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Wem hilft die Ökobilanz eigentlich? Wir fragten bei einem Berater nach

Die Ökobilanz soll Transparenz hinsichtlich der Klimafreundlichkeit von Produkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette schaffen. Doch es gibt einige Herausforderungen zu meistern.

Lesezeit: 6 Minuten

Herr Stratmann, Sie beraten Firmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Ein Ziel ist dabei, mit Hilfe einer ­guten Ökobilanz die Attraktivität der Produkte bei Verbrauchern zu ­erhöhen. Was sagt eine ­Ökobilanz überhaupt aus?

Stratmann: Die Ökobilanz gibt Auskunft über die Auswirkungen, die ­Produkte, Prozesse oder Betriebe auf die Umwelt haben. Diese sind ganz vielfältig. Wir reden heute viel über Treibhaus­gasemissionen, die Auswirkungen auf unser Klima haben.

In Ökobilanzen wird aber noch mehr erfasst: Die Eutrophierung von Gewässern, Versauerung, Schädigung der Ozonschicht, Feinstaub, Wasser- und Landnutzung. Die Ökobilanz (im Engl. Life Cycle Assessment) schaut dabei ­eigentlich auf Auswirkungen, die über die ganze Wertschöpfungskette entstehen, also von den Rohstoffen bis hin zum Produkt und dessen Entsorgung.

Für einzelne Betriebe weiter vorne in der Lieferkette, wie z. B. die Erzeuger von Agrarprodukten, sind oft so­genannte cradle-to-gate Ökobilanzen relevant. Dabei werden die Auswirkungen des Anbaus und ggf. der Weiterverarbeitung bis zum fertigen Produkt eines Betriebs analysiert. Diese Ergebnisse können dann in die jeweiligen Ökobilanzen der Wertschöpfungskette einfließen.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Erstellung einer Ökobilanz?

Stratmann: Für eine Ökobilanz bedarf es vieler Daten. Zum einen sind das Daten, die ein Betrieb selbst erheben muss, wie Düngemitteleinsatz, Dieselverbrauch, eigener Stromverbrauch oder Ertrag. Dazu kommen aber auch Information über die Herstellung der Düngemittel oder woher der Strom ­bezogen wird. Dafür ist die Ökobilanzierung auf große Datenbanken angewiesen, in denen solche Datensätze gesammelt werden.

Eine zweite Herausforderung in Ökobilanzen ist die Verteilung von Aufwänden auf verschiedene Produkte. Ein Agrarprozess produziert z. B. Rapssamen und Rapsstroh. Der Masseanteil des Strohs ist relativ hoch. Monetär erzielen die Samen aber einen höheren Ertrag. Die Aufwände, die in den Anbau geflossen sind, müssen zwischen beiden Produkten realistisch aufgeteilt werden. Dabei kommt es häufig zu In­konsistenzen zwischen verschiedenen Ökobilanzen. Dadurch leidet die Aussagekraft und Vergleichbarkeit.

Wie kann eine Ökobilanz dazu bei­tragen, umweltfreundlichere Produkte oder Prozesse zu entwickeln?

Stratmann: Wir sehen zwei Treiber: Zum einen bringt eine Ökobilanz Transparenz. Die Analyse zeigt auf, welche Prozesse oder eingekaufte Materialien hohe Auswirkungen auf die Umwelt haben. Dies hat eine Steuerungswirkung auf diejenigen, die die Prozesse entwickeln und durchführen.

Zudem können Ökobilanzen auch wissenschaftlich belastbar darstellen, ob ein Produkt niedrige oder hohe Auswirkungen auf die Umwelt hat. Endverbraucher werden heute von ­einer Vielzahl an Labeln und Produktinformationen erschlagen und können kaum entscheiden, was wirklich gut oder schlecht für die Umwelt ist.

Es ist aber wichtig, dass Kunden in Unternehmen nachhaltige Produkte auch als solche erkennen können. Wenn Kunden bereit sind, mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben, kann das auch zu einem Geschäftsmodell für die dazugehörige Lieferkette führen.

Gibt es Beispiele für Produkte oder Branchen, die von einer Ökobilanz nachhaltig profitiert haben?

Stratmann: Wir sehen viele Unternehmen, die sich damit beschäftigen müssen. Einige Branchen sind dabei schon weiter als andere. Tendenziell fangen die Forderungen nach solchen Produktinformationen bei den Inverkehrbringern von Produkten an und gehen dann langsam in der Produktionskette zurück bis zum Rohstofferzeuger. Firmen, die ihre niedrigeren Umweltauswirkungen mit Ökobilanzen belegen, können idealerweise auch einen Aufschlag auf die Preise realisieren.

