Ein Kommentar vom Chefredakteur des Wochenblatts für Landwirtschaft und Landleben, Patrick Liste.
Stirbt der Bauer, stirbt das Land: Deutschland muss mehr Lebensmittel importieren, ohne Einfluss auf die Produktionsstandards. Die Kulturlandschaft ändert sich, weil Flächen verbuschen. Firmen und Handwerkern brechen Kunden weg, Arbeitsplätze verschwinden. Genau das passiert bei einem „Weiter so“.
Die Mischung aus immer schärferen Auflagen und massivem Preisdruck wirkt toxisch. Noch mehr Landwirte hören auf – finanziell gebeutelt, mental erschöpft und ohne Perspektive. Doch gelingt 2022 die Wende? Bei den Treibern Lebensmitteleinzelhandel und Politik gibt es erste Anzeichen dazu. Damit es wirklich gelingt, müssen Landwirte weiter Druck machen.
Handel: zu Mengen und Aufpreis bekennen
Dass sich der Lebensmittelhandel mit „5 x D“ zu deutschem Schweinefleisch bekennt, ist positiv – und auch ein Verdienst des Agrardialogs, der aus den Bauernprotesten entstanden ist. Jetzt muss sich der Handel aber auch konsequent zu den Mengen und zum Aufpreis bekennen. Für höhere Standards und bei massiv steigenden Kosten müssen Landwirte mehr Geld bekommen.
Aktuell zeigt sich das noch nicht: So wirbt Lidl damit, dass ein identischer Warenkorb 2021 nahezu exakt so viel kostet wie 2019 – und auch 2022 günstig bleibt. Der Handel muss verinnerlichen, was seine Regeln bedeuten: Sie rollen sich auf die ganze Landwirtschaft aus – ganz egal, ob die Produkte im Regal, bei Großabnehmern oder im Export landen.
Politik: bei Prämien nachbessern
Was die Landwirte zuletzt durchstehen mussten, war furchtbar und kann so nicht weitergehen, sagte NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser kürzlich. Eine treffende Erkenntnis. Jetzt muss das richtige politische Vorgehen daraus folgen. Die Corona-Hilfen in NRW sind ein positives Beispiel, die Agrarprämien ab 2023 nicht: Landwirte sollen mit Umwelt- und Klimaleistungen Geld verdienen, am Ende könnte es aber weniger Einkommen und weniger Umweltschutz geben.
Damit Landwirte wieder Vertrauen in Politik gewinnen, müssen die Ampel-Regierung im Bund und die Landesregierung in NRW bei den Prämien nachbessern. Und endlich den Zielkonflikt zwischen Tierwohl und Umweltschutz sowie die Tierwohl-Finanzierung lösen.
Berufsstand: Geschlossen auftreten
Der nötige Druck auf Handel und Politik kann nur vom Berufsstand kommen. Dafür ist Geschlossenheit nötig. Diese bröckelt aber. Verschiedene landwirtschaftliche Gruppen sind gut und wichtig. Aber bei der generellen Ausrichtung braucht es Einigkeit. Interne Zersplitterung kostet Zeit, Kraft und stärkt andere.
Aktuelles Negativ-Beispiel ist die Aufspaltung des Agrardialogs bei der Zusammenarbeit mit der Koordinationszentrale Handel-Landwirtschaft. Die Entscheider aller landwirtschaftlichen Gruppen sollten sich zusammenraufen. Zumal die Basis viel weiter ist wie die eindrucksvollen Lichterfahrten zeigten: Hier spielte es keine Rolle, aus welchem „Lager“ der Landwirt kam.