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Geflügeltagung Bonn

Ökolebensmittel unter Preisdruck - Discounter werden 2024 stärkste Biohändler

Auf der Bioland Geflügeltagung in Bonn war die schwierige Situation bei Bio-Eiern und -Geflügelfleisch Thema. Die Discounter haben den Hofläden das Geschäft abgenommen, die Preise sind grenzwertig.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Verbraucher greifen zunehmend zu Bioware. Entscheidender Grund ist, dass Ökolebensmittel inzwischen flächendeckend im Lebensmitteleinzelhandel angekommen sind und oft nicht mehr kosten, als konventionelle Ware. Alle Bio-Anbauverbände sind heute mit mindestens einer großen Supermarktkette verpartnert.

So nahmen die Ausgaben der Verbraucher 2023 laut BÖLW um 5 % zu. Große Gewinner sind die Discounter und Drogeriemärkte. Sie sind es, die den Bioausgaben einen Schub verleihen. Das stellt auch Sebastian Schneider fest, der für Bioland wöchentlich mit dem LEH verhandelt. „Die Biolebensmittel waren weniger von der Inflation betroffen“, sagte er am Mittwoch bei der Bioland-Geflügeltagung in Bonn. Trotz einer Gesamtinflationsrate von 9 % legten die Preise im Jahr 2023 nur um 5 % zu.

Während es bei konventionellen Produkten eine Kaufzurückhaltung gab, zeigt sich bei Bio ein positiver Trend. „Die Kunden greifen zu“, sagt er und nennt einen Zuwachs je nach Geschäft von 4 bis 6 %.

Schneider nennt hier vor allem Aldi, Lidl und Penny, die im Ökosegment zwischen 9 und 13 % mehr Umsatz machten. Verlierer sind dagegen die Naturkostläden und leider auch die Hofläden. Sie mussten weitere Umsatzverluste hinnehmen. Im Dezember 2023 lag der Einbruch beim Naturkosthandel beispielsweise bei – 24 %, während der gesamte LEH mit Biowaren 7,5 Mrd. € machte, ein Plus von 3,1 %.

Für dieses Jahr geht Schneider davon aus, dass der Discounter Deutschlands stärkster Biohändler werden wird.

Bioeier in der Krise

Herausfordernd ist aktuell die Lage auf dem Bioeiermarkt. Laut Schneider ist die Menge 2023 um 5,7 % zurückgegangen, der Umsatz sank um 5,1 %.

Im Oktober sank die Bioeiermenge über den ganzen LEH hinweg um 12,9 %, im November um 4,1 % und im Dezember um 5,2 %. Bei den Discountern wurden im Oktober 10,3 % und im November 3,0 % weniger Bioeier gekauft. Im Dezember setzten diese Läden aber plötzlich 1,3 % mehr ab.

14 % Bioeier am Gesamtmarkt sind traurig

Schneider führt das auf den Ausbau des Biosortiments zurück. So gebe es z.B. bei den großen Discountern inzwischen mehrere Plätze für unterschiedliche Bioeier, wie etwa EU-Bio, Verbandswaren und regionale Waren. Die Biolandeier sieht er jedoch definitiv nicht in der Krise.

Nicht zu unterschätzen seien auch die Werbeprospekte. „Für viele Kunden sind sie am Wochenende das wichtigste Blatt nach der Bildzeitung“, sagt Schneider. Bislang bekommen Bioland und Co. darin jedoch nur selten eine Plattform. Und wenn, dann dient das eher dem grünen Image, weiß der Berater.

Sollte Bioland mehr in LEH-Prospekten auftauchen?

Regelmäßig macht er nach eigenen Worten Druck bei den Handelspartnern, dass dort häufiger Bioware und -Angebote veröffentlicht werden. Er sieht bei den Verbrauchern noch viel Aufklärungsbedarf, dass Bio nicht gleich Bio ist und regionale Freilandhaltung häufig konventionell sei. Seinen Erfahrungen nach meinen viele Kunden, Freilandhaltung sei grundsätzlich auch Bio. Das Problem laut Schneider: Bioland wünscht vom LEH mehr Aufmerksamkeit und Werbung, der LEH sieht jedoch den Bioverband in der Bringschuld, mehr zu informieren.

