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Saisonkräfte: Wird die „kurzfristige“ Beschäftigung zum Risiko?

Landwirte, die Erntehelfer für die Saison einstellen, sollten wissen, dass Betriebsprüfer immer strenger prüfen. In bestimmten Fällen hilft ein neues Urteil.

Lesezeit: 4 Minuten

Eine der wichtigsten Fragen für Saisonbetriebe: ­Welche Mitarbeiter können als kurzfristig beschäftigte Hausmänner bzw.- frauen  sozialversicherungsfrei eingestellt werden?

Aktuelle Tipps dazu gab Marion von Chamier bei der diesjährigen Informationsveranstaltung des Arbeitgeberverbands der Westfälisch-Lippischen Land- und Forstwirtschaft e.V.

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Voraussetzung für die sozialversicherungsfreie Beschäftigung von Hausfrauen und -männern ist die Einhaltung der Zeitgrenze von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen, dass keine Berufsmäßigkeit vorliegt und die Beschäftigung nur gelegentlich ausgeübt wird.

Betriebsprüfer kontrollieren unterschiedlich streng

Das größte Problem zurzeit ist, berichtet Marion von Chamier, dass die Betriebsprüfer der Rentenversicherung gerade in Sachen Berufsmäßigkeit ganz unterschiedlich streng prüfen.

Immer häufiger komme es vor, dass bei ledigen Hausmännern und -frauen die sozialversicherungsfreie Beschäftigung angezweifelt wird. Und auch bei Ehepaaren, die beide sozialversicherungsfrei beschäftigt werden, sind die Prüfer zunehmend skeptisch. „Und man weiß nicht, welchen Prüfer mit welcher Rechtsauffassung man bekommt“, so von Chamier.

Um sich möglichst gut abzusichern, rät Marion von Chamier Arbeitgeber Folgendes:

  • Beschäftigen Sie ein Ehepaar als Erntehelfer, sollten Sie nur einen von den beiden sozialversicherungsfrei beschäftigen.
  • Achten Sie darauf, dass die Saisonkraft den Fragebogen zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht komplett selbst und mit einem einzigen Stift ausfüllt – nicht Sie als Arbeitgeber, auch nicht um Lücken zu füllen.
  • Falls die Saisonkraft nicht selbst schreiben kann, sollte dies ggf. ein Familienmitglied im Heimatland übernehmen – nicht Sie als Arbeitgeber.
  • Bei der Frage 6 muss nicht nur die Eigenschaft Hausfrau/Hausmann angekreuzt, sondern auch angeben werden, ab wann die Saisonkraft Hausfrau/Hausmann ist.
  • Bei Frage 7 muss die Saisonkraft zwingend Angaben dazu machen, wovon sie ihren Lebensunterhalt im Heimatland bestreitet - das gilt für alle Fälle ab Sommer/Herbst 2020. Davor waren entsprechende Angaben nicht notwendig und dürfen von den Betriebsprüfern auch nicht verlangt werden.

Neues Urteil hilft Arbeitgebern

Optimal ist es, wenn eine Saisonkraft zusätzlich zu den Angaben zum Lebensunterhalt eine Verdienstbescheinigung z.B. des Ehe- oder Lebenspartners vorlegen kann. „Nach unserer Rechtsaufassung, ist dies aber keinesfalls notwendig“, betont Marion von Chamier. Das bestätige auch ein neues Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 25. November 2023 (Az: L 8 BA 2385/22):

  • Das Ankreuzen des Feldes Hausmann/Hausfrau führe zwar nicht per se zur Sozialversicherungsfreiheit. Der Arbeitgeber sei aber weder verpflichtet noch berechtigt, die Angaben der Saisonkraft im Fragebogen zu hinterfragen bzw. zu ermitteln, wie die Saisonkraft ihren Lebensunterhalt bestreitet.
  • Bei fehlenden Nachweisen liege die Beweislast bei der Deutschen Rentenversicherung nicht beim Arbeitgeber.
  • Aus einer wiederholten Beschäftigung in mehreren Jahren könne noch nicht auf eine, die Kurzfristigkeit ausschließende regelmäßige Beschäftigung geschlossen werden könne.

„Entscheidend bei wiederholten Beschäftigungen ist“, so von Chamier, „dass die erneute Tätigkeit nicht bereits von vornherein (vertraglich) vereinbart wird“. Außerdem tue man gut daran, Beginn und Ende der Beschäftigung einer Saisonkraft von Jahr zu Jahr variieren.

Argumente von Betriebsprüfer – und Arbeitgeber gegenhalten können

Manch ein Betriebsprüfer zieht aber gerne eine andere Gerichtentscheidung aus dem letzten Jahr heran: das Urteil des Sozialgerichtes Landshut vom 9. März 2023 (Az: S 1 BA /3/21).

Darin gingen die Richter davon aus, dass bei der Beschäftigung von Saisonkräften aus osteuropäischen Niedriglohnländern im Regelfall Berufsmäßigkeit und damit Sozialversicherungspflicht vorliegt. Bei der Prüfung der Berufsmäßigkeit komme es dabei wesentlich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im Heimatland an. Es käme auf den Anteil an, den Vergütung aus der Beschäftigung in Deutschland an dem Jahreseinkommen der betreffenden Person hat. Hier seien sämtliche Einnahmen auch aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.

„Dieses Urteil ist aus unserer Sicht nicht haltbar und geht im Übrigen auch in die nächste Instanz zum Landessozialgericht Bayern“, so von Chamier.

Das neuere, oben genannte zweitinstanzliche Urteil aus Baden-Württemberg ( Az: L 8 BA 2385/22) hat dieser Rechtsaufassung aus Landshut auch an verschiedenen Stellen widersprochen und klargestellt, dass die Berufsmäßigkeit unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen im Heimatland bewertet werden muss. Andernfalls liege eine Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmer vor. Auch hätten deutsche Arbeitgeber keinen Anspruch auf Offenlegung des Einkommens der Saisonkraft.

Problem: Noch keine abschließende Rechtsprechung

Da es aber noch keine abschließende Rechtsprechung vom Bundessozialgericht gibt, bleibt es dabei: Moniert der Prüfer das Beschäftigungsverhältnis auf Grundlage seiner eigenen Auslegung der vorliegenden Urteile, muss der Betrieb erstmal die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Und auch wenn der Betrieb Widerspruch und Klage einreicht, haben diese keine aufschiebende Wirkung. Das heißt der Betrieb muss erst mal zahlen und das können schnell mehrere zehn- oder auch hunderttausend Euro sein.

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