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Kommentar

Sündenbock Ukraine?

Der Ärger über den Preisverfall beim Getreide ist groß. Sind die Lieferungen aus der Ukraine dafür verantwortlich? top agrar-Redakteur Andreas Beckhove warnt vor falschen Schlüssen.

Lesezeit: 3 Minuten

Hinterher ist man immer schlauer! Viele Landwirte hätten ihr Getreide lieber Mitte 2023 verkauft. Beim Weizen wären so rund 60 €/t mehr drin gewesen. Das ist ärgerlich! Nun zeigen einige auf die ukrainischen Getreidelieferungen, die die Märkte überschwemmen. Die EU-Landwirte zahlten für die Solidarität mit der Ukraine die Zeche, heißt es.

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Doch so einfach ist es nicht! Nach Kriegsbeginn hob die EU die Importzölle auf und verschaffte den Ukrainern so Luft zum Atmen bzw. Zugang zum ­Weltmarkt, denn Putin blockierte den Seeweg. Deutlich mehr Weizen, Mais und Raps kam in die EU und verhinderte so globale Engpässe. Mittlerweile laufen die Schwarzmeerhäfen der Ukraine ­wieder. Zusammen mit den russischen Rekordexporten waren auch die Rekordpreise schnell verflogen. Das trifft den deutschen Bauern allerdings genauso wie den US-Farmer, wie die Börsen in Paris und Chicago zeigen.

Die Überhänge an Weizensind teils fremdverschuldet, teils hausgemacht.

Suchen die protestierenden Bauern ­an den EU-Ostgrenzen aus Frust über ­versäumte Marktchancen einen Sündenbock? Den Eindruck könnte man gewinnen, auch angesichts der zahlreichen ­Gerüchte, die sich um die ukrainischen Lieferungen drehen: „Ukrainische Ware ist gesundheitsgefährdend“, „Brüssel ­bezuschusst den Import“, „Deutschland füllt Interventionslager mit ukrainischem Getreide“. In allen Fällen konnten wir trotz intensiver Recherche keine echten Belege für diese Behauptungen finden.

Volle Getreidelager

Ist der Frust der Protestler also maßlos übertrieben? Nein, auch dieses Urteil wäre unfair. Fakt ist, dass mehr ukrainisches Getreide auf dem Landweg in bzw. durch die EU fließt und die begrenzten Lager- und Verladekapazitäten im Osten überfordert. Das verschlechtert die ­Verhandlungsposition der Bauern und drückt auf die Preise. Zur Wahrheit ­gehört allerdings auch, dass Landwirte hier und in Polen im fallenden Markt zu wenig verkauft haben. Nun sind die ­Lager voller als sie hätten sein müssen.

Das Problem ist somit teils fremdverschuldet, teils hausgemacht. Die einfachste Lösung wäre, wenn die Getreidepreise schnell wieder anziehen. Doch ­danach sieht es leider nicht aus. Für grenznahe ukrainische Betriebe wird der Landweg in die EU trotz offener ­Seerouten weiterhin erste Wahl bleiben. Brüssel braucht also einen Plan, wie es mit den regionalen Marktverwerfungen umgehen will. Auf keinen Fall dürfen die EU-Lenker die Sache einfach laufen ­lassen. Das spielt nur Putin in die ­Karten.

Ihre Meinung ist gefragt!

Was denken Sie über die Situation am Getreidemarkt und den Einfluss der Ukraine-Ware? Was hören Sie in den Gesprächen mit dem Landhandel & Co.? Gibt es weitere Gerüchte, denen top agrar auf den Grund gehen sollen?

Schicken Sie uns gerne Ihre Meinung per Mail an: andreas.beckhove@topagrar.com

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