Ein weiterer Aspekt ist eine Risikominimierung. Eine Ökobilanz zeigt beispielsweise die CO2-Emissionen der Produktion an. Dadurch, dass CO2-Emissionen immer höher bepreist werden, ist das eine wichtige Information für zukünftige Kostenentwicklungen.

Welche Vorteile hat die betriebsindividuelle Ökobilanz für den Landwirt?

Stratmann: Er kann seinem Abnehmer darlegen, mit welchen Auswirkungen er die Rohware produziert hat. Aber auch unabhängig vom Ergebnis werden Abnehmer zunehmend auf solche Daten bestehen. Bei größeren Betrieben kommen noch gesetzliche Vorschriften hinzu. Wahrscheinlich müssen sich Unternehmen also mittelfristig damit auseinandersetzen.

Was ist der Unterschied zwischen ­Product Carbon Foot Print (PCF) und Life Cycle Assessment (LCA)?

Stratmann: Ein PCF ermittelt nur die Treibhausgasemissionen (THG-Bilanz), bei der LCA werden noch weitere ­Umweltauswirkungen betrachtet.

Welche Umweltauswirkungen treten vor allem im LCA in der Landwirtschaft auf?

Stratmann: Bei den Agrarprodukten zeigen sich oft Auswirkungen bei Eutrophierung, Versauerung, Ökotoxizität, Land- und Wassernutzung.

Wann ist es sinnvoll, den gesamten ­Lebenszyklus (cradle-to-grave) eines Produktes zu analysieren, wann reicht es aus, nur einen Teil zu betrachten?

Stratmann: Einzelne Betriebe müssen immer erst einmal zeigen, wie sie ihr Produkt herstellen und welche Auswirkungen das hat („cradle-to-gate“). Wenn sie aber ein Produkt herstellen, dessen Mehrwert sich erst in der Nutzungs- oder Verwertungsphase zeigt (z. B. Waschmittel ermöglicht Waschen bei niedrigeren Temperaturen), kann es sinnvoll sein, die Betrachtung zu ­erweitern und so die Vorteile über die gesamte Wertschöpfungskette zu ­zeigen. Die ganz großen Fragen wie „Einweg oder Mehrweg?“ werden mit cradle-to-grave Analysen untersucht. Diese geben dann aber die Politik oder große Unternehmen in Auftrag.

„Ökobilanzen dienen als Treiber für Transparenz und Nachhaltigkeit.“

Wie können Ackerbauern und ­Tierhalter ihre eigene Umweltbilanz verbessern?

Stratmann: Die Effizienz steigern oder Abfall vermeiden ist immer gut. Zudem haben die zugekauften Materialien, wie Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Energie(träger) und auch die Prozesse in den Betrieben Auswirkungen, die sich reduzieren lassen.

Es geht aber um mehr, als immer nur weniger Einsätze zu fordern. Dank ökobilanzieller Studien lassen sich die zugekauften Produkte oder ­eigene Aktivitäten mit besonders hohen Umweltauswirkungen identifizieren. Gerade die sollten durch Produkte oder Lösungen ersetzt werden, die ­potenziell geringere Auswirkungen mit sich bringen. Die Ökobilanz hilft so bei der Priorisierung von Maßnahmen.

Was kostet eine Umweltbilanzierung für Milch oder Fleisch?

Stratmann: Ökobilanzen lassen sich in fast beliebiger Tiefe und mit entsprechend hohem Aufwand durchführen. Es muss daher zu Beginn geklärt werden, wer ein Interesse an den Daten hat und welche Anforderungen er stellt. Erst dann ist es sinnvoll, in die Analyse zu gehen.

Sofern noch nicht geschehen, muss jeder Betrieb am Anfang eines solchen Prozesses einmal seine internen Daten zu Verbräuchen etc. dokumentieren und idealerweise ein System erstellen, wie sich diese Daten in Zukunft besser erheben lassen. Das bedeutet internen Aufwand. Dazu kommen Kosten für Berater, die die eigentliche Analyse durchführen können und Zugang zu Software und Datenbanken haben.

Verbände können hier eine unterstützende Rolle einnehmen. Innerhalb einzelner Branchen gibt es oft große Überschneidungen im Betriebsablauf und bei den eingekauften Materialien, wie Strom, Agrardiesel, Dünger oder Pflanzenschutzmitteln. Wenn gemeinsam der Aufwand betrieben wird, für diese Produkte Daten zu den Umweltauswirkungen zur Verfügung zu stellen, können die Aufwände für die ­Einzelnen stark reduziert werden.

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