Rübenschnitzel, Holzreste oder Apfeltrester als Rohstoff: Projekte aus der Bioökonomie
Welche neuen Nutzungsmöglichkeiten gibt es für Nebenströme aus der Landwirtschaft? Ein Blick auf Praxisprojekte der Bioökonomie, in denen fossile Rohstoffe durch nachwachsende ersetzt werden sollen.
Die zirkuläre Bioökonomie setzt auf Kreislaufwirtschaft und erneuerbare statt fossile Rohstoffe. Dabei kommt der Landwirtschaft, insbesondere den dort entstehenden und nutzbaren Nebenströmen, eine zentrale Bedeutung zu. Nebenprodukte werden bereits heute größtenteils genutzt, z. B. in der Tierfütterung oder in Biogasanlagen. Allerdings gibt es Ansätze aus dem Bereich Bioökonomie, die möglicherweise eine höhere Wertschöpfung ermöglichen. Mit der Roadmap „Zirkuläre Bioökonomie für Deutschland“ zeigen Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft Potenziale der Bioökonomie auf und präsentieren Handlungsempfehlungen u. a. für die Politik, um biobasierten Produkten und Technologien zu einem schnelleren Markthochlauf zu verhelfen. Im Folgenden einige ausgewählte Forschungsprojekte.
Klärschlamm zu Dünger aufbereiten
Eine Goldgrube für Reststoffe und deren Kreislaufführung sind laut Fraunhofer-Gesellschaft kommunale Kläranlagen. Dies hat das „Evobio“ eindrücklich gezeigt. „Die während des Projekts entwickelte Pilotanlage zur Hochlastfaulung erzeugt in der Kläranlage Ulm aus Klärschlamm einerseits Biogas und andererseits ein nährstoffreiches Schlammwasser, aus dem wertvolle Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff zurückgewonnen und zu Dünger aufbereitet werden können“, sagt Dr.-Ing. Ursula Schließmann vom Fraunhofer IGB.
Die Kläranlage der Zukunft könnte aber auch an Gemüsefarmen angekoppelt werden. Das nährstoffreiche Schlammwasser lässt sich ebenso nutzen, um Kopfsalat in sogenannten Hydroponiksystemen anzubauen. Durch den Pflanzenanbau werde das Wasser außerdem gereinigt und eigne sich so zum Aufziehen von Speisefischen. Entsprechend haben die Forscher ein Aquakulturbecken an die Hydroponiksysteme angeschlossen. Die Fische in dem Becken produzieren ihrerseits nährstoffreiches Wasser, das wiederum für den Salatanbau verwendet werden könne. „Das bedeutet, wir schließen Stoffkreisläufe und verwenden Nährstoffe nachhaltig mehrfach“, sagt Dr. Johannes Bialon vom Fraunhofer IMTE.
Hochwertige Nutzung von Rübenschnitzeln
Eine weitere Quelle von Reststoffen bietet die Lebensmittelindustrie. Jedes Jahr fallen bei der Zuckergewinnung aus Rüben Millionen Tonnen Rübenschnitzel an. Diese werden traditionell vor allem als Tierfutter sowie zur Herstellung von Biogas verwendet. Sie lassen sich aber auch anders und möglicherweise sogar höherwertiger einsetzen: In Verbundwerkstoffen oder als Bestandteil von Kunststofffolien. Fraunhofer-Institute haben gemeinsam mit Partnern im Projekt „WeRümA“ Holzfaserplatten mit reduziertem Klebstoffanteil und Mulchfolien zum Abdecken von Ackerflächen und Gartenbeeten auf Basis von Rübenschnitzeln entwickelt. Der doppelte Vorteil: So lässt sich der Verbrauch von fossilen Rohstoffen reduzieren und Zuckerherstellenden bietet sich eine zusätzliche Einnahmequelle.
Verpackungen aus Apfeltrester & Co.
Auch Reststoffe, die bei der Produktion von Apfelsaft und anderen Fruchtsäften anfallen, können nutzbringend verwendet werden: Im Projekt „HyperBioCoat“ haben Fraunhofer-Forscher und ihre Partner daraus eine biobasierte und biologisch abbaubare Beschichtung für Folien, Schalen und Flaschen aus Kunststoff oder Naturwachs hergestellt. Mit ihr ließe sich fossilbasierter Plastikmüll deutlich reduzieren. Die bioORMOCER-Barriereschicht lasse sich gut verarbeiten und kann sowohl mit herkömmlichen als auch mit kompostierbaren Verpackungsmaterialien kombiniert werden. Sie erhöhe die Schutzwirkung, zum Beispiel die Sauerstoffbarriere von Kunststoffverpackungen. Geeignet sei die Beschichtung beispielsweise für Lebensmittel sowie Kosmetikverpackungen.
