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topplus Interview zum Milchmarkt

Neuer BDM-Chef bevorzugt freiwilligen Lieferverzicht gegen Entschädigung

Der neue Vorstand des BDM, Karsten Hansen, zweifelt, dass es kostendeckende Milchpreise geben wird. Er will am freiwilligen Lieferverzicht gegen Entschädigung festhalten.

Lesezeit: 5 Minuten

Seit April hat der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hat einen neuen Vorsitzenden, Karsten Hansen. Welche Motivation er mitbringt und was er voranbringen will, erläutert er im Interview:

Herr Hansen, was reizt Sie an der ­Aufgabe des Vorstandsvorsitzenden beim BDM?

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Hansen: Ich schätze die Arbeit in einem jungen, dynamischen Team, in dem auch Frauen gut vertreten sind. Ich bin jetzt seit fast 20 Jahren im BDM und seit sieben Jahren im Vorstand aktiv und habe den Verband über die Jahre mit entwickelt. Deshalb sah ich mich auch in der Verantwortung „ja“ zu ­sagen auf die Frage, ob ich den Vorsitz übernehmen möchte.

Sie haben keinen eigenen Milchviehbetrieb. Wieso sind Sie trotzdem der Richtige, um die Interessen der Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter im BDM zu repräsentieren?

Hansen: Das stimmt. Bis 2018 habe ich zusammen mit meinem Vater und meinem Bruder einen gepachteten Milchviehbetrieb in Schleswig-­Holstein mit 220 Kühen geführt. In der Krise im Jahr 2016 haben wir uns entschieden, den Hof mit 160 ha Fläche, davon waren 120 ha gepachtet, aufzugeben. Anschließend bin ich nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen und habe dort verschiedene Milchviehbetriebe geleitet. Aktuell habe ich eine leitende Funktion auf einem Gutsbetrieb mit rund 220 Kühen und 440 ha Außenwirtschaft. Ich weiß, wie es sich anfühlt, die Milchviehhaltung auf­zugeben, weiß aber auch, wie herausfordernd es ist, einen Milchviehbetrieb zu führen. Deshalb möchte ich bessere Rahmenbedingungen für die Milch­erzeuger schaffen.

Wie viele Mitglieder hat der BDM aktuell und wie ist die regionale Verteilung? Wie entwickeln sich die Zahlen?

Hansen: Rund 15.000 Mitglieder ­zählen aktuell zum Verband. Das sind sowohl aktive Landwirte als auch ­Fördermitglieder. Der Verband ­repräsentiert die aktuelle Struktur der Milcherzeuger in Deutschland was Größe und Verteilung angeht.

Sie haben erklärt, eigene Schwerpunkte setzen und Veränderungen vornehmen zu wollen. Was meinen Sie konkret?

Hansen: Reaktionsmöglichkeiten auf Milchmarktkrisen zu schaffen, hat oberste Priorität. Deshalb haben wir im März bei der Agrarministerkonferenz in Büsum sehr deutlich unsere Forderung platziert: „Ohne wirksames Sicherheitsnetz gehen wir baden – ­freiwilliger Lieferverzicht gegen Entschädigung jetzt“. Dafür infrage käme der EU-Krisenfond, der jährlich ein Haushaltsvolumen von 0,5 Mrd. € umfasst. Dadurch ließe sich mehr Einkommen für die Betriebe generieren. Wir möchten uns außerdem weiter aktiv in die Tierwohldebatte einbringen.

Halten Sie es für realistisch, dass ein Lieferverzicht politisch durchgesetzt wird?

Hansen: Der freiwillige Lieferverzicht gegen Entschädigung ist ein einfaches Mittel, um die vierte Krise zu ent­kräften, die wir gerade innerhalb von 15 Jahren erleben. Aktuell haben wir wieder zu viel Menge am Markt. Das vergangene Jahr hat gezeigt, was 1 – 2 % weniger Milchmenge für einen Hebel haben: Die Preise sind um ein vielfaches gestiegen. Froh sind wir darüber, dass die Politik jetzt den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) angehen will. Dabei müssen auch die Genossenschaften einbezogen werden.

Das heißt konkret?

Hansen: Der Artikel 148 GMO sieht vor, dass Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger Lieferverträge mit ihren Abnehmern vereinbaren können. In den Verträgen enthalten sind Abstimmungen zur Milchmenge, -qualität und zum Preis. Die Verträge müssten die Landwirte in Abständen von ein bis zwei Jahren selbst mit den Ver­arbeitern aushandeln.

Wie realistisch ist das? Die Hälfte der Legislaturperiode ist schon rum.

Hansen: Es ist fraglich, ob die der­zeitige Regierung das noch durchsetzt. Wir halten an unserer Forderung zum freiwilligen Lieferverzicht aber fest. ­Jeder Hof der verschwindet ist ein Verlust und kann keine Biodiversitätsmaßnahmen umsetzen, die alle fordern.

An der Sektorstrategie 2030 hat der BDM intensiv mitgearbeitet, aber in letzter Minute doch nicht unterzeichnet. Die anderen Verbände haben ­Offenheit bekundet, den BDM auch nachträglich mit aufzunehmen. Kommt das für Sie infrage?

Hansen: Sie haben es uns zwar angeboten, wir sind aber nicht erwünscht, weil bei uns immer der Erzeugerpreis vorne steht. Die Verbände der Sektorstrategie sind uns ohnehin sowohl in Hochpreis- als auch in Niedrigpreisphasen zu leise. Wir halten deshalb an unserer Eigenständigkeit fest.

Wäre es nicht sinnvoll, dass die ­Branche mit einer Stimme spricht?

Hansen: Ja, aber es ist auch wichtig, unterschiedliche Meinungen zu haben. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir rein für die Interessen der Milchkuhbetriebe Betriebe stehen. Wir haben keine Doppelfunktionen, wie ein zweites Ehrenamt bei einer Molkerei, wie viele ­andere Verbandsfunktionäre.

Welchen Milchpreis erwartet der BDM für das zweite Halbjahr?

Hansen: Offenbar sind sich ja alle Marktexperten sicher, dass es im zweiten Halbjahr zu einer Entspannung am Milchmarkt kommt. Die Frage ist, was das heißt: 40 Cent, 45 Cent? Wir ­glauben nicht, dass das Niveau reichen wird, um die Kosten zu decken. Die Milchmenge geht momentan jedenfalls nicht zurück. Die Ausgeglichenheit von Angebot und Nachfrage sind ­entscheidend für einen Anstieg!

Der Milchmarkt bleibt also angespannt. Wieso sollten sich junge Leute trotzdem für die Milchviehhaltung ­entscheiden?

Hansen: Die Milchproduktion ist einer der spannendsten Jobs in der Landwirtschaft und genießt einen guten Ruf. Ich kann alle, die Lust auf Kühe haben, ermutigen, in die Fußstapfen der Vorgeneration zu treten und ein Ehrenamt zu übernehmen, um sich für die Interessen der Milch­erzeuger einzusetzen.

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