Länger produktiv - Einflussfaktoren auf die Nutzungsdauer
Das Leben der Milchkuh beginnt mit einer „unproduktiven Zeit“. Einige Tiere verlassen den Betrieb, bevor sie die Aufzuchtkosten zurück leisten können. Anna Bieber erklärt, worauf es ankommt.
Das Leben der Milchkuh beginnt mit einer für den Landwirt „unproduktiven Zeit“. Ab der ersten Kalbung fängt das Tier an, wirtschaftlich interessant zu werden. "Dennoch erreicht die Kuh erst ab der dritten bis fünften Laktation ihr volles Leistungspotenzial", erläutert Anna Bieber, Wissenschaftlerin des Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz.
Auf zu vielen Betrieben gehen die Kühe ab, bevor sie das zurück erwirtschaften, was der Landwirt während der Aufzucht in sie investiert hat, sagte Anna Bieber. Viele der Tiere hätten es dabei nicht mal bis zur dritten Laktation geschafft.
Fruchtbarkeitsprobleme, Eutergesundheit und Klauenprobleme seien die häufigsten Abgangsursachen in dem beobachteten Zeitraum 2008 – 2019 gewesen. Diese betreffen allerdings nicht ausschließlich die Schweiz sondern auch internationale Milchviehbetriebe. "Das ist nicht nur ethisch und nachhaltig fraglich, sondern auch wirtschaftlich ineffizient für die Landwirte", erläuterte die Forscherin.
Die Leistung der Milchkühe ist bei der ersten Laktation nicht so hoch, wie sie bei der dritten bis fünften Laktation werden kann. Deshalb ist es verschenktes Potenzial der Tiere, wenn die Nutzungsdauer so gering ist. Je länger die Nutzung, desto mehr „verdünnen“ sich die Kosten der Aufzucht.
Früher Abgang – wirtschaftliche Ineffizienz
Auch in der Schweiz ist die Milchproduktion gestiegen. Entgegen der Erwartungen, stellte sich heraus, dass die Nutzungsdauer der Kühe nicht gesunken ist. Die durchschnittliche Nutzungsdauer des benachbarten Landes liegt zwischen 3 bis 3,8 Jahren, berichtet die Forscherin. Dabei halten Holsteins am kürzesten durch, Swiss Fleckvieh und Braunvieh kratzen an der Grenze zu vier Jahren.
Gehen Kühe vor der fünften Laktation ab, haben sie das Potenzial der Höchstleistung nie voll ausgenutzt. Gerade bei einer Kuh, die die biologische Möglichkeiten dazu hat, länger zu produzieren, ist es schade, dass sie so früh abgeht und damit wirtschaftliche Einbußen zurück lässt, verdeutlichte Bieber.
Die Wissenschaftlerin stellte klar: "Es geht nicht darum, Kühe in die achte oder neunte Laktation zu bringen, sondern die zweite oder dritte zu erreichen."
Mehr Tierwohl bringt mehr Laktationen?
Am Ende des Vortags, teilte Anna Bieber mögliche Lösungen für Milchviehbetriebe, die sie während ihres Projektes beobachten konnte: Teilnehmende Betriebe mit einer hohen Nutzungsdauer, hatten zuvor deutlich mehr in Tierwohl investiert. Zum Beispiel durch Laufställe und komfortableren Liegeboxen. "Das zahlt sich aus." zeigte Bieber überzeugt. Außerdem appellierte sie an die Geduld, wenn es um erstlaktierende Tiere geht. Sollten diese anfangs eine niedrige Leistung haben, könnte es trotzdem sein, dass sie sich später zu langlebigen und leistungsstärkeren Tieren entwickeln. Die Forscherin rät auch zu weniger Druck, bei der Remontierung. "Wir konnten beobachten, dass einige Kühe Betriebe frühzeitig verlassen, damit neue Färsen nachrücken können.", schilderte Bieber. Das lässt sich mit verlängerten Zwischenkalbezeiten vermeiden. So gäbe es weniger Kälber und die kritischen Tage der Energieunterversorgung würden sinken. Die Milchviehbetriebe, die eine höhere Nutzungsdauer erzielten, belegten ihre Färsen außerdem häufig nicht mit einer Milchrasse sondern setzten auf Mastrassengenetik. Laut Anna Bieber legten die Landwirte dabei weniger Fokus auf die Milchleistung, sondern mehr auf hohe Fruchtbarkeit, gute Eutergesundheit und wenig Klauenprobleme.
Das Projekt
Für das Forschungsprojekt des FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) zum Thema längere Nutzungsdauer der Milchkühe, wertete Anna Bieber Herdenbücher 142 Schweizer Betriebe der letzten zwanzig Jahre aus. Dabei betrachtete sie 2,6 Millionen Kühe sechs verschiedener Rassen. (Holstein HOS, Holstein SHB, Swiss Fleckvieh, Brown Swiss, Original Braunvieh und Simmental )
Die teilnehmenden Betriebe wurden repräsentativ ausgewählt, sind aber in Hinblick auf ihrer Nutzungsdauer sehr unterschiedlich. Mittels Fragebögen, Herdenbuchdaten und Besuchen versuchten die Forschenden des FiBL zu ermitteln, was die Nutzungsdauer der Milchkühe auf diesen Betrieben beeinflusst.