Carbonfasern gelten als das „schwarze Gold“ des Leichtbaus – einer laut Fraunhofer zentralen Technologie für die Energie- und Klimawende. Die extrem steifen, festen und leichten Carbonfasern ermöglichen zum Beispiel die Konstruktion ultraleichter Rennräder. Noch wichtiger aber seien Anwendungen in Flugzeugbau, Windkraftanlagen und zunehmend im Automobilbau. Jedoch seien die Fasern bislang teuer, erdölbasiert und CO2-intensiv. Gemeinsam mit einem Industriepartner werden daher „biobasierte Carbonfasern“ auf der Grundlage von Holz entwickelt. Die Vorteile: günstige, biobasierte Ausgangsstoffe und keine Emission von toxischen Gasen bei der Herstellung. Die Pilotphase der Entwicklung zusammen mit weiteren Industriepartnern ist bereits eingeleitet.
Holzabfälle zur regenerativen Wasserstofferzeugung
Das Verbundprojekt „H2Wood – BlackForest“ setzt ebenfalls auf Holz: auf Holzabfälle, die nach ihrer Nutzung mit Lacken oder Klebstoffen verunreinigt sind und derzeit kostenintensiv entsorgt werden müssen. Für eine nachhaltige, regionale Wertschöpfung und mit dem Ziel einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft will das Projekt diese Abfälle mithilfe von Mikroalgen und Bakterien zur regenerativen Wasserstofferzeugung nutzen.
Nicht nur Holz-, sondern auch Gärreste aus der regionalen Land- und Forstwirtschaft werden als Ressourcen genutzt. Im Projekt „RUBIO“ arbeiten zwei Fraunhofer-Institute mit Partnern an der Marktetablierung des biologisch abbaubaren Kunststoffs Polybutylensuccinat (PBS). Dessen Ausgangsstoffe ließen sich sowohl fossil als auch – wie im Projekt vorgesehen – aus Glukose herstellen. „Einer der großen Vorteile ist es, dass die Ausgangsrohstoffe gut verfügbare pflanzliche Reststoffe sind. Somit besteht keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, wie etwa bei Bio-Kunststoffen auf Basis von Rohrzucker“, sagt Dr.-Ing. Patrick Hirsch, der das Projekt am Fraunhofer IMWS koordiniert.
Ausführlichere Informationen zu Einsatzfeldern und Projekten im Bereich Bioökonomie finden Sie beim Fraunhofer-Institut.
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Die zirkuläre Bioökonomie setzt auf Kreislaufwirtschaft und erneuerbare statt fossile Rohstoffe. Dabei kommt der Landwirtschaft, insbesondere den dort entstehenden und nutzbaren Nebenströmen, eine zentrale Bedeutung zu. Nebenprodukte werden bereits heute größtenteils genutzt, z. B. in der Tierfütterung oder in Biogasanlagen. Allerdings gibt es Ansätze aus dem Bereich Bioökonomie, die möglicherweise eine höhere Wertschöpfung ermöglichen. Mit der Roadmap „Zirkuläre Bioökonomie für Deutschland“ zeigen Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft Potenziale der Bioökonomie auf und präsentieren Handlungsempfehlungen u. a. für die Politik, um biobasierten Produkten und Technologien zu einem schnelleren Markthochlauf zu verhelfen. Im Folgenden einige ausgewählte Forschungsprojekte.
Klärschlamm zu Dünger aufbereiten
Eine Goldgrube für Reststoffe und deren Kreislaufführung sind laut Fraunhofer-Gesellschaft kommunale Kläranlagen. Dies hat das „Evobio“ eindrücklich gezeigt. „Die während des Projekts entwickelte Pilotanlage zur Hochlastfaulung erzeugt in der Kläranlage Ulm aus Klärschlamm einerseits Biogas und andererseits ein nährstoffreiches Schlammwasser, aus dem wertvolle Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff zurückgewonnen und zu Dünger aufbereitet werden können“, sagt Dr.-Ing. Ursula Schließmann vom Fraunhofer IGB.
Die Kläranlage der Zukunft könnte aber auch an Gemüsefarmen angekoppelt werden. Das nährstoffreiche Schlammwasser lässt sich ebenso nutzen, um Kopfsalat in sogenannten Hydroponiksystemen anzubauen. Durch den Pflanzenanbau werde das Wasser außerdem gereinigt und eigne sich so zum Aufziehen von Speisefischen. Entsprechend haben die Forscher ein Aquakulturbecken an die Hydroponiksysteme angeschlossen. Die Fische in dem Becken produzieren ihrerseits nährstoffreiches Wasser, das wiederum für den Salatanbau verwendet werden könne. „Das bedeutet, wir schließen Stoffkreisläufe und verwenden Nährstoffe nachhaltig mehrfach“, sagt Dr. Johannes Bialon vom Fraunhofer IMTE.
