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Intensive Diskussion

Politik trifft Praxis: Die GAP widerspricht Ertrag und Artenvielfalt

Wie Ertrag und Artenvielfalt zusammengehen, diskutierten Politiker und Landwirte gestern in Berlin. Die aktuelle GAP kam dabei gar nicht gut weg.

Lesezeit: 5 Minuten

Am gestrigen Abend diskutierten bei der top agrar-Veranstaltung „Politik trifft Praxis“ rund 60 Praktiker direkt mit vier Agrarpolitikern, wie Landwirtschaft gleichermaßen Artenvielfalt und Ertrag schaffen kann. Die von BASF unterstützte Diskussion im Fishbowl-Format fand in der Landesvertretung des Saarlandes in Berlin in der Nähe des Bundestages statt. Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass die aktuelle Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht zielführend sei.

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Junglandwirtin: GLÖZ 7 (Fruchtwechsel) schränkt mehrjährigen Kleegrasanbau ein

Wie sehr die neue GAP die Betriebe an Grenzen bringt, berichtete etwa Junglandwirtin Pauline Stölting. Die 20-Jährige stammt von einem Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein. Für die Fütterung rund 120 Kühe ist der Betrieb auf intensiven Futterbau auf den 80 ha Ackerland angewiesen. Bisher setzte die Familie auf mehrjährigen Kleegrasanbau – ein Plus für die Artenvielfalt.

Allerdings schränkt der vorgeschriebene Fruchtwechsel der neuen GAP (GLÖZ 7) diese Anbaustrategie stark ein. „Wir Landwirte haben das größte Interesse daran, nachhaltig zu wirtschaften“, sagte die Junglandwirtin. „Meine größte Bitte ist, dass die Politik uns mehr Vertrauen schenkt". Denn jeder Betrieb sei nun einmal anders und lasse sich nicht in ein so starres Konzept wie die GAP pressen.

Spallek: „Agrarantragsstellung ist gruselig“

Dass die nächste GAP besser und einfacher werden muss, meint auch Dr. Anne Monika Spallek (Bündnis 90/Die Grünen). Das gelte ebenfalls für die Antragsstellung. Sie stelle für ihren Grünlandbetrieb auch einen Agrarantrag, was verhältnismäßig einfach sei im Gegensatz zum Ackerbau. Dennoch: „Es ist echt gruselig", beschreibt Spallek die Antragsstellung.

"Wenn wir die Gemeinsame Agrarpolitik nicht komplett neu aufstellen, hat da keiner mehr Lust zu", befürchtet die Grünen-Politikerin. Trotzdem ist Spallek gegen eine erneute Intensivierung, sondern für extensivere Wirtschaftsweisen.

CDU-Mann Stegemann: „Wir müssen nachhaltig intensivieren“

Albert Stegemann von der CDU fordert hingegen eine nachhaltige Intensivierung. Er verwies bei "Politik trifft Praxis" auf die 10 Milliarden Menschen, die bald auf dem Planeten leben: „Wir können uns Extensivierung aktuell nicht mehr leisten.“ An der aktuellen GAP kritisierte er besonders die gesunkene Einkommenswirksamkeit und den gestiegenen Mangel an Flexibilität.

Lehmann: Glyphosat weiter zulassen

Sylvia Lehmann von der SPD sprach sich dafür aus, Landwirtschaft und Artenvielfalt im Miteinander statt im Gegeneinander zu sehen. Als Mitglied im Ernährungsausschuss des Bundestags fordert sie mehr Kompromisse in der Agrarpolitik.

Für Lehmann gehört z.B. Glyphosat zur pfluglosen oder regenerativen Bewirtschaftung dazu. „Diese Landwirte schaffen einen gesunden Boden und binden durch den Humus CO2. Das sollten wir unterstützen“, sagt Lehmann. Demnach solle der Wirkstoff erhalten bleiben.

Busen: Mehr Freiheit, weniger Ordnungsrecht

Karlheinz Busen von der FDP-Fraktion, der in Vertretung für Dr. Gero Hocker teilnahm, fordert eine generelle Abkehr vom Ordnungsrecht: „Die Freiheit des Einzelnen ist das Wichtigste, um die Betriebe am Laufen zu halten.“ Der Staat behindere die Betriebe so nur am Wirtschaften.

Bürokratie behindert mehr Nachhaltigkeit

„Wir sind mit unserem agrarpolitischen System gescheitert“, äußerte sich in der Diskussion Landwirt Christian Rohlfing aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Landwirt versucht seit fünf Jahren ein Agroforstsystem auf einer seiner Flächen anzulegen. Doch die örtliche Verwaltung machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Grund dafür ist ein Vogelschutzgebiet auf 3.500 ha. "Es ist keiner in der Lage zu sagen, Du darfst es machen", sagt Rohlfing. Ihm wäre lieber, dass der Nutzen von Agroforst auch für Kleinstlebewesen wie Spinnen bewertet würde und nicht nur für Vögel.

Dem stimmte Landwirt Michael Reber zu: „Die Landwirte, die mehr machen wollen, werden genauso behindert, wie die, die nur den Status quo bewahren wollen.“ Der baden-württembergische Landwirt möchte gern mehr für Artenvielfalt und Klima auf seinem Betrieb machen und kann sich etwa vorstellen, Hecken anzulegen, die CO2 binden. Aber wenn ich eine Hecke anlege, ist die Fläche aus dem Ackerbau raus und ich bekomme keine Förderung mehr“, sagt er. Die Konsequenz wäre, mehr Hecken o. ä. anstatt die reine Flächen zu fördern.

Agrarökonom Mußhoff: Politik muss wenig kosten, aber viel bringen

Einen anderen Ansatz als die Flächenförderung bringt auch der wissenschaftliche Side-Kick von Prof. Oliver Mußhoff, Uni Göttingen, ein. „Artenschutz müssen wir über Maßnahmen schaffen, die wenig kosten und viel bringen“, sagt er. Ein unpassendes Kosten-Nutzen-Verhältnis sieht der Wissenschaftler bei der Sustainable Use Regulation (SUR) und anderen Maßnahmen der GAP. Die Erkenntnis zieht er aus Umfragen bei mehreren brandenburgischen Betrieben. Hier zeigte sich, dass sich ein Teil der Produktion infolge von SUR aus den Schutzgebieten verlagert und die Fruchtfolgen dort stattdessen enger werden.

Vier Punkte gab Mußhoff den Politikern für künftige Politikmaßnahmen mit auf den Weg:

  1. „Berücksichtigen Sie die Anpassungsreaktionen der Landwirte. Beispiel: eine verbotene Beize kann z.B. unterm Strich mehr Pflanzenschutzmaßnahmen nach sich ziehen, wie es bei den Neonicotinoiden der Fall war.
  2. Bedenken Sie eine Verlagerung der Produktion ins Ausland.
  3. Nutzen Sie die richtige Bezugsgröße: Der Ertrag als Maßstab kann sinnvoller sein als die Flächengröße.
  4. Denken Sie an Forschung und Ausbildung, um künftig bessere Wege aufzuzeigen und in den Nachwuchs zu investieren.“

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