Wer hat Bioland aufgebaut? Basis fühlt sich vernachlässigt

Bei den an der Geflügeltagung teilnehmenden Praktikern stießen die Zahlen auf gemischte Reaktionen. Mehrere Zuhörer meldeten sich nach Zeigen von Prospektbeispielen und LEH-Zahlen kritisch zu Wort. So könne es doch nicht Ziel von Bioland sein, den Preisdruck mitzugehen und mit Billigaktionen für Ökolebensmittel in den Prospekten zu werben.

Eine Zuhörerin erinnerte daran, wer Bioland mitaufgebaut habe: Die Direktvermarkter, Hofläden und der Naturkosthandel. Und genau die stünden derzeit mit dem Rücken an der Wand. Sie warfen Bioland vor, zu sehr auf den LEH und die Discounter zu schauen und die Basis zu vergessen. Auch die Forderung nach einer „Task Force zur Rettung der Hofläden und des Naturkosthandels“ wurde laut. Der Biolandverband sollte die dezentrale Vermarktung wieder stärker in den Fokus nehmen. „Bioland ist divers“, hieß es.

Und ein anderer Landwirt beklagte, dass die gezeigten Verkaufspreise im Discounter ja sogar unter seinen Abgabepreisen an Händler liegen würden.

Biogeflügel bleibt oft liegen

Schneider ging weiter auf den Geflügelfleischbereich ein. Dieser ist sehr klein und „fast nichts im Vergleich zu den großen Gesamtmengen 2023“, schilderte er.

Der Absatz von Biogeflügel sank im letzten Jahr mengenmäßig um 9,1 %, der Umsatz fiel um 4,1 %. Zum Vergleich: Im Gesamtmarkt legten die verkaufte Geflügelfleischmenge um 5,6 % und der Umsatz um 7,4 % zu! Auch hier gibt es aber eine Ausnahme, die Discounter. Laut Schneider ist hier der Verkauf von Biogeflügel zweistellig gewachsen.

Bioland muss sich mit seinen hochpreisigen Waren jedoch gegen das EU-Bio aus niedrigeren Standards behaupten. Lobend erwähnte er Lidl in Bayern. Hier gebe es Bioland-Geflügelfleisch in der Tierkühltruhe. In den anderen Bundesländern dagegen nur EU-Bio. Es gibt dabei allerdings einen Haken: Lidl bewirbt das Biolandfleisch mit einem Aktionspreis – es geht also letztlich auch nur wieder über das Argument "Möglichst günstig".

Schneider zeigte einige Beispiel aus den Discountern. Da kostet ein Biolandhähnchen beispielsweise 15 €, laut dem Bioland-Fachmann ist das schon an der Schmerzgrenze der Kunden. Günstiger sei Naturland und am günstigsten EU-Bio, z.B. mit Herkunft Österreich. Daneben liegt konventionelle Ware, Brust-Innenfleisch für 4,89 € oder die Lidl Maispoularde für 3,99 €, verdeutlicht er das alte Problem. Vor dem Laden befragt, wollen die Kunden natürlich Bio und mehr Tierwohl, nach dem Einkauf ist dann doch das konventionelle Fleisch im Wagen, bedauert Schneider. „Bio sei dann doch zu teuer gewesen“, laute die immer gleiche Antwort.

LEH-Tierwohlprogramme verwischen Grenzen

Neu im LEH sei die Zwischenlösung aus konventionell und Bio. Schneider meint damit eigene Programme, die der Handel stark bewirbt und mit ihnen Öko suggeriert. Edeka hat das Hofglückprogramm geschaffen oder Kaufland die K-Wertschätze. Das Marketing stelle da die Haltungsstufen 3 und 4 in den Vordergrund, was den Biolandberater insofern stört, dass die Kunden den Unterschied zu Öko-Standards nicht erkennen.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die Nachfrage nach Biofleisch nach den starken Zuwächsen 2021 wieder zurückgeht – die Preise seien aber stabil und Geflügel nicht so stark betroffen wie andere Gruppen.