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Das Leben der Milchkuh beginnt mit einer für den Landwirt „unproduktiven Zeit“. Ab der ersten Kalbung fängt das Tier an, wirtschaftlich interessant zu werden. "Dennoch erreicht die Kuh erst ab der dritten bis fünften Laktation ihr volles Leistungspotenzial", erläutert Anna Bieber, Wissenschaftlerin des Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in der Schweiz.
Auf zu vielen Betrieben gehen die Kühe ab, bevor sie das zurück erwirtschaften, was der Landwirt während der Aufzucht in sie investiert hat, sagte Anna Bieber. Viele der Tiere hätten es dabei nicht mal bis zur dritten Laktation geschafft.
Fruchtbarkeitsprobleme, Eutergesundheit und Klauenprobleme seien die häufigsten Abgangsursachen in dem beobachteten Zeitraum 2008 – 2019 gewesen. Diese betreffen allerdings nicht ausschließlich die Schweiz sondern auch internationale Milchviehbetriebe. "Das ist nicht nur ethisch und nachhaltig fraglich, sondern auch wirtschaftlich ineffizient für die Landwirte", erläuterte die Forscherin.
Die Leistung der Milchkühe ist bei der ersten Laktation nicht so hoch, wie sie bei der dritten bis fünften Laktation werden kann. Deshalb ist es verschenktes Potenzial der Tiere, wenn die Nutzungsdauer so gering ist. Je länger die Nutzung, desto mehr „verdünnen“ sich die Kosten der Aufzucht.
Früher Abgang – wirtschaftliche Ineffizienz
Auch in der Schweiz ist die Milchproduktion gestiegen. Entgegen der Erwartungen, stellte sich heraus, dass die Nutzungsdauer der Kühe nicht gesunken ist. Die durchschnittliche Nutzungsdauer des benachbarten Landes liegt zwischen 3 bis 3,8 Jahren, berichtet die Forscherin. Dabei halten Holsteins am kürzesten durch, Swiss Fleckvieh und Braunvieh kratzen an der Grenze zu vier Jahren.
Gehen Kühe vor der fünften Laktation ab, haben sie das Potenzial der Höchstleistung nie voll ausgenutzt. Gerade bei einer Kuh, die die biologische Möglichkeiten dazu hat, länger zu produzieren, ist es schade, dass sie so früh abgeht und damit wirtschaftliche Einbußen zurück lässt, verdeutlichte Bieber.
Die Wissenschaftlerin stellte klar: "Es geht nicht darum, Kühe in die achte oder neunte Laktation zu bringen, sondern die zweite oder dritte zu erreichen."
Mehr Tierwohl bringt mehr Laktationen?
Am Ende des Vortags, teilte Anna Bieber mögliche Lösungen für Milchviehbetriebe, die sie während ihres Projektes beobachten konnte: Teilnehmende Betriebe mit einer hohen Nutzungsdauer, hatten zuvor deutlich mehr in Tierwohl investiert. Zum Beispiel durch Laufställe und komfortableren Liegeboxen. "Das zahlt sich aus." zeigte Bieber überzeugt. Außerdem appellierte sie an die Geduld, wenn es um erstlaktierende Tiere geht. Sollten diese anfangs eine niedrige Leistung haben, könnte es trotzdem sein, dass sie sich später zu langlebigen und leistungsstärkeren Tieren entwickeln. Die Forscherin rät auch zu weniger Druck, bei der Remontierung. "Wir konnten beobachten, dass einige Kühe Betriebe frühzeitig verlassen, damit neue Färsen nachrücken können.", schilderte Bieber. Das lässt sich mit verlängerten Zwischenkalbezeiten vermeiden. So gäbe es weniger Kälber und die kritischen Tage der Energieunterversorgung würden sinken. Die Milchviehbetriebe, die eine höhere Nutzungsdauer erzielten, belegten ihre Färsen außerdem häufig nicht mit einer Milchrasse sondern setzten auf Mastrassengenetik. Laut Anna Bieber legten die Landwirte dabei weniger Fokus auf die Milchleistung, sondern mehr auf hohe Fruchtbarkeit, gute Eutergesundheit und wenig Klauenprobleme.
Das Projekt
Für das Forschungsprojekt des FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) zum Thema längere Nutzungsdauer der Milchkühe, wertete Anna Bieber Herdenbücher 142 Schweizer Betriebe der letzten zwanzig Jahre aus. Dabei betrachtete sie 2,6 Millionen Kühe sechs verschiedener Rassen. (Holstein HOS, Holstein SHB, Swiss Fleckvieh, Brown Swiss, Original Braunvieh und Simmental )
Die teilnehmenden Betriebe wurden repräsentativ ausgewählt, sind aber in Hinblick auf ihrer Nutzungsdauer sehr unterschiedlich. Mittels Fragebögen, Herdenbuchdaten und Besuchen versuchten die Forschenden des FiBL zu ermitteln, was die Nutzungsdauer der Milchkühe auf diesen Betrieben beeinflusst.