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Trockenstellen von Kühen ohne Antibiotika: Landwirt gibt Praxistipps

Leichter gesagt als getan ist das Trockenstellen von Kühen ohne Antibiotika. Wir haben einen Milchkuhbetrieb besucht, der das seit vielen Jahren erfolgreich umsetzt.

Lesezeit: 5 Minuten

Hoher Kuhkomfort und saubere Liegeboxen für die Trockensteher sowie ein genereller Fokus auf die Eutergesundheit der Herde: Diese Voraussetzungen für das selektive Trockenstellen erfüllt der Milchkuhbetrieb Kahrs aus Oerel (Niedersachsen). Seit der letzten Änderung der EU-Tierarzneimittelverordnung vor mehr als einem Jahr dürfen Kühe nicht mehr prophylaktisch antibiotisch trockengestellt werden. Was sich in der Theorie einfach anhört, hat in der Praxis viele Tücken: Immer wieder berichten Betriebe z. B. von schweren Euterentzündungen in der Trockenstehzeit.

Kuhkomfort im Fokus

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Familie Kahrs stellt ihre Kühe bereits seit 2015 selektiv trocken. Thorsten Kahrs bewirtschaftet den Betrieb mit 150 Milchkühen zusammen mit seiner Frau Anni, seinen Eltern sowie zwei Auszubildenden. Die Milchleistung der Herde liegt bei 13.000 kg. Der Landwirt führt die hohe Leistung auf Kuhkomfort sowie auf gutes Grundfutter zurück. Die 135 laktierenden Kühe liegen in Tiefboxen. Vom vierten bis zum 130. Laktationstag sind die Kühe in einem Zweireiher und danach in einem Dreireiher mit Außenfuttertisch untergebracht. Beide Kuhgruppen erhalten die gleiche totale Mischration. Auch die trockenstehenden Kühe sind in einem maximal zu 95 % belegten Stall mit Tiefboxen untergebracht.

Arbeiten mit System

Bei Familie Kahrs finden die Kühe also gute Haltungsbedingungen für eine reibungslose Trockenstehzeit. Ein Fachartikel zum selektiven Trockenstellen gab für Thorsten Kahrs vor acht Jahren den Ausschlag, auf dieses System umzustellen: „Ich habe es dann einfach ausprobiert“, erinnert er sich. Doch was ist noch nötig, damit selektives Trockenstellen auch langfristig funktioniert?

Schnell gelesen

Das selektive Trockenstellen funk­tioniert bei der Herde von Familie Kahrs trotz hoher Milchleistung problemlos.

Wichtig sind eine gute Vorbereitung, ­Hygiene sowie beste Haltungsbedingungen im Trockenstand.

Die Liegeboxen streut Familie Kahrs mit einer fertigen Stroh-Kalk-Mischung ein.

Herde eutergesund halten: Die Eutergesundheit der Milchkuhherde von Familie Kahrs ist insgesamt gut. Als sie vor acht Jahren mit dem selektiven Trockenstellen startete, lag die Zellzahl im Schnitt bei 210.000/ml. „Inzwischen haben wir im Schnitt des letzten Jahres 80.000 Zellen/ml“, sagt Thorsten Kahrs. Nur 4 % der Herde hat einen Zellgehalt von über 250.000/ml, 65 % liegen wiederum unter 50.000/ml. Außerdem gibt es kein Problem mit Staph. aureus-Erregern, die ohne antibiotisches Trockenstellen schwer zu bekämpfen wären.

Gut vorbereiten: Familie Kahrs stellt erstlaktierende Kühe sieben Wochen und Kühe ab der zweiten Laktation mindestens sechs Wochen vor der Kalbung trocken. Tiere, die zum Termin des Trockenstellens noch mehr als 33 kg Milch pro Tag geben, erhalten ein bis zwei Tage vorher in einer Selektionsbucht die Ration der Trockensteher. „Die Milchleistung sinkt schnell um bis zu 10 kg. Länger sollte diese Phase aber nicht dauern, da die Leistung dadurch nicht weiter fällt“, so Thorsten Kahrs. Er markiert die Euter der Kühe, die am Folgetag trockengestellt werden, mit farbigem Spray, um sie im Melkstand sofort zu erkennen.