Bioland heißt regionale Produkte vom Bauern

Zur besseren Vermarktung wünscht sich Schneider eine bundesweite Bündelung der Biolanderzeugnisse und sehr langfristige Verträge, für mehr Planungssicherheit. Das stieß jedoch auf Kritik, weil sich viele Mitglieder die regionale Vermarktung auf die Fahnen geschrieben haben und eben nicht an den großen LEH liefern wollen, wo gleichbleibende Mengen und Qualitäten, ständige Verfügbarkeit und vorgegebene Preise gesetzt sind.

Schneider mahnte, dass die schwierige Kostensituation nicht den Verbandsfrieden gefährden dürfe, auch nicht zwischen den verschiedenen Bioverbänden.

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Zahlen zum Gesamtgeflügel- & Eiermarkt 2023 aus dem Situationsbericht der DBV:

Ansteigende EU-Geflügelerzeugung

Die Geflügelfleischerzeugung der EU-27 in 2023 wird auf 14,3 Mio. t geschätzt und übertrifft damit das Vorjahresniveau um gut 2 %. Mit einem Anteil von 84 % dominiert die Erzeugung von Hähnchenfleisch, gefolgt von der Erzeugung von Putenfleisch mit 13 % und von Gänse-/Entenfleisch mit rund 3 %. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission steigt die EU-Geflügelfleischerzeugung in 2024 mit etwa 1 % leicht an.

Deutsche Geflügelerzeugung steigt leicht an

Die deutsche Bruttoeigenerzeugung an Geflügelfleisch wird für 2023 auf 1,655 Mio. t Schlachtgewicht geschätzt. Das sind gegenüber dem Vorjahr 7.000 t oder 0,4 % mehr. Mit etwa 79 % entfällt der mit Abstand größte Teil auf Hähnchenfleisch, gefolgt von Putenfleisch mit 19 %. Die restlichen knapp 2 % entfallen auf Gänse-/Entenfleisch. Für 2024 wird für Deutschland mit einer ähnlich leichten Steigerung der Geflügelerzeugung wie in 2023 gerechnet.

Erzeugerpreise für Hähnchen weiterhin relativ hoch

Für den Durchschnitt des Jahres 2023 erwarten Experten der MEG für Deutschland einen Erzeugerpreis für Masthähnchen (1.500 g) von rund 1,27 €/kg. 2022 waren es mit entsprechend 1,28 €/kg wenig mehr. Der Blick auf den Hähnchen- und Putenfleischmarkt in 2024 ist von vielen Unwägbarkeiten geprägt. Die Entwicklung der Futtermittelpreise hat großen Einfluss auf die Erzeugerpreise.

Welt-Eierproduktion wächst weiter

Die Welt-Eierproduktion wächst jährlich um 1 bis 2 %. Nach Einschätzung von Experten wird die Hennenhaltung zur Versorgung der Weltbevölkerung mit hochwertigem tierischen Eiweiß mittel- und langfristig eine hohe Bedeutung behalten. 37 % aller Eier weltweit werden in China erzeugt. Nach Schätzungen von OECD-FAO werden 2023 auf der Welt 93,2 Mrd. Eier erzeugt.

Sinkende Eiererzeugung in Deutschland

Die EU-Bruttoeigenerzeugung an Konsumeiern wird für 2023 auf 6,297 Mio. t geschätzt. Das sind gegenüber dem Vorjahr 1,0 % mehr. Frankreich ist der größte Konsumeierproduzent in der EU, dicht gefolgt von Deutschland, dahinter rangieren Spanien, Italien und die Niederlande. In Deutschland allerdings geht die Eiererzeugung in 2023 zurück. Es wird mit einem Minus von gut 3 % gerechnet. Für 2024 gehen MEG-Experten von einer um etwa 2 % wieder ansteigenden Produktion aus.

Eierpreise deutlich über Vorjahr

Die Packstellenabgabepreise für Bodenhaltungseier der Klasse M am Spotmarkt für den Durchschnitt des Jahres 2023 werden auf 14,50 € je 100 Stück veranschlagt. Das sind gegenüber dem Vorjahr 3,56 € oder 33 % mehr. Grund dafür ist vor allem eine relativ knappe Eierverfügbarkeit. Auch über den Jahreswechsel nach 2024 wird mit einem festen Preisniveau gerechnet.

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