Kurz nach dem Bauerntag treffen sich am 2. Juli die Landfrauen zu ihrem großen Verbandstag in Kiel, wo sie ihr 75-jähriges Jubiläum feiern. Landfrauen Präsidentin Petra Bentkämper warnt davor, nach den Bauernprotesten "den Bogen zu überspannen".
Frau Präsidentin Bentkämper, LandFrauen sind von jeher Brückenbauerinnen in mehrfacher Hinsicht, zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, zwischen Land und Stadt. Wie wichtig ist Ihnen diese Aufgabe angesichts der enormen Veränderungen, vor denen Gesellschaft und Wirtschaft stehen?
Bentkämper: Wichtiger denn je. Die Ergebnisse der Europawahl zeigen uns deutlich, dass die Menschen mehr mitgenommen werden müssen. Kommunikation im Verband ist auch für uns wichtig. Aber, auch die Politik muss verständlicher und verlässlicher kommunizieren.
Was raten Sie?
Bentkämper: Mehr Umgang, mehr Gespräche, mehr Argumentation, um die Menschen wieder zurückzuholen.
Was tun die LandFrauen?
Bentkämper: Wir haben dieses Thema seit Jahren auf der Agenda. Erfreulicherweise hat die nicht nur die Bundesebene, sondern auch ein Großteil unserer Landesverbände zum Schwerpunktthema gemacht, etwa in Niedersachsen mit dem Projekt „Demokratie meint Dich“. Auch bei den Brandenburgischen LandFrauen werden Demokratieberaterinnen ausgebildet. Der Westfälisch-Lippische LandFrauenverband ist mit dem Demokratiepreis des Landes ausgezeichnet worden. Wir sind überzeugt, für Demokratie demonstrieren allein reicht nicht. Es reicht auch nicht, als Verband zu sagen, man sei gegen jede Art von Extremismus. Wir wollen das Thema weiterhin aktiv angehen und unsere Mitglieder mitnehmen. Mit Argumentationstrainings haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.
Wir haben keinen Unvereinbarkeitsbeschluss, meiden aber auf Bundesebene jeglichen Austausch mit der AfD.
Wie gehen Sie mit der AfD um?
Bentkämper: Wir haben keinen Unvereinbarkeitsbeschluss, meiden aber auf Bundesebene jeglichen Austausch mit der AfD. Vielleicht brauchen wir noch weitergehende Beschlüsse - wir haben das auf der Agenda und werden es auch im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Leitbilds diskutieren, dem wir uns in den nächsten ein bis zwei Jahren weiter widmen werden. Für LandFrauen kann die AfD kein Gesprächspartner sein. Wer sich deren Parteiprogramm anschaut, kommt zum Ergebnis, ein Frauenverband wie der dlv hat in dem Weltbild keinen Platz.
Wie halten es die Ortsvereine?
Bentkämper: Unsere Orts-, Kreis- und Landesverbände sind eigenständig. Als Bundesverband geben wir aber sicherlich in dieser Frage Orientierung. Ein Patentrezept gibt es nicht. Es hilft nur klare Kante.
Sie sind in Ihrer Funktion als oberste Brückenbauerin Mitglied in der Zukunftskommission Landwirtschaft. Hat es die Kommission geschafft, Gräben zwischen Landwirtschaft und Umwelt zu überwinden?
Bentkämper: Das gilt ohne Zweifel für die ursprüngliche Zukunftskommission, die noch von der damaligen Bundeskanzlerin berufen worden war. Die neue ZKL tut sich schwerer.
Warum?
Bentkämper: Die Zusammensetzung hat sich geändert. Dass man sich erst finden muss, ist ganz normal. Schwierig wird es, wenn in Arbeitsgruppen Grundsätzliches in Frage gestellt wird, was im Abschlussbericht von allen mitgetragen wurde.
War es ein Fehler, der Bitte der Koalitionsfraktionen zu folgen und sich auf die Auseinandersetzung um konkrete Politikempfehlungen einzulassen?
Bentkämper: Ich halte das nicht für einen Fehler. Nicht hilfreich ist aber der zeitliche Druck, den die Fraktionen ausgeübt haben, nach dem Motto „sieben Punkte, sieben Fragen, und dann liefert mal schön“. Zweieinhalb Jahre ruhte der politische See, und dann sollen wir innerhalb kürzester Zeit etwas aus dem Boden stampfen. Das läuft nun mal nicht.
Sind die Brücken schon eingestürzt, bevor sie richtig genutzt wurden?
Bentkämper: Nein, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen tragen die Bindungen, die zwischen vielen Mitgliedern in der ZKL entstanden sind. Zum anderen ist an der Basis ein gutes Miteinander zwischen Landwirtschafts- und Umweltseite entstanden, das stabil ist und längst nicht mehr von Befindlichkeiten und Meinungsunterschieden auf der oberen Ebene abhängt.
