Noch einen Tag und dann steht fest, ob der Agrardiesel in Deutschland Geschichte ist oder ob es in der einen oder anderen Form weitergeht. Hinter den Kulissen laufen seit vielen Wochen Gespräche und Verhandlungen. Wenig davon ist an die Oberfläche gedrungen, außer dass der Bauernverband als Mindestangebot von der Bundesregierung die Tarifglättung und die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage erwartet.
„Einkommenssteuerliche Erleichterungen“ angeboten
Nun, kurz vor Toresschluss, bemühen sich die Ampel und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, die Wogen zu glätten und versprechen nach einen Spitzengespräch zwischen DBV-Präsident Joachim Rukwied und anderen Verbandsvertretern sowie Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Lindner am Montag substanzielle Erleichterungen für die Landwirtschaft.
Neben den bereits getroffenen Zusagen stehen laut Özdemir etwa einkommenssteuerliche Erleichterungen und die Stärkung der Landwirtinnen und Landwirte in der Wertschöpfungskette zur Debatte. Das Agrar-Organisationen- und Lieferkettengesetz soll dazu im Sinne der Evaluierung überarbeitet werden.
Özdemir: Konstruktive Gespräche
Der Bundesagrarminister zählt aber auch die Aussetzung der obligatorischen Flächenstilllegung für das Jahr 2024 hinzu, genauso wie die Vorschläge der EU-Kommission zur weiteren Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die er „bis zum Ende der Förderperiode konstruktiv begleiten“ will. Und auch der Abbau von unnötiger Bürokratie steht zur Disposition. Dafür sollen beispielsweise Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten schlanker gestaltet und Doppelungen aufgelöst werden.
„Wir sind als Bundesregierung im engen Kontakt mit dem Berufsstand. Uns eint das Ziel, dass die Landwirtschaft jetzt entlastet wird und sich gleichzeitig für die Zukunft mit all ihren Herausforderungen gut aufstellt. Dazu haben bereits sehr gute, konstruktive und vertrauliche Gespräche stattgefunden“, stellte Özdemir dazu fest.
Rukwied: Erheblicher Nachbesserungsbedarf
Bauernpräsident Rukwied nimmt die Offerten der Ampel wohlwollend auf, weist aber auf die Notwendigkeit konkreter Entlastungen der landwirtschaftlichen Betriebe hin: „Der Einstieg in die Gespräche mit der Bundesregierung über Entlastungsmaßnahmen für die Landwirtschaft ist positiv zu bewerten. Allerdings besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf bei den einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen, um zu substanziellen und effektiven Entlastungen zu kommen, mit denen die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe sichergestellt werden kann.“
Rukwied denkt dabei insbesondere an die steuerlichen Entlastungen, Entbürokratisierung und den Abbau von Wettbewerbsnachteilen. „Wir dürfen das Thema Agrardiesel nicht aus den Augen verlieren. Vor allem ist es wichtig, dass Ankündigungen und Prüfaufträge umgesetzt und ernsthaft angegangen werden“, betonte der DBV-Präsident.
Felßner sieht Bundesrat gefordert
Noch deutlicher wird der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Günther Felßner. Er pocht weiterhin auf eine Lösung beim Agrardiesel und etliche weiteren Entlastungen: „Nachdem zahlreiche Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten erklärt haben, dass die von der Bundesregierung vorgesehene Abschaffung des Agrardiesels und die damit verbundenen Belastungen für die Bauernfamilien nicht akzeptabel sind, muss jetzt eine Lösung her!“, fordert Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Der Erhalt der Befreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer reiche nicht: „Der Bundesrat muss neben der Lösung beim Agrardiesel den Weg ebnen für weitere Vereinfachungen und Entlastungen!“
Holzenkamp: Es bleibt bei Absichtserklärungen
Auch der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, klingt skeptisch, was die Offerte der Ampel angeht: „Die Agrar- und Ernährungswirtschaft wartet händeringend auf einen konkreten Maßnahmenplan wie, wann und in welchem Umfang sie entlastet wird. Doch unverändert bleibt es bei pauschalen Absichtserklärungen. Dabei liegen griffbereit so viele Lösungen vor. Die selbst ernannte Zukunftskoalition darf sich nicht in vagen Zukunftsversprechen verlieren. Bürokratieabbau, einkommenssteuerliche Entlastung der Landwirte und Fairness innerhalb der Lebensmittellieferkette könnten sofort angegangen werden – man muss nur wollen.“
Auernhammer: Nebulöse Aussagen Özdemirs
Wenig zufrieden zeigt sich auch der agrarpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Artur Auernhammer: „Während die Bundesregierung bei den Sparplänen zu Lasten der Landwirtschaft außerordentlich schnell war, ist sie bei den angeblich geplanten Entlastungen für unsere Bäuerinnen und Bauern umso langsamer. Mit den heutigen nebulösen Aussagen von Minister Özdemir zu einkommensteuerlichen Erleichterungen und einer wie auch immer gearteten Stärkung der Landwirte in der Wertschöpfungskette kann niemand etwas anfangen.“
Auernhammer weist darauf hin, dass eine Kompensation für die 450 Mio. €, die den Bauern beim Agrardiesel genommen werden, nach wie vor nicht in Sicht ist. Er vermutet, dass es so etwas auch nicht gibt. Ein grundsätzliches Einlenken der Bundesregierung sei ebenfalls nicht in Sicht. „Aber immerhin ist es beruhigend zu hören, dass bereits sehr gute, konstruktive und vertrauliche Gespräche innerhalb der Bundesregierung zur Entlastung unserer Landwirte stattgefunden haben. Mehr können unsere Betriebe von dieser Regierung wohl nicht erwarten“, so der CSU-Politiker sarkastisch.
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Was erwarten Sie, wie wird der Streit um den Agrardiesel ausgehen? Hat die Steuerrückerstattung noch eine Chance? Und was ist dann mit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft?
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