Zukunftskongress: „Ein Juwel der bayerischen Landwirtschaft“
Der Zukunftskongress der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising gewährte einen Blick auf aktuelle Forschungsprojekte und benannte künftige Herausforderungen.
Die angewandte Agrarforschung in Bayern will weiter führend sein und muss es auch, um die strukturellen Nachteile der bayerischen Landwirtschaft auszugleichen. So formulierte der frühere bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner den Anspruch der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), die letzte Woche in Freising einen Zukunftskongress anlässlich ihres 20jährigen Bestehens veranstaltete. Der CSU-Politiker lobte die LfL als "ein Juwel der bayerischen Landwirtschaft".
Brunner, der zwischen 2008 und 2018 als Minister oberster Dienstherr der LfL war, forderte, dass die Forschungseinrichtung sehr frühzeitig neue Herausforderungen und gesellschaftliche Entwicklungen erkennen und annehmen müsse. Neben der Kontinuität erfordere Forschung auch Flexibilität, Unabhängigkeit und praktizierte Neugierde.
Auch Lösungen für Zielkonflikte erarbeiten
LfL-Präsident Stephan Sedlmayer ging zuvor auf die vielfältigen Herausforderungen der Landwirtschaft ein, z. B. mehr Biodiversität, Regionalität, Ökolandbau und Tierwohl und weniger Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz und weniger CO2-Emissionen. Dabei träten immer häufiger Zielkonflikte auf, für die man Lösungen erarbeiten müsse. So erfordere der Verzicht auf Glyphosat mehr mechanische Unkrautbekämpfung und mehr Schlepperüberfahrten. Mehr Platz pro Tier führten zu mehr Emissionen und zu schwierigeren Genehmigungen.
Die LfL mit insgesamt 15 Standorten und 1.000 Mitarbeitern betreibe zu diesen Themen praxisnahe Forschung. So testet sie z. B. an ihrem Forschungsstandort für Trockenlagen im unterfränkischen Schwarzenau trockenheitsresistente „Future Crops“ und wassersparende Anbausysteme. In Grub bei Poing entsteht ein innovativer Versuchsstall für Milchvieh. Und am neuen Standort Ruhstorf an der Rott forscht die LfL zu neuen Einkommensstandbeinen, zu Agrarökosystemen und zur Digitalisierung.
Wie Praktiker der Wissenschaft helfen und davon profitieren
Bei vielen Projekten arbeitet die Forschungseinrichtung mit Praktikern zusammen. So berichtete Ökosauenhalter Florian Doll aus Nittenau von seiner Beteiligung am Projekt „Funktionale Merkmale ferkelführender Sauen – ein Beitrag zur Züchtung und Eigenremontierung“. Er erfasst konsequent alle Daten zum Verhalten und der Gesundheit jeder Sau vor, während und nach der Geburt, und gibt diese an die LfL weiter. So lassen sich Merkmale des Sozialverhaltens von Mutterschweinen genetischen Linien zuordnen und die Selektion bei der Eigenremontierung verlässlicher machen.
Fleckviehzüchterin Verena Hußmann aus Feuchtwangen sammelt seit 2019 im Rahmen des Projektes „Gesundheit und Robustheit für mehr Tierwohl“ (FleQS) zusammen mit 1.000 weiteren Betrieben Gesundheitsdaten genomisch untersuchter Kühe. Als Gegenleistung erhält sie genomische Zuchtwerte für alle weiblichen Tiere und kann so die Auswahl der weiblichen Nachzucht und die Anpaarungsentscheidungen optimieren.
Milchviehhalter Peter Oberhofer aus Bruckberg beteiligt sich am Projekt „Demonet-KleeLuzPlus: Luzerne für Milchvieh – aus eigener Trocknung“. Der Biobetrieb baut Luzerne an, trocknet diese in der hofeigenen Biogasanlage und verfüttert sie als heimisches Eiweißfuttermittel an seine Kühe.
Können wir Zukunft?
Einen Blick in die Zukunft wagte DLG-Präsident Hubertus Paetow. Er sprach sich angesichts einer meist wenig faktenbasierten Darstellung der Landwirtschaft und ihrer Innovationen in den Medien für die Entwicklung eines objektiven Systems der Bewertung von Nachhaltigkeit aus. „Dafür müssen Indikatoren entwickelt werden“, so Paetow.
Paetow geht davon aus, dass die Industrialisierung der Landwirtschaft weiter voranschreitet: „Culture Meat, also künstliches Fleisch, und Indoor-Produktion werden sich mit einer Geschwindigkeit entwickeln, die wir bisher nicht für möglich gehalten hätten.“ Vor allem dann, wenn ausreichend grüne Energie zur Verfügung stehe.
Für Landwirte böten sich neue Chancen, indem sie z. B. Vorprodukte für synthetisches Fleisch erzeugen. Jedenfalls sei der Bedarf für Wissensgewinnung und -verbreitung weiterhin sehr hoch.
Weil der Agrarsektor schrumpft, sprach sich der DLG-Präsident auch für eine intensivere Zusammenarbeit der bestehenden Forschungseinrichtungen aus. „Wir müssen keine Angst vor der Zukunft haben, vor allem wenn wir selbst die Initiative ergreifen“, so Paetow abschließend.
Science Slam-Finale
Die Teilnehmer am Zukunftskongress hatten nach den Erfahrungsberichten die Möglichkeit, einen Science Slam zwischen vier Siegeranwärtern zu verfolgen, die sich bereits vorher qualifiziert hatten. Nicht trockene Wissensvermittlung zu Regenwurm & Co stand hier im Mittelpunkt, sondern Wissenschaft, humorvoll und überraschend verpackt. Gewinner war Norbert Schneider vom Institut für Agrarökonomie, der das Projekt kostendeckende Erzeugerpreise für bayerische Strohschweine sehr anschaulich präsentierte.
Workshops zu Klimawandel, Regionalität und Kreislaufwirtschaft
In Panels erhielten die Besucher abschließend die Möglichkeit, workshopartig zu drei unterschiedlichen Themen zusammenzuarbeiten: Es ging jeweils um Klimawandel, Regionalität und Kreislaufwirtschaft sowie Biodiversität und Pflanzenschutz.
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Die angewandte Agrarforschung in Bayern will weiter führend sein und muss es auch, um die strukturellen Nachteile der bayerischen Landwirtschaft auszugleichen. So formulierte der frühere bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner den Anspruch der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), die letzte Woche in Freising einen Zukunftskongress anlässlich ihres 20jährigen Bestehens veranstaltete. Der CSU-Politiker lobte die LfL als "ein Juwel der bayerischen Landwirtschaft".
Brunner, der zwischen 2008 und 2018 als Minister oberster Dienstherr der LfL war, forderte, dass die Forschungseinrichtung sehr frühzeitig neue Herausforderungen und gesellschaftliche Entwicklungen erkennen und annehmen müsse. Neben der Kontinuität erfordere Forschung auch Flexibilität, Unabhängigkeit und praktizierte Neugierde.
Auch Lösungen für Zielkonflikte erarbeiten
LfL-Präsident Stephan Sedlmayer ging zuvor auf die vielfältigen Herausforderungen der Landwirtschaft ein, z. B. mehr Biodiversität, Regionalität, Ökolandbau und Tierwohl und weniger Pflanzenschutz- und Düngemitteleinsatz und weniger CO2-Emissionen. Dabei träten immer häufiger Zielkonflikte auf, für die man Lösungen erarbeiten müsse. So erfordere der Verzicht auf Glyphosat mehr mechanische Unkrautbekämpfung und mehr Schlepperüberfahrten. Mehr Platz pro Tier führten zu mehr Emissionen und zu schwierigeren Genehmigungen.
Die LfL mit insgesamt 15 Standorten und 1.000 Mitarbeitern betreibe zu diesen Themen praxisnahe Forschung. So testet sie z. B. an ihrem Forschungsstandort für Trockenlagen im unterfränkischen Schwarzenau trockenheitsresistente „Future Crops“ und wassersparende Anbausysteme. In Grub bei Poing entsteht ein innovativer Versuchsstall für Milchvieh. Und am neuen Standort Ruhstorf an der Rott forscht die LfL zu neuen Einkommensstandbeinen, zu Agrarökosystemen und zur Digitalisierung.
Wie Praktiker der Wissenschaft helfen und davon profitieren
Bei vielen Projekten arbeitet die Forschungseinrichtung mit Praktikern zusammen. So berichtete Ökosauenhalter Florian Doll aus Nittenau von seiner Beteiligung am Projekt „Funktionale Merkmale ferkelführender Sauen – ein Beitrag zur Züchtung und Eigenremontierung“. Er erfasst konsequent alle Daten zum Verhalten und der Gesundheit jeder Sau vor, während und nach der Geburt, und gibt diese an die LfL weiter. So lassen sich Merkmale des Sozialverhaltens von Mutterschweinen genetischen Linien zuordnen und die Selektion bei der Eigenremontierung verlässlicher machen.
Fleckviehzüchterin Verena Hußmann aus Feuchtwangen sammelt seit 2019 im Rahmen des Projektes „Gesundheit und Robustheit für mehr Tierwohl“ (FleQS) zusammen mit 1.000 weiteren Betrieben Gesundheitsdaten genomisch untersuchter Kühe. Als Gegenleistung erhält sie genomische Zuchtwerte für alle weiblichen Tiere und kann so die Auswahl der weiblichen Nachzucht und die Anpaarungsentscheidungen optimieren.
Milchviehhalter Peter Oberhofer aus Bruckberg beteiligt sich am Projekt „Demonet-KleeLuzPlus: Luzerne für Milchvieh – aus eigener Trocknung“. Der Biobetrieb baut Luzerne an, trocknet diese in der hofeigenen Biogasanlage und verfüttert sie als heimisches Eiweißfuttermittel an seine Kühe.
Können wir Zukunft?
Einen Blick in die Zukunft wagte DLG-Präsident Hubertus Paetow. Er sprach sich angesichts einer meist wenig faktenbasierten Darstellung der Landwirtschaft und ihrer Innovationen in den Medien für die Entwicklung eines objektiven Systems der Bewertung von Nachhaltigkeit aus. „Dafür müssen Indikatoren entwickelt werden“, so Paetow.
Paetow geht davon aus, dass die Industrialisierung der Landwirtschaft weiter voranschreitet: „Culture Meat, also künstliches Fleisch, und Indoor-Produktion werden sich mit einer Geschwindigkeit entwickeln, die wir bisher nicht für möglich gehalten hätten.“ Vor allem dann, wenn ausreichend grüne Energie zur Verfügung stehe.
Für Landwirte böten sich neue Chancen, indem sie z. B. Vorprodukte für synthetisches Fleisch erzeugen. Jedenfalls sei der Bedarf für Wissensgewinnung und -verbreitung weiterhin sehr hoch.
Weil der Agrarsektor schrumpft, sprach sich der DLG-Präsident auch für eine intensivere Zusammenarbeit der bestehenden Forschungseinrichtungen aus. „Wir müssen keine Angst vor der Zukunft haben, vor allem wenn wir selbst die Initiative ergreifen“, so Paetow abschließend.
Science Slam-Finale
Die Teilnehmer am Zukunftskongress hatten nach den Erfahrungsberichten die Möglichkeit, einen Science Slam zwischen vier Siegeranwärtern zu verfolgen, die sich bereits vorher qualifiziert hatten. Nicht trockene Wissensvermittlung zu Regenwurm & Co stand hier im Mittelpunkt, sondern Wissenschaft, humorvoll und überraschend verpackt. Gewinner war Norbert Schneider vom Institut für Agrarökonomie, der das Projekt kostendeckende Erzeugerpreise für bayerische Strohschweine sehr anschaulich präsentierte.
Workshops zu Klimawandel, Regionalität und Kreislaufwirtschaft
In Panels erhielten die Besucher abschließend die Möglichkeit, workshopartig zu drei unterschiedlichen Themen zusammenzuarbeiten: Es ging jeweils um Klimawandel, Regionalität und Kreislaufwirtschaft sowie Biodiversität und Pflanzenschutz.