Die Bauernproteste des vergangenen Winters waren auch Bäuerinnenproteste. Sehen Sie das hinreichend wahrgenommen und anerkannt?
Bentkämper: Frauen waren fest eingebunden, seien es die großen Demonstrationen oder vielfältige Protestaktionen vor Ort. Viele haben deutlich gemacht, dass ihre Aufgabe nicht darin besteht, Brötchen zu schmieren. Ich denke, das ist angekommen.
Die Sparbeschlüsse sind durchweg als unfair und ungerecht empfunden worden, und zwar von Frauen und Männern.
Haben Sie eigene Akzente gesetzt?
Bentkämper: Es gab keine frauenspezifischen Themen. Aber auf dem Betrieb hängen die Dinge nun mal eng miteinander zusammen. Wenn beispielsweise ein Betrieb in Schwierigkeiten gerät und die Lebensversicherung gekündigt werden muss, sind davon in erster Linie Frauen und deren Altersvorsorge betroffen. Die Sparbeschlüsse sind durchweg als unfair und ungerecht empfunden worden, und zwar von Frauen und Männern.
Was haben die Proteste gebracht?
Bentkämper: Die Menschen haben verstanden, dass heimische Landwirtschaft nicht nur für uns wichtig ist, sondern auch für sie. Das konnten wir vermitteln, und das ist ein Erfolg. Gelungen ist das vor allem durch viele kleine Aktionen vor Ort, wie beispielsweise Mahnfeuer, bei denen Landwirte und Landwirtinnen mit den Menschen intensiv ins Gespräch gekommen sind. Da haben wir großes Verständnis erfahren.
Trägt das?
Bentkämper: Das ist die große Frage. Diese Verbindungen zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern, zu den Nachbarn im Dorf, den Mitbewohnern wollen gepflegt sein. An der Ladenkasse entscheidet sich, ob jemand wirklich bereit ist, regionale Landwirtschaft zu unterstützen. Da sind wir nach meinem Eindruck ein gutes Stück vorangekommen. Ob das allerdings den Betrieben wirtschaftlich weiterhilft, bleibt abzuwarten. Das eigentliche Problem ist die Unsicherheit, wie es angesichts des grundlegenden Wandels, in dem wir uns befinden, weitergehen kann.
Bei den Protesten ging es lange um den Agrardiesel. Zu lange?
Bentkämper: In meinen Augen ja. Die Bundesregierung war ja umgehend zurückgerudert, zumindest ein stückweit. Ich warne auch davor, beim zweifellos notwendigen Abbau von Bürokratie zu große Erwartungen an schnelle Erfolge zu wecken. Bürokratie wird und muss es auch weiterhin geben. Umgekehrt frage ich mich, warum wir nicht die Umsetzung von kooperativen Ansätzen im Naturschutz forcieren, wie sie in den Niederlanden längst gang und gäbe sind. Landwirtschaft und Naturschutz funktioniert bei konkreten Vorhaben vor Ort und dadurch, dass Synergien vor Ort genutzt werden.
Es ist schwieriger geworden.
Die Landwirtschaft hat im Ergebnis der Proteste ihre Position gegenüber der Politik gestärkt. Was bedeutet dies für das Verhältnis zwischen Agrar- und Umweltverbänden, so wie Sie es auch in der ZKL erleben?
Bentkämper: Es ist schwieriger geworden.
Sind politische Ziele für die Landwirtschaft durch Protest einfacher zu erreichen als durch Runden mit Umweltverbänden, die viel Zeit kosten und Arbeit machen, und deren Ergebnisse am Ende doch nicht umgesetzt werden?
Bentkämper: Das Proteste waren wichtig, um sich Luft zu verschaffen und eigene Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber dann muss man wieder runterkommen von den Bäumen und an die Tische. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Deswegen sollten wir, die wir auf der landwirtschaftlichen Seite stehen, den Bogen auch nicht überspannen. Ich kann den Frust nachvollziehen, der sich in den Umweltverbänden nach den politischen Entscheidungen in Brüssel breitgemacht hat. Daher sollten wir respektvoll miteinander umgehen.
Wir haben ein Positionspapier zum Ehegattensplitting erarbeitet und fordern Verbesserungen für Frauen und eine Reform ein.
Die Bäuerinnenstudie ist fast zwei Jahre alt. Was hat sich getan?
Bentkämper: Wir sind an vielen Stellen weitergekommen. Die SVLFG hat sehr schnell reagiert und ihre Informationen im Hinblick auf frauenspezifische Themen und Angebote klarer kommuniziert. Wir werden im Herbst eine Kampagne Altersvorsorge starten, um die Bedeutung des Themas für Frauen insgesamt - nicht nur auf den Höfen - noch stärker zu betonen. Wir haben ein Positionspapier zum Ehegattensplitting erarbeitet und fordern Verbesserungen für Frauen und eine Reform ein.