Außerdem schaut er sich die Ergebnisse der vergangenen drei Milchkon­trollen an: Lag eine Kuh dreimal bei weniger als 100.000 Zellen/ml und hatte keine Euterentzündung in der ­aktuellen Laktation, kann er sie ohne Antibiotika und nur mit einem Zitzenversiegler trockenstellen. Bei Tieren mit Eutergesundheitsproblemen setzt er weiterhin auf antibiotisches Trockenstellen.

Vorgehen beim Trockenstellen: Als Vorbereitung auf das Melken, dippt Kahrs die Kühe in dem 20er-Swingover-­Melkstand mit einem Schaumdippbecher vor. Dann reinigt er die Zitzen mit einem Einwegtuch. Für trockenzustellende Kühe nutzt er zwei Tücher, um das Euter noch gründlicher zu säubern.

Wenn die Tiere ausgemolken sind, geht der Landwirt so vor: Er reinigt seine Einweghandschuhe. Mit einem Desinfektionstuch, das dem Versiegler beiliegt, reinigt er die Zitzenspitzen. Dann bringt er Zitzenversiegler bzw. antibiotischen Trockensteller und Zitzenversiegler nacheinander ein. „Wenn ich den Zitzenversiegler eingebe, drücke ich den Strichkanal mit der anderen Hand oben ab. Er soll in der Zitze bleiben und sich nicht im Euter verteilen“, so Thorsten Kahrs. Danach dippt er die Zitzen.

Das Trockenstellen während des Melkens ist möglich, weil die Familie wöchentlich nur drei bis fünf Kühe trockenstellt. „Mir ist wichtig, dass ich mir für das Trockenstellen Zeit nehme auch wenn ich an diesen Tagen gleichzeitig für das Melken zuständig bin“, sagt der Betriebsleiter. Erst wenn er mit dem Tier vollständig fertig ist, treibt er wieder Kühe in den Melkstand, dippt nach, etc.

Bedingungen im Trockenstand: Die Tiefboxen im Trockensteherstall haben eine Matratze Kälbermist. Diese füllt der Ausbildungsbetrieb alle vier Wochen neu auf, damit sie immer möglichst voll sind. Außerdem streuen sie alle vier Tage gehäckseltes Stroh im Wechsel mit Stroh-Kalk nach. „Seit einem Jahr kaufen wir ein fertiges Stroh-Kalk-Gemisch aus den Niederlanden. Damit ist die Zellzahl nochmal deutlich gesunken“, so Thorsten Kahrs. Der Landwirt beobachtet, dass sich die Einstreu nicht entmischt und gut in der Box liegen bleibt. Anders als bei Eigenmischungen aus Stroh, Kalk und Wasser erwärmt sich die Einstreu bei der Lagerung nicht.

Die Ration für die trockenstehenden Kühe legt der Betrieb täglich frisch vor. Da die anzumischende Futtermenge für die etwa 25 Tiere recht klein ist, haben sie zuletzt die Grassilage aus der Ration herausgenommen, erklärt Thorsten Kahrs: „Gerade die feuchte Grassilage ist schwer zu dosieren. Wir haben sie durch kurz geschnittenes Heu ersetzt.“

Und das bringts

Thorsten Kahrs hat bisher kaum schlechte Erfahrungen mit dem selektiven Trockenstellen gemacht: „Im letzten Jahr hatte ein Tier eine Euterentzündung im Trockenstand, davor aber lange keine. Vereinzelt gibt es das ja immer mal, ob mit oder ohne antibiotischen Trockensteller. Für uns überwiegen die Vorteile.“ Die Neuinfektionsrate im Trockenstand lag in den letzten zwölf ­Monaten, unabhängig vom Trockenstellverfahren, bei 21 % und die Heilungsrate bei 78 %. Die 25 % besten Betriebe in Kahrs Kontrollverband haben hier Werte von 17 bzw. 72 %. „Insgesamt sparen wir Antibiotika und haben keine Wartezeit auf Milch, wenn eine Kuh mal früher kalbt“, erklärt der Landwirt. Er testet die Kühe, die antibiotisch trockengestellt wurden, mit einem Hemmstofftest, bevor er die Milch wieder abliefert. Das ist aber meistens nicht nötig, denn nur eine von vier Kühen erhält einen antibiotischen Trockensteller.

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