Hochwertige Nutzung von Rübenschnitzeln
Eine weitere Quelle von Reststoffen bietet die Lebensmittelindustrie. Jedes Jahr fallen bei der Zuckergewinnung aus Rüben Millionen Tonnen Rübenschnitzel an. Diese werden traditionell vor allem als Tierfutter sowie zur Herstellung von Biogas verwendet. Sie lassen sich aber auch anders und möglicherweise sogar höherwertiger einsetzen: In Verbundwerkstoffen oder als Bestandteil von Kunststofffolien. Fraunhofer-Institute haben gemeinsam mit Partnern im Projekt „WeRümA“ Holzfaserplatten mit reduziertem Klebstoffanteil und Mulchfolien zum Abdecken von Ackerflächen und Gartenbeeten auf Basis von Rübenschnitzeln entwickelt. Der doppelte Vorteil: So lässt sich der Verbrauch von fossilen Rohstoffen reduzieren und Zuckerherstellenden bietet sich eine zusätzliche Einnahmequelle.
Verpackungen aus Apfeltrester & Co.
Auch Reststoffe, die bei der Produktion von Apfelsaft und anderen Fruchtsäften anfallen, können nutzbringend verwendet werden: Im Projekt „HyperBioCoat“ haben Fraunhofer-Forscher und ihre Partner daraus eine biobasierte und biologisch abbaubare Beschichtung für Folien, Schalen und Flaschen aus Kunststoff oder Naturwachs hergestellt. Mit ihr ließe sich fossilbasierter Plastikmüll deutlich reduzieren. Die bioORMOCER-Barriereschicht lasse sich gut verarbeiten und kann sowohl mit herkömmlichen als auch mit kompostierbaren Verpackungsmaterialien kombiniert werden. Sie erhöhe die Schutzwirkung, zum Beispiel die Sauerstoffbarriere von Kunststoffverpackungen. Geeignet sei die Beschichtung beispielsweise für Lebensmittel sowie Kosmetikverpackungen.
Carbonfasern gelten als das „schwarze Gold“ des Leichtbaus – einer laut Fraunhofer zentralen Technologie für die Energie- und Klimawende. Die extrem steifen, festen und leichten Carbonfasern ermöglichen zum Beispiel die Konstruktion ultraleichter Rennräder. Noch wichtiger aber seien Anwendungen in Flugzeugbau, Windkraftanlagen und zunehmend im Automobilbau. Jedoch seien die Fasern bislang teuer, erdölbasiert und CO2-intensiv. Gemeinsam mit einem Industriepartner werden daher „biobasierte Carbonfasern“ auf der Grundlage von Holz entwickelt. Die Vorteile: günstige, biobasierte Ausgangsstoffe und keine Emission von toxischen Gasen bei der Herstellung. Die Pilotphase der Entwicklung zusammen mit weiteren Industriepartnern ist bereits eingeleitet.
Holzabfälle zur regenerativen Wasserstofferzeugung
Das Verbundprojekt „H2Wood – BlackForest“ setzt ebenfalls auf Holz: auf Holzabfälle, die nach ihrer Nutzung mit Lacken oder Klebstoffen verunreinigt sind und derzeit kostenintensiv entsorgt werden müssen. Für eine nachhaltige, regionale Wertschöpfung und mit dem Ziel einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft will das Projekt diese Abfälle mithilfe von Mikroalgen und Bakterien zur regenerativen Wasserstofferzeugung nutzen.
Nicht nur Holz-, sondern auch Gärreste aus der regionalen Land- und Forstwirtschaft werden als Ressourcen genutzt. Im Projekt „RUBIO“ arbeiten zwei Fraunhofer-Institute mit Partnern an der Marktetablierung des biologisch abbaubaren Kunststoffs Polybutylensuccinat (PBS). Dessen Ausgangsstoffe ließen sich sowohl fossil als auch – wie im Projekt vorgesehen – aus Glukose herstellen. „Einer der großen Vorteile ist es, dass die Ausgangsrohstoffe gut verfügbare pflanzliche Reststoffe sind. Somit besteht keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, wie etwa bei Bio-Kunststoffen auf Basis von Rohrzucker“, sagt Dr.-Ing. Patrick Hirsch, der das Projekt am Fraunhofer IMWS koordiniert.
Ausführlichere Informationen zu Einsatzfeldern und Projekten im Bereich Bioökonomie finden Sie beim Fraunhofer-Institut.