Was erwarten Sie an konkreten und kurzfristigen Maßnahmen von der Politik?
Bentkämper: Beispielsweise sollte die Junglandwirtinnen- und Junglandwirteförderung auf über 40 Jahre angehoben werden. Das ist sachgerecht, um nach der Familiengründung ohne Druck Investitionen planen und tätigen zu können.
Es gibt in einigen Regionen nach wie vor erheblichen Defizite in der Daseinsvorsorge.
Die Ampel hat an Ansehen verloren, besonders in den ländlichen Räumen. Welche Gründe sehen Sie dafür?
Bentkämper: Es gibt in einigen Regionen nach wie vor erheblichen Defizite in der Daseinsvorsorge. Ich kann kein Konzept erkennen, dem zu begegnen. Das gilt für die Gesundheitsversorgung, den Pflegebereich oder auch die Erreichbarkeit von Hebammen, um nur einige Beispiele zu nennen. Insgesamt scheint mir, es ist noch nicht überall angekommen, dass wir es in den ländlichen Räumen mit speziellen Herausforderungen zu tun haben, die einen gesonderten Blick erfordern.
Was hat die Ampel vorangebracht?
Bentkämper: Die Energiewende bietet große Chancen für ländliche Räume. Die Aufgabe besteht darin, die dort lebenden Menschen einzubeziehen und ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, von der Energieerzeugung zu profitieren. Dann steigt auch die Akzeptanz. Frauenpolitisch warten wir leider noch immer auf die Umsetzung der Koalitionsversprechen wie das Demokratiefördergesetz, die Familienstartzeit oder die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen.
Die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Verbandsjubiläum laufen das ganze Jahr. Lohnt sich der Aufwand?
Bentkämper: Ja. Es tut gut zu spüren, wie sich Menschen mit dem LandFrauenverband identifizieren. Wir erfahren nicht nur von Frauen, die seit Verbandsgründung Mitglied bei uns sind. Auch viele jüngere Frauen sagen uns, wie wichtig ihnen dieser Verband ist. Das macht ein bisschen stolz und vor allem, es motiviert.
Was bringt speziell der Landfrauentag in Kiel als Abschluss des Jubiläumsjahres?
Bentkämper: Frauen nehmen sich einen Tag Urlaub, um zum Deutschen Landfrauentag zu fahren. Wer schon einmal auf einem LandFrauentag war, weiß warum. Es trifft sich eine besondere Gemeinschaft und man hat ein großartiges Erlebnis. Wir haben besonders junge Frauen animiert, nach Kiel zu kommen, weil wir wissen, einmal LandFrauentag, immer LandFrauentag. Selbstverständlich werden wir die große Bühne mit rund 5.000 Besucherinnen und Besuchern und hochrangigen Menschen aus der Politik auch nutzen, unsere politischen Botschaften zu setzen.
Sie haben in diesem Jahr mit dem Bundespräsidenten einen besonderen Gast. Was erwarten Sie von Ihrem ostwestfälischen Landsmann?
Bentkämper: Ich erlebe ihn gelegentlich und jedes Mal bin ich begeistert von dem, was er sagt. Er zeigt Kante, jedes Wort hat Gewicht. Ich bin sicher, er gibt uns Rückenstärkung und Motivation, uns für die Gemeinschaft einzusetzen, unser Bewusstsein zu schärfen, dass wir verändern und bewegen können. Ich bin überzeugt, er wird uns mit auf den Weg geben, vieles ist möglich, und jede und jeder Einzelne kann ihren oder seinen Beitrag leisten. Ich erhoffe mir schließlich Wertschätzung für das große ehrenamtliche Engagement, das von den Frauen überall geleistet wird.
Was verbinden Sie mit dem Motto „Auf Kurs in die Zukunft“?
Bentkämper: Wir wollen nicht im Hafen ankern und vor uns hin dümpeln, sondern uns immer wieder aufmachen, einen neuen Kurs aufnehmen und dabei schauen, ob die Richtung noch stimmt. Es gilt, auch in stürmischen Zeiten wie diesen auf Kurs zu bleiben.
Sie haben mal von Sternstunden des Landfrauenverbandes in den vergangenen Jahrzehnten gesprochen. Was macht Sie zuversichtlich, dass der Landfrauentag in Kiel auch eine Sternstunde wird?
Bentkämper: Wir haben ein buntes, gemischtes und reichhaltiges Programm, wir haben wichtige Politikerinnen und Politiker, die uns ihre Aufwartung machen, und wir haben nicht zuletzt 5.000 LandFrauen aus dem gesamten Bundesgebiet, die mit großer Vorfreude und in bester Stimmung nach Kiel kommen werden - eine weitere Sternstunde des Deutschen LandFrauenverbandes ist garantiert.