Diskussion um Lieferbeziehungen: Neue Macht für Milcherzeuger?
Das BMEL will Vorgaben für Milchlieferverträge machen. Diese Aussage auf einer Konferenz in Berlin sorgt für erneute Diskussionen um das bekannte Thema.
Das Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will Milcherzeuger in der Wertschöpfungskette stärken. Das erklärten die Staatssekretärinnen Dr. Ophelia Nick und Silvia Bender auf der Konferenz zur „Zukunft der Milchviehhaltung“ in Berlin.
So sagte Silvia Bender, dass die EU-rechtlichen Möglichkeiten von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) zu nutzen „ein Puzzleteil“ sein werden. Molkereigenossenschaften sollen davon aber auch künftig ausgeschlossen bleiben. Und Dr. Ophelia Nick, erklärte: „Die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werden ein Schwerpunkt sein. Entsprechende Maßnahmen, die uns das EU-Recht ermöglicht, werden wir mit den Koalitionspartnern erörtern.“ Diese Aussagen werden unterschiedlich bewertet.
IGM: Genossenschaften von Artikel 148 nicht betroffen
Peter Manderfeld, Sprecher der Interessengemeinschaft Genossenschaftliche Milchwirtschaft (IGM), bewertet die Aussagen des BMEL positiv. Der Schritt habe aufgrund der Ausnahmeregelung für Genossenschaften in der Gemeinsamen Marktordnung für diese Unternehmen keine Auswirkungen.
Die Vertreter der Genossenschaften und Mitglieder der IGM haben laut Manderfeld in der Konferenz deutlich gemacht, dass sie externe Eingriffe in die bäuerliche Selbstverwaltung in den Molkereigenossenschaften strikt ablehnen. In ihren Unternehmen bestimmten die Landwirte als Eigentümer in demokratischen Verfahren die Unternehmensstrategie mit und regeln die in Satzung und Anlieferungsordnung festgelegten Lieferbedingungen selbst.
Auch wenn die Genossenschaften nicht direkt betroffen sein werden, hilft die nationale Umsetzung des Artikel 148 weder den Milcherzeugern, noch werden dadurch die grundlegenden Verhältnisse der Erzeuger am Milchmarkt positiv und nachhaltig verändert. „Ein solcher Ansatz wird insbesondere in Krisenphasen keinen positiven Effekt auf den Gesamtmarkt haben“, ist Manderfeld überzeugt.
BDM sieht ersten Schritt in die richtige Richtung
Die Aussagen des BMEL begrüßte auch Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) Manfred Gilch: „Es ist ein erster Schritt dahin, dass das Marktrisiko nicht komplett bei den Milchviehhaltern bleibt, sondern wenigstens zu einem Teil auch auf die Verarbeitungsebene übertragen werden kann.“
Ein weiteres positives Signal sei, dass die Preisbeobachtung und Markttransparenz durch gezielte Bündelung von Preis-, Mengen- und Kosteninformationen und die Weiterentwicklung von Marktindikatoren und Indizes verbessert werden sollen. „Damit könnte im nächsten Schritt auch die Marktbeobachtungsstelle auf EU-Ebene, die wir Milchviehhalter uns erst mühsam erkämpfen mussten, weiterentwickelt werden“, so Manfred Gilch.
„Wichtig ist uns überdies, dass man nicht stehen bleibt, sondern den Art. 148 GMO auf EU-Ebene dahingehend novelliert, dass die Befreiung von der Vertragspflicht, die für genossenschaftlich organisierte Molkereien gilt, abgeschafft wird“, betont BDM-Vorsitzender Karsten Hansen. „Denn immerhin rund 70 % der deutschen Milch wird in Genossenschaften verarbeitet und vermarktet.“
Diskussionsrunde: Pro und Contra zu Artikel 148
Von den Konferenzteilnehmern in Berlin wurde der mögliche Eingriff in die Lieferbeziehungen unterschiedlich aufgenommen, berichtet unter anderem der Presse- und Informationsdienst Agra-Europe. Unterstützung signalisierten das Vorstandsmitglied vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Hubert Heigl, sowie die Landwirtin Kirsten Wosnitza vom Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Man müsse vorhandene Instrumente nutzen, die den Erzeugern „kostendeckende Preise“ ermöglichen.
Demgegenüber widersprach der Vorstandsvorsitzende der Molkerei Hochwald, Detlef Latka, der Auffassung, mit zusätzlichen staatlichen Regulierungen ließe sich der Milchmarkt verbessern. Die Wiederauflage einer solchen Diskussion sei nichts weiter als „neuer Wein alten Schläuchen“.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, warf der politischen Leitung des BMEL im Nachgang vor, mit ihrer Initiative „Schattenboxen“ zu betreiben: „Der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation wird die Situation der Milchviehhalter kein bisschen verbessern.“
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Das Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will Milcherzeuger in der Wertschöpfungskette stärken. Das erklärten die Staatssekretärinnen Dr. Ophelia Nick und Silvia Bender auf der Konferenz zur „Zukunft der Milchviehhaltung“ in Berlin.
