Ein Kommentar von Alina Schmidtmann, Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben:
Kühe stehen auf der Weide, etliche Mastrinder haben Zugang zu Ausläufen. Ein Bestand mit 60 Milchkühen gilt als groß. Die Landwirtschaft, die sich auch hierzulande so viele Verbraucher wünschen, ist in der Schweiz gelebter Alltag. Dies konnte ich in meinem vierwöchigen Schweiz-Aufenthalt beobachten. Meine Erkenntnis: In der Schweiz ist vieles anders als in Deutschland, aber auch einiges ähnlich.
Anbindehaltung von Kühen: Schweizer Milchbauern bauen neue Ställe für 60 Milchkühe in Anbindung. Einzige Voraussetzung für das Haltungssystem ist regelmäßiger Weidegang. Das ist komplett anders hier in Deutschland: Molkereien zahlen für Milch aus Anbindung weniger Geld.
Der Handel kennzeichnet Milcheigenmarken mit dem Label „ohne Anbindehaltung“. Ein Schlachthof in NRW hat jüngst angekündigt, keine Rinder mehr aus Anbindung zu schlachten. Und im Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass Anbindehaltung in zehn Jahren verboten wird. Offen ist dabei, ob nur die ganzjährige Anbindung oder auch die Kombihaltung gemeint ist.
Steuergelder für Tierwohlställe: Die Diskussionen in Deutschland und der Schweiz sind ähnlich. Mit dem Unterschied: In der Schweiz zahlt das Land für „Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme“ (BTS) und „Regelmäßigen Auslauf im Freien“ (RAUS). In Deutschland bestimmen die Bundesländer die Förderung. RAUS und BTS bilden in der Schweiz die höchsten Tierwohlstufen. Die Beiträge für RAUS liegen für Rinder jünger als 160 Tagen bei umgerechnet 355 € pro Großvieheinheit (GVE) und Jahr, bei älteren Tieren bei 182 €/GVE und Jahr. Die Diskussion dort ist ehrlich, wer Tierwohl umsetzen will, bekommt entsprechende Stallsysteme genehmigt und den Aufwand vom Land bezahlt.
Verbraucherwunsch und Wirklichkeit: Das Thema ist in beiden Ländern gleich. Auch in der Schweiz gibt es keine heile Welt: Landwirte sorgen sich um gesellschaftliche Strömungen, wie die Initiative gegen Massentierhaltung. Sie ärgern sich über die Konsumgewohnheiten: Verbraucher predigen, sie seien bereit, mehr Geld für Tierwohl auszugeben. Trotzdem fahren etliche Schweizer nach Deutschland, um ihre Lebensmittel dort billiger einzukaufen.
Junglandwirte wie Manuel Keller bauen einen neuen Stall nach den Kriterien von BTS und RAUS und können ihr Rindfleisch dann nicht entsprechend im Handel vermarkten. Daher klingen die Versprechen der Konsumenten in Ohren der Landwirte, egal in welchem Land, wie lahme Floskeln.
Für die Zukunft wünsche ich mir für unsere Rindermast sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verlässliche Lieferketten mit zuverlässigen Erlösen für den Mehraufwand. Und neben wirksamen Förderprogrammen endlich eine ehrliche Anerkennung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das würde den Rücken aller stärken!