das Unternehmen nachzubilden. Alle Produktionsdetails verrät es allerdings nicht. Qoa kooperierte bei der Produktentwicklung mit Sensorik-Experten des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik, die den Schokoladenersatz laufend untersuchten. Das anfängliche Feedback zu ihren Produktversuchen sei nicht gerade berauschend ausgefallen, geben sie zu. „Auf einer Skala von 1 bis 10 haben sie eine 4,6 erreicht.“ Inzwischen sei ihr Schokoladenersatz geschmacklich aber nicht mehr vom Schokoladen-Original zu unterscheiden.
Qoa verhandelt nach eigenen Angaben mittlerweile mit internationalen Unternehmen und will 2023 die ersten Produkte auf den Markt bringen. Mittlerweile zählt das Kernteam 15 Mitarbeiter – bis Ende des Jahres sollen es 25 werden. „Bis Ende 2022 werden wir eine größere Menge in einer Pilotanlage produzieren und im nächsten Jahr mehrere Tonnen pro Stunde produzieren und damit Industriekunden beliefern können“, so Max Marquart. Die Suche nach geeigneten Produktions- und Laborräumlichkeiten war dabei die größte Herausforderung.
Industriekunden als Zielgruppe
Die Geschwister sehen ihre Kundschaft im B2B-Bereich und wollen die Schokolade in Industrieprodukten wie Keksen und Riegeln ersetzen – also dort, wo man Kakao gar nicht richtig schmecken kann, etwa in einem Schoko-Nussriegel oder in Gebäck. „Eigentlich ist es Ressourcenverschwendung, hier echten Kakao einzusetzen. Dafür wollen wir eine Lösung anbieten und den Druck von der Lieferkette nehmen.“ Konkret richten sie sich an die Lebensmittelindustrie, Bäckereien und Coffee-Shops, die den Schoko-Ersatz dann in eigenen Produkten verarbeiten.
Anfang 2021 gegründet, konnten Sara Marquart und ihr Bruder bereits über 5 Mio. € für ihr Geschäftsmodell einsammeln. Geholfen habe ihre vorangehende Arbeit für einen Kaffeeersatz-Hersteller, sagt die Gründerin. „Ich wusste, wie es in den USA mit Risikokapital funktioniert.“ Einer der wichtigsten internationalen Start-up-Acceleratoren in den USA nahm Qoa in sein Portfolio auf: Y Combinator, das Firmen wie Airbnb gefördert hat.
Fermentation liegt im Trend
Neben Qoa entwickeln mehrere deutsche Unternehmen Lebensmittel auf Basis von Fermentation. Mithilfe von Mikroorganismen entstehen etwa im Labor des Berliner Start-ups „Formo“ Käsesorten, die sich in Geschmack und Aussehen von den Originalen aus Kuhmilch kaum mehr unterscheiden lassen. 42 Mio. € sammelte Formo zuletzt bei Investoren ein.
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Eine Schokolade, die nach Schokolade schmeckt, aber keinen Kakao enthält? Daran arbeitet das Team von Qoa, einer Münchner Biotech-Firma. Die Gründer und Geschwister Dr. Sara und Dr. Maximilian Marquart wollen eigenen Angaben die weltweit erste kakaofreie Schokolade herstellen und damit den Flächenfraß des Kakao-Anbaus eindämmen.
Für den schokoladigen Geschmack sorgen, vereinfacht ausgedrückt, geröstete Haferspelzen. Das in großen Mengen vorhandene Nebenprodukt der Agrar- und Lebensmittelindustrie, das etwa bei der Herstellung von Frühstücksflocken oder in der Hafermilchproduktion übrig bleibt, dient als alternativer Rohstoff zum Kakao. „Der als Kakao und Schokolade bekannte Geschmack entsteht vor allem durch den Herstellungsprozess und die Fermentation und weniger durch den Kakao selbst“, so die Gründer.
Für den Geschmack setzen die Geschwister Marquart unter anderem das Verfahren der Fermentation ein. Sie nutzen dazu Mikroorganismen wie Hefen, um die Zutaten geschmacklich zu verändern. Der Prozess sei vergleichbar mit dem des Bierbrauens. Nach der Fermentation wird die Haferspelze geröstet.
„Getreide eignet sich gut als Rohstoff, da es viele Nährstoffe für die Milchsäurebakterien bei der Fermentation enthält, heimisch angebaut werden kann und weniger Bitterstoffe als Kakao enthält“, sagt Sara Marquart. Das Unternehmen baut dafür nach eigenen Angaben Lieferketten mit Lieferanten aus Bayern und Deutschland sowie aus Europa auf. Ziel sei es, die Rohstoffe aus einem möglichst keinen Einzugsbereich zu beziehen. Dafür sei das Team derzeit auf der Suche nach Kooperationspartnern aus Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie. „Momentan entwickeln wir zudem eine Plattform für den Handel mit Nebenprodukten wie Ölsaaten, Nüssen und Restprodukten, um den Zugang zu erleichtern.“
Getreide eignet sich gut als Rohstoff, da es viele Nährstoffe für die Milchsäurebakterien bei der Fermentation enthält, heimisch angebaut werden kann und wenig Bitterstoffe enthält." - Sara Marquart
„Kakaoanbau nicht nachhaltig“
Qoa-Gründerin Sara Marquart ist Lebensmittelchemikerin mit über 10 Jahren Erfahrung in der Aroma- und Geschmacksstoffbildung. Ihr Bruder Max Marquart ist Materialwissenschaftler, gründete zwei eigene Unternehmen und hat vielen Start-ups dabei geholfen, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Der Startschuss für das eigene Unternehmen fiel im April 2021. „Wir haben uns mit dem globalen Kakaoanbau beschäftigt und erkannt, dass bis zu 50 % durch Krankheitserreger und den Klimawandel gefährdet sind“, sagt das Team. Außerdem treibe der Anbau die Abholzung der Regenwälder voran und bedrohe die Biodiversität. Zusätzlich seien Kinderarbeit und Sklaverei in Westafrika, wo zwei Drittel der weltweiten Kakaolieferungen herkommen, noch immer weit verbreitet.
In der herkömmlichen Schokoladenproduktion werden Kakaobohnen auf den Plantagen fermentiert, getrocknet und daraufhin am Verarbeitungsort geröstet. Jeder dieser Schritte führt zur Bildung verschiedener Aromen. Diese Herstellungsschritte versucht das Unternehmen nachzubilden. Alle Produktionsdetails verrät es allerdings nicht. Qoa kooperierte bei der Produktentwicklung mit Sensorik-Experten des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik, die den Schokoladenersatz laufend untersuchten. Das anfängliche Feedback zu ihren Produktversuchen sei nicht gerade berauschend ausgefallen, geben sie zu. „Auf einer Skala von 1 bis 10 haben sie eine 4,6 erreicht.“ Inzwischen sei ihr Schokoladenersatz geschmacklich aber nicht mehr vom Schokoladen-Original zu unterscheiden.
Qoa verhandelt nach eigenen Angaben mittlerweile mit internationalen Unternehmen und will 2023 die ersten Produkte auf den Markt bringen. Mittlerweile zählt das Kernteam 15 Mitarbeiter – bis Ende des Jahres sollen es 25 werden. „Bis Ende 2022 werden wir eine größere Menge in einer Pilotanlage produzieren und im nächsten Jahr mehrere Tonnen pro Stunde produzieren und damit Industriekunden beliefern können“, so Max Marquart. Die Suche nach geeigneten Produktions- und Laborräumlichkeiten war dabei die größte Herausforderung.
Industriekunden als Zielgruppe
Die Geschwister sehen ihre Kundschaft im B2B-Bereich und wollen die Schokolade in Industrieprodukten wie Keksen und Riegeln ersetzen – also dort, wo man Kakao gar nicht richtig schmecken kann, etwa in einem Schoko-Nussriegel oder in Gebäck. „Eigentlich ist es Ressourcenverschwendung, hier echten Kakao einzusetzen. Dafür wollen wir eine Lösung anbieten und den Druck von der Lieferkette nehmen.“ Konkret richten sie sich an die Lebensmittelindustrie, Bäckereien und Coffee-Shops, die den Schoko-Ersatz dann in eigenen Produkten verarbeiten.
Anfang 2021 gegründet, konnten Sara Marquart und ihr Bruder bereits über 5 Mio. € für ihr Geschäftsmodell einsammeln. Geholfen habe ihre vorangehende Arbeit für einen Kaffeeersatz-Hersteller, sagt die Gründerin. „Ich wusste, wie es in den USA mit Risikokapital funktioniert.“ Einer der wichtigsten internationalen Start-up-Acceleratoren in den USA nahm Qoa in sein Portfolio auf: Y Combinator, das Firmen wie Airbnb gefördert hat.
Fermentation liegt im Trend
Neben Qoa entwickeln mehrere deutsche Unternehmen Lebensmittel auf Basis von Fermentation. Mithilfe von Mikroorganismen entstehen etwa im Labor des Berliner Start-ups „Formo“ Käsesorten, die sich in Geschmack und Aussehen von den Originalen aus Kuhmilch kaum mehr unterscheiden lassen. 42 Mio. € sammelte Formo zuletzt bei Investoren ein.