So sagte Silvia Bender, dass die EU-rechtlichen Möglichkeiten von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) zu nutzen „ein Puzzleteil“ sein werden. Molkereigenossenschaften sollen davon aber auch künftig ausgeschlossen bleiben. Und Dr. Ophelia Nick, erklärte: „Die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werden ein Schwerpunkt sein. Entsprechende Maßnahmen, die uns das EU-Recht ermöglicht, werden wir mit den Koalitionspartnern erörtern.“ Diese Aussagen werden unterschiedlich bewertet.
IGM: Genossenschaften von Artikel 148 nicht betroffen
Peter Manderfeld, Sprecher der Interessengemeinschaft Genossenschaftliche Milchwirtschaft (IGM), bewertet die Aussagen des BMEL positiv. Der Schritt habe aufgrund der Ausnahmeregelung für Genossenschaften in der Gemeinsamen Marktordnung für diese Unternehmen keine Auswirkungen.
Die Vertreter der Genossenschaften und Mitglieder der IGM haben laut Manderfeld in der Konferenz deutlich gemacht, dass sie externe Eingriffe in die bäuerliche Selbstverwaltung in den Molkereigenossenschaften strikt ablehnen. In ihren Unternehmen bestimmten die Landwirte als Eigentümer in demokratischen Verfahren die Unternehmensstrategie mit und regeln die in Satzung und Anlieferungsordnung festgelegten Lieferbedingungen selbst.
Auch wenn die Genossenschaften nicht direkt betroffen sein werden, hilft die nationale Umsetzung des Artikel 148 weder den Milcherzeugern, noch werden dadurch die grundlegenden Verhältnisse der Erzeuger am Milchmarkt positiv und nachhaltig verändert. „Ein solcher Ansatz wird insbesondere in Krisenphasen keinen positiven Effekt auf den Gesamtmarkt haben“, ist Manderfeld überzeugt.
BDM sieht ersten Schritt in die richtige Richtung
Die Aussagen des BMEL begrüßte auch Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) Manfred Gilch: „Es ist ein erster Schritt dahin, dass das Marktrisiko nicht komplett bei den Milchviehhaltern bleibt, sondern wenigstens zu einem Teil auch auf die Verarbeitungsebene übertragen werden kann.“
Ein weiteres positives Signal sei, dass die Preisbeobachtung und Markttransparenz durch gezielte Bündelung von Preis-, Mengen- und Kosteninformationen und die Weiterentwicklung von Marktindikatoren und Indizes verbessert werden sollen. „Damit könnte im nächsten Schritt auch die Marktbeobachtungsstelle auf EU-Ebene, die wir Milchviehhalter uns erst mühsam erkämpfen mussten, weiterentwickelt werden“, so Manfred Gilch.
„Wichtig ist uns überdies, dass man nicht stehen bleibt, sondern den Art. 148 GMO auf EU-Ebene dahingehend novelliert, dass die Befreiung von der Vertragspflicht, die für genossenschaftlich organisierte Molkereien gilt, abgeschafft wird“, betont BDM-Vorsitzender Karsten Hansen. „Denn immerhin rund 70 % der deutschen Milch wird in Genossenschaften verarbeitet und vermarktet.“
Diskussionsrunde: Pro und Contra zu Artikel 148
Von den Konferenzteilnehmern in Berlin wurde der mögliche Eingriff in die Lieferbeziehungen unterschiedlich aufgenommen, berichtet unter anderem der Presse- und Informationsdienst Agra-Europe. Unterstützung signalisierten das Vorstandsmitglied vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Hubert Heigl, sowie die Landwirtin Kirsten Wosnitza vom Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Man müsse vorhandene Instrumente nutzen, die den Erzeugern „kostendeckende Preise“ ermöglichen.
Demgegenüber widersprach der Vorstandsvorsitzende der Molkerei Hochwald, Detlef Latka, der Auffassung, mit zusätzlichen staatlichen Regulierungen ließe sich der Milchmarkt verbessern. Die Wiederauflage einer solchen Diskussion sei nichts weiter als „neuer Wein alten Schläuchen“.
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, warf der politischen Leitung des BMEL im Nachgang vor, mit ihrer Initiative „Schattenboxen“ zu betreiben: „Der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation wird die Situation der Milchviehhalter kein bisschen